Ein Verein will mit einer Studie beweisen, dass eine Gratiszeitung unter Christoph Blocher nach rechts gerückt sei. Aber: Wer steckt hinter dem Verein?
Die «Winterthurer Zeitung» gehört seit Sommer 2017 dem Verlag Swiss Regiomedia, die im Besitz von Christoph Blocher ist. Auch zahlreiche Ostschweizer Titel wie die St.Galler Nachrichten und die Wiler Nachrichten haben seither den alt Bundesrat als neuen Verleger.
Mit dem Verkauf der weit über 20 Wochentitel an Christoph Blocher kam sogleich die Angst auf, dieser könnte die Zeitungen für seine politische Mission missbrauchen.
Nun hat ein «Verein für Medienvielfalt» eine herkulische Aufgabe absolviert: Alle Ausgaben der «Winterthurer Zeitung» über fast zwei Jahre hinweg wurden analysiert, und zwar diejenigen ab einem halben Jahr vor der Übernahme und 16 Monate danach.
Das Fazit des Vereins: Die Zeitung sei viel politischer geworden - und viel SVP-lastiger. Konkret seien vor dem Besitzerwechsel 92 Prozent der Artikel «unpolitisch oder politisch neutral» gewesen, danach nur noch 47 Prozent.
Man ist versucht zu sagen: Gott sei Dank hat diese Regionalzeitung endlich die Politik entdeckt.
Aber wie steht es mit der angeblich überbordenden SVP in dem Blatt? Vor dem Wechsel sei sie nur in 4 Prozent der Fälle erwähnt worden, später in 30 Prozent.
Eine markante Zunahme. Die lässt sich aber leicht erklären. Zum einen werden die Parteien logischerweise öfter genannt, wenn die politische Berichterstattung zunimmt. Zum anderen lagen im Zeitraum der Beobachtung die Stadt- und Gemeinderatswahlen. Und drittens wurden auch die anderen bürgerlichen Parteien oft erwähnt, nicht nur die SVP. Das ist durchaus das Vorrecht einer Zeitung, die sich selbst als «bürgerlich» bezeichnet.
Aber wer ist dieser Verein für Medienvielfalt eigentlich, der nun alarmierend die Trommel rührt? Dazu heisst es auf dessen Webseite - Schreib- und Fallfehler haben wir beibehalten: «Vor rund einem Jahr wurde der Verein für Medienvielfalt gegründet. Dies als Reaktion auf den Aufbau eines Lokalzeitungsimperium durch Christoph Blocher. Wenn ein wesentlicher Teil der Medien durch einen einzigen Besitzer geprät wird, bedeutet das ein Abbau der Medienvielfalt.»
Mit anderen Worten: Die einzige Absicht des Vereins für Medienvielfalt ist es, das «Lokalzeitungsimperium» zu bekämpfen. Als Absender einer Studie erfüllt das nicht gerade wissenschaftliche Vorgaben. Denn es ist klar, wonach die Autoren des Berichts gesucht haben.
Zudem lässt es der Verein selbst an Transparenz missen. Man erfährt nichts von der personellen Zusammensetzung, nicht mal der Vorstand ist aufgeführt.
Und gleichzeitig wird auf der Webseite ein Briefkastenkleber mit der Aufschrift «Bitte keine Winterthurer Zeitung» vertrieben. Die Autoren des Berichts haben also ein Medium analysiert, das sie aktiv bekämpfen. Das wäre, als wenn man die Veganervereinigung bitten würde, Bratwursttests durchzuführen.
Wie mit solchen Massnahmen die Medienvielfalt erhalten werden soll, ist offen; alle Wochenzeitungen waren schon zuvor im Besitz eines einzigen Verlags, Blocher hatte sie nicht einer Flut von sympathischen Kleinverlegern abgekauft. Das mittelfristige Schicksal der Zeitungen - auch der Ostschweizer Titel - wäre ohne die Übernahme unsicher gewesen, weil der damalige Zehnder Verlag vor grossen Investitionen stand. Der Erwerb war also eine Sicherstellung der Medienvielfalt.
In der Ostschweiz wiederum ist die vom Verein angemahnte Entwicklung bisher nicht zu beobachten. Blocher nimmt sich die Freiheit, jede Woche in einer eigenen Kolumne zu den Leserinnen und Lesern zu sprechen, aber das wiederum ist wohl sein Recht als Verleger. Ansonsten ist zwischen Wil, St.Gallen, dem Toggenburg und dem Rheintal keine SVP-Lawine festzustellen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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