Die «photo19» ist die grösste Werkschau für Fotografie der Schweiz. Mit dabei sind auch drei Ostschweizer. Der Gestalter und Fotograf Simon Walther aus Wattwil wird in diesem Jahr von seiner Tochter und seinem Sohn mit deren eigenen Werken begleitet. Eine Premiere.
Schon mehrfach war Simon Walther bei der «photoSchweiz» in Zürich mit dabei und präsentierte dort Werke. Der Fotograf hatte nun aber eigentlich befunden, dass er im Rahmen dieser Werkschau nichts Neues mehr erleben oder erreichen kann und hatte mit dem Thema abgeschlossen. Eigentlich. Walther erinnert sich: «Dann kam im Gespräch mit meinen erwachsenen Kindern plötzlich die Idee auf: Und was, wenn wir zu dritt gehen?»
Aus der Idee wird Wirklichkeit zwischen dem 10. und 14. Januar in Zürich-Oerlikon. Dann stellen Simon Walther, seine Tochter Debora und sein Sohn Pascal an der «photoSchweiz 19» aus. Gleichzeitig, aber nicht gemeinsam: Jeder der drei gibt einen Einblick ins eigene Schaffen, die Werke sind nicht miteinander verbunden – zumindest nicht offensichtlich.
Spät zur Fotografie gefunden
Dabei seien sie keine eigentliche «Fotografenfamilie», stellt Simon Walther fest. Der heute 53-Jährige selbst wollte zwar einst diesen Weg beschreiten, fand aber damals keine Lehrstelle. Als Gestalter – inzwischen seit bald 30 Jahren mit der eigenen Agentur – nahm er die Fotografie erst vor knapp zehn Jahren wieder richtig auf und brachte sich alles selbst bei. Zug um Zug baute er sein Equipment aus. Inzwischen ist die Fotografie ein Bestandteil des Angebots des Gestalters, der in seinen Räumen Studios eingerichtet hat.
Für seine wahre Leidenschaft sind Wände allerdings hinderlich. «Vor einigen Jahren habe ich die Landschaftsfotografie entdeckt», erklärt Simon Walther, der selbst zum Teil im Toggenburg, zum Teil im Oberengadin wohnt und damit viele Motive vor der Tür hat. Das Ergebnis sind Bücher wie «Bergüber», das Alpenpanoramen in ihrer symmetrischen Verdoppelung zeigt oder auch «ZwischenSaison», der spannende Versuch, Tourismus- und Skigebiete dann zu zeigen, wenn sie nicht belebt sind.
«Denkmäler der Leistungskraft»
An der «photoSchweiz 19» zeigt Simon Walther nun seine «Hommage an die grossen Mauern», die im Mai 2019 auch in Buchform erscheint. Gemeint sind Staumauern in der Schweiz, die gleichzeitig architektonische Bauwerke, Meisterleistungen von Ingenieuren und das Ergebnis harter Arbeit sind – und zugleich den Charakter von Land-Art haben. Die Aufnahmen ziehen Bilanz aus mehr als hundert Jahren Stauwerkbau in unserem Land, und Walther zeigt sie als «Denkmäler der menschlichen Leistungskraft».
Sein Sohn Pascal, der Industriedesign studiert, arbeitet derzeit in der Agentur seines Vaters mit und begleitet ihn oft bei fotografischen Aufträgen. Hier hat er auch zu dieser Kunstform gefunden. Seine Arbeiten im Rahmen der Ausstellung sind den Flechten gewidmet, die man fast überall findet, auch wenn man ihnen kaum je Aufmerksamkeit schenkt. Für einen Gestalter seien sie ein wunderbares Sujet, sagt Pascal Walther, die «unscheinbaren Geschöpf weisen eine unendliche Vielfalt an Farben, Furchen und mehr auf.»
Wirklichkeit und Manipulation
Debora Walther lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin und Museumspädagogin in Zürich. Ihr Thema an der «photoSchweiz 19» sind «Verfremdungen». Digitale Bilder, die in den vergangenen Jahren auf Reise und im Alltag zuhause entstanden sind, werden in analoger Form mit verschiedenen Materialien bearbeitet, dann wieder digitalisiert und schliesslich gedruckt. In den Aufnahmen von menschenleeren Stadt- und Naturlandschaften entsteht ein Wechselspiel zwischen Original und Bearbeitung, «die Verfremdungen verlieren ihren Status als fotografischer Zusatz und werden ein integraler Bestandteil der Bilder», so Debora Walther, die damit dazu anregen will, über den Umgang mit der Fotografie nachzudenken: «Wo fängt die Verfremdung an und wo hört sie auf?»
Staumauern, Flechten, Verfremdungen: Es gibt auf den ersten Blick wenig Schnittstellen bei diesen Themen. Und doch gibt es den roten Faden. «Wir sind eine kreative Familie und oft gemeinsam unterwegs», sagt Simon Walther. «Und wir teilen die Leidenschaft für Bilder.» Man spreche immer wieder über die jeweiligen Werke, tausche Erfahrungen aus, sei auch kritikfähig untereinander. Was im Rahmen der Fotografie-Werkschau geschehe, bleibe abzuwarten. Für die Familie aus dem Toggenburg war die Zeit davor bereits spannend und erfüllend.
Werkschau für Fotogafie
Die «photoSchweiz 19» findet vom 10. bis 14. Januar in der «Halle 622» und im «Stage One» in Zürich-Oerlikon statt. Über 200 nationale und einige internationale Fotografen zeigen dort aktuelle Arbeiten und geben so einen Überblick über das fotografische Schaffen in der Schweiz. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Ausstellung über 27'000 Besucherinnen und Besucher. Ergänzt wird das Angebot durch Sonderausstellungen, Vorträge von Fotografen, Kurse und einen Marktplatz mit Produkten der Fotoindustrie.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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