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Fachartikel

Eine «schöne Bescherung»: Das Mitarbeitergespräch zum Jahresende

Alle Jahre wieder: Pünktlich zur Weihnachtszeit steht in vielen Unternehmen das traditionelle Mitarbeitergespräch oder Jahresendgespräch bevor. In «vielen Unternehmen» deshalb, weil es in einigen abgeschafft worden ist.

Renata Kratzer am 25. November 2019

Dazu zählt zum Beispiel die Zürcher Kantonalbank. In anderen Firmen hingegen ist es sogar neu eingeführt worden. So mussten im vergangenen Jahr erstmals alle Piloten der Fluglinie Swiss zum Mitarbeitergespräch erscheinen. Die unterschiedlichen Praktiken werfen die Frage auf, was davon besser ist.

Doch dies lässt sich nicht pauschal beantworten. Denn Jahresendgespräche können so unterschiedlich ablaufen wie es die Unternehmen sind, in denen sie stattfinden. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Gespräche dazu dienen, Bilanz zu ziehen, Zukunftsperspektiven zu besprechen sowie Themen, für die im Arbeitsalltag meist die Zeit fehlt. Im extremen klassischen Fall besteht das Mitarbeitergespräch am Jahresende aus drei Teilen. «Im ersten Teil geht es um Leistungsaspekte. Also um einen Rückblick auf das Jahr, die Leistungsbeurteilung, die Mitteilung, ob der Chef zufrieden war oder nicht, und allfällige Fragen zur Entlöhnung», wie die Handelszeitung berichtet. Anschliessend setzen Chef und Mitarbeiter Ziele sowie Schwerpunkte für das kommende Jahr, bevor Entwicklungsaspekte thematisiert werden, die über das kommende Jahr hinausreichen.

Komplexität, die verunsichert

Von dieser Praktik gibt es viele Abwandlungen. So werden in manchen Unternehmen nur Teilaspekte besprochen. Dazu kann eine Leistungsbeurteilung mit Verteilung von Prämienzahlungen gehören und/oder die Planung von Fortbildungen. In manchen Firmen stehen weder Feedback noch Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Plan, sondern ausschliesslich Anweisungen, was im nächsten Jahr zu leisten ist. Dementsprechend unterschiedlich sind die Tipps, was Firmen berücksichtigen sollten, um Mitarbeitergespräche effektiv zu gestalten. Die Ratschläge beginnen bei der Einhaltung verschiedener Formalitäten wie einer Protokollierung und einer Unterzeichnung des Protokolls sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer. Sie führen über die Wahl geeigneter Kommunikationstechniken bis hin zum Aufbau des Gespräches, in dem die Mitarbeiter ebenfalls zu Wort kommen sollten.

Die Breite an Tipps verunsichert so manch einen Chef. Dies haben auch Dienstleister erkannt und bieten Services an, mit denen sie Unternehmen beim Führen von Mitarbeitergesprächen unterstützen. Die Vielfalt ist gross. Die Spanne reicht von Beratungen über die Bereitstellung von Softwaretools bis hin zum «Komplettservice» samt Auswertungen und Handlungsempfehlungen. Dies erhöht die Komplexität zusätzlich. Angesichts dieses Labyrinths an Möglichkeiten haben manche Entscheider das Gespräch zum Jahresende ganz gestrichen. Doch das ist keine gute Lösung – sofern keine sinnvollen Alternativen eingeführt worden sind. Denn der Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ist wichtig.

Gelebte Feedbackkultur als Alternative

Dafür gibt es verschiedene andere Möglichkeiten als das Mitarbeitergespräch am Jahresende. «In vielen Fällen bedeutet die Abschaffung eines Jahresendgesprächs, dass während des Jahres viele informellere Gespräche und Bewertungen eingeführt werden», so die Handelszeitung. Die Argumentation, die diesen Wegen zugrunde liegt, beinhaltet Aspekte wie den, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Überforderung führt, die Gespräche mit allen Mitarbeitern in wenigen Tagen abzuhandeln. Ein anderer Punkt berücksichtigt, dass Mitarbeiter Bewertungen, die in einer hierarchischen Unternehmenskultur ein Mal im Jahr erfolgen, als Kritik verstehen und sich demotiviert fühlen. Der alternative Ansatz ist daher eine permanent gelebte Feedbackkultur.

Eine solche offene Feedbackkultur lebt davon, dass jeder zu jeder Zeit jedem Feedback geben kann. Dabei handelt es sich um Rückmeldungen mit positiver Intention, selbst im Falle von Fehlern und Misserfolgen. Denn solche gehören zum Alltag. Es kommt darauf an, sie als Chance für Verbesserungen zu begreifen. Genau dabei kann Feedback helfen. Voraussetzungen dafür sind, dass es wertschätzend und unmittelbar vorgebracht wird – nicht erst am Jahresende. Es hilft, die nächsten Schritte rechtzeitig zu definieren und erfolgreich umzusetzen. Doch bis sich ein Unternehmen soweit entwickeln kann, ist es ein langer Prozess.

Einfache Massnahmen

Den Weg dorthin sollten Unternehmen Stück für Stück beschreiten. Ein bedeutender erster Schritt besteht darin, zu erkennen, dass der Slogan «Alle Jahre wieder» in Unternehmen nichts verloren hat. Denn die Zeiten ändern sich – Jahr um Jahr. Mitarbeiter sind im «War for Talents» längst zu wertvollen Mitstreitern geworden, die den Unternehmenserfolg wesentlich beeinflussen. Gespräche mit ihnen auf Augenhöhe sind besser als Beurteilungen – unabhängig davon, wann und wie oft diese stattfinden. Bezüglich des Zeitpunktes gilt: Lieber zu früh als zu spät oder gar nicht! Sonst wartet am Ende keine schöne Bescherung.

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Renata Kratzer

Renata Kratzer ist Management Consultant bei Nellen & Partner. Sie hat Biochemie studiert und in führenden Unternehmen in der Schweiz 18 Jahre praktische Erfahrung als Researcherin im Executive Search gesammelt. Sie unterstützt Mandanten aus der Bau- und Immobilienbranche bei der Besetzung von Kader- und Spezialistenpositionen.

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