STF-CEO Sonja Amport. Wissenstransfer, aber nicht auf die herkömmliche Art.
Die STF Schweizerische Textilfachschule gilt als das Kompetenzzentrum in der Textil-, Fashion- und Lifestylebranche in der Schweiz seit 1881. Im Gespräch mit CEO Sonja Amport.
Sonja Amport, was macht es aus, dass die Schweizer Textil- und Fashionbranche weltweit zu den Spitzenreitern gehört?
Aus meiner Sicht zu 100% die Expertise, die auf unseren gut ausgebildeten Fachkräften beruht, die daraus resultierende Innovationsfähigkeit und das Streben nach hoher Qualität. Nicht vergessen darf man sicher die Positionierung in Nischenmärkten.
Gerade im Fashionbereich gelten doch allgemein immer noch Länder wie Frankreich oder Italien als Taktangeber. Kann die Schweiz da effektiv mithalten?
Ja, wenn auch in einem etwas anderen Sinn. Viele etablierte Firmen in der Schweiz sind meist Zulieferer für die grossen Brands, wie beispielsweise Forster Rohner und somit beim Endkunden wenig bekannt. Im sportiven Bereich hingegen sind wir bereits gut etabliert, wie die Beispiele von Odlo International AG oder Mammut zeigen. Doch eigentlich will ich auf ein zentraleres Thema hinweisen und zwar auf die vielen jungen Start-ups, die sich derzeit im Fashionbereich positionieren. Diese suchen Wege und Möglichkeiten sich rund um die Themen Digitalisierung oder Nachhaltigkeit ihre DNA zu schaffen, so beispielsweise Nanoleq oder Muntagnard und sind damit wettbewerbsfähig und erfolgreich. In diesem Bereich ist die Schweiz bestens aufgestellt und kann mit dem Ausland definitiv mithalten.
STF-CEO Sonja Amport. Wissenstransfer, aber nicht auf die herkömmliche Art.
Welche Kompetenzen sind in erster Linie gefordert?
Innovationsfähigkeit, der Blick fürs Neue, Mut über den Gartenzaun in andere Branchen zu schauen und dort interdisziplinäre Kollaborationen für neue Produkte oder Business-Modelle zu schaffen. Hinzu kommen fachliche Kernkompetenzen im jeweiligen Bereich, wie dem 3D-Product-Development, Schnitt und Passform oder dem Engineering von neuen Geweben und Flächen. Als Basis dafür benötigt man ein fundiertes Textil-Know-how von Rohstoffen, Garnen, von Verfahrenstechniken und von Eigenschaften von Geweben. Ohne diese Grundlagenkompetenzen geht`s leider nicht.
Unter anderem dieses Wissen vermittelt die STF. Woran orientieren Sie sich? Wie stellen Sie sicher, keine wichtigen Trends oder Entwicklungen zu «verpassen»?
Wir stehen in intensivem Austausch mit unseren Stakeholdern insbesondere aus der internationalen Textil- und Bekleidungsbranche und nehmen so die Strömungen laufend auf. Hierzu haben wir unsere Fachgremien mit Vertretern unserer Genossenschafter, die sich regelmässig treffen und den Wissenstransfer von der Praxis zur STF gewährleisten. Und dann haben wir seit zwei Jahren eine eigene Innovationsabteilung mit Fachverantwortlichen in Textiles, Fashion, Business Management und Design, die die Nase im Wind halten. Man muss auch mal etwas wagen und Bedürfnisse schaffen. Manchmal sind wir mit unseren Ideen etwas früh. Doch meist braucht ein Produkt sowieso 1.5 Jahre, bis es bekannt ist. Ich darf mit Stolz sagen, dass wir in Bezug auf unsere eigene Innovationsfähigkeit und -kultur sehr gut unterwegs sind.
Welches sind die klassischen Karrieren, die mit einer Ausbildung bei der STF eingeschlagen werden können?
Das hängt ganz von der Studienrichtung ab. Im Bereich Fashion Development kann man sich in der Produktentwicklung, das heisst im Design oder Schnitt in einer Firma einen Namen machen. Mögliche Arbeitgeber, um einige zu nennen, sind hier Akris, Mammut, Zimmerli oder verschiedene Workwear-Firmen wie Imagewear oder Workfashion.
Im Bereich Textiltechnik arbeiten Absolvierende in Firmen der Textilmaschinenindustrie oder in der textiltechnischen Produktentwicklung. Und als Bachelor in Textile Business Management steht einem der Karriereweg in einem Retailunternehmen offen, in allen Bereichen vom Einkauf über das Product- oder Category-Management bis hin zu Vertrieb und Verkauf. Die Wege sind sehr vielseitig, hängen jedoch auch von der Eigeninitiative und Motivation der Absolvierenden ab.
Haben sich die wesentlichen Inhalte der Studiengänge in den vergangenen Jahren verändert? Sind Aspekte hinzugekommen, die früher nicht oder nur nebensächlich behandelt worden sind?
Definitiv. Es gilt im gesamten Entwicklungs- und Produktionsprozess Ressourcen einzusparen. Und hierfür werden digitale Prozesse initialisiert, wie die Kollektionsentwicklung am 3D-Avatar. Zudem macht auch die Nachhaltigkeit vor der Textilbranche nicht halt, im Gegenteil. Das ist ein höchst aktuelles Thema, bei dem die STF gemeinsam mit Swiss Textiles und SUPSI ein Certificate of Advanced Studies entwickelt hat, um die Mitarbeitenden der Textil- und Bekleidungsbranche gezielt zu sensibilisieren und Trends sowie Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze zu vermitteln.
Aufgrund unseres modularen Studienmodells haben wir die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit auf die neuesten Tendenzen zur reagieren. So entwickeln wir derzeit ein Modul in Biodesign und bieten seit neustem den Fashion Influencer-Studiengang an.
Generell befindet sich unsere Schule auf dem Weg von einem reinen Bildungsanbieter zu einem Bildungsdienstleister, dem so genannten STF-LAB. Auch in unserem Incubator und Makerspace (STF Studio), wo junge Start-ups sich einen Arbeitsplatz oder den Maschinenpark mieten können, wird den jungen Menschen Know-how in Form von Coachings vermittelt. Auch das ist ein Wissenstransfer. Einfach nicht mehr in der herkömmlichen Art.
(Bild: Wongwanawat)
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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