Wohin kann man noch reisen in den Herbstferien? Und wenn ja, wie kommt man wieder zurück in den Arbeitsprozess? Wenn Bürokraten übernehmen, wird’s schitter.
Hand aufs Herz, wissen Sie, wohin Sie noch ins Ausland reisen dürften? Nach Italien? Frankreich? Den Balkan? Überall hin oder kommt drauf an? Geht Paris wieder, oder nicht? Gehen Städtereisen? Madrid, Barcelona, Rom, Lissabon, Berlin?
Darf der St. Galler noch ins Appenzellerland? Der Liechtensteiner nach St. Gallen? Der Appenzeller nach Österreich? Und wer will und darf in den Thurgau? Ist Genf nun Risikogebiet für Franzosen und Belgier oder für Schweizer? Unterscheidet das Virus eigentlich nach Nationalität?
Hallo, ich bin Ihr persönlicher COVID-19. Meine Kollegen und ich dürften dann mal den Pass sehen, bitte? Und kann uns endlich, endlich mal einer sagen, ob Mundschutz in der Öffentlichkeit, im Laden, auf der Strasse etwas nützt oder nicht?
Dem Bürokraten in seinem Amt, also dem Staatsbediensteten im Bundesamt für Gesundheit (BAG), sind zwei Dinge völlig fremd. Unsicherheit und das Unverständnis gegenüber einer Ausführungsbestimmung zu Absatz drei, Ersatz für Punkt d und f, in Ergänzung zum Erlass 17.4.9, wobei 17.1 und 17.2 nur für Haustiere gilt.
Unsicherheit ist ihm fremd, weil Dienst ist Dienst, Gehaltsklasse 12 ist zwar nicht üppig, dafür aber krisensicher, und Verantwortung für sein Tun muss er sowieso nie übernehmen. Auch kompliziert verschlungene Regelwerke erschüttern ihn nicht, weil er den ganzen Tag Zeit hat, ihren Verästelungen nachzugehen.
Was draussen, in der Welt, in der Wirtschaft, in KMU, im Tourismus abgeht, das betrachtet der Beamte mit der nötigen Distanz, die ein fester, gut beheizter und unkaputtbarer Arbeitsplatz gibt. Dass die Allzweckwaffe der wissenschaftlichen Beurteilung, Marcel Salathé, inzwischen von finsteren Unkenrufen zu sprühendem Optimismus umgestellt hat, ist ihm ebenso egal wie die Kakophonie der kantonalen Regelungen im Schweizer Abwehrkampf gegen ein Virus.
Das alles darf man dem Beamten nicht zum Vorwurf machen. Schliesslich ist es seine Aufgabe und seine Daseinsberechtigung, dass alles schön seine Ordnung hat, Regeln Regeln bleiben, und Ausnahmen Ausnahmen. Der Beamte weiss, dass in einer zunehmend chaotischen und unsicheren Welt die Ankündigung «das ist amtlich» Orientierung gibt, Leitplanken setzt, unbezweifelbar ist.
Dabei muss und will sich der Beamte an klare Vorgaben halten, denn man kann ihm ja viel vorwerfen, aber Spontaneität, Improvisationsvermögen oder gar die Anwendung von gesundem Menschenverstand, das kann man ihm sicherlich nicht unterstellen. Amten, das bedeutet treue Pflichterfüllung, immer gemäss den Vorschriften.
Und wenn diese Vorschriften halt sagen, dass ab einer willkürlich festgelegten Zahl von Neuinfektionen pro Bevölkerungseinheit ein Gebiet von einem Tag auf den anderen zum Risiko mutiert, sozusagen zu einer potenziellen Todeszone, dann ist das halt so. Da kann man doch keine Rücksicht darauf nehmen, dass es das noch nicht war, als der Reisende dorthin aufbrach. Schnaps ist Schnaps, und Dienst ist Dienst.
Der Beamte hat ja von niemandem verlangt, dass der sich einfach nassforsch ins Ausland bewegen soll. Das tat und tut jeder auf eigene Gefahr und auf eigenes Risiko. Immerhin darf er ja, Schweizerpass oder gültige Aufenthaltsbewilligung vorausgesetzt, wieder zurückkommen, das ist ja auch nicht nichts, heutzutage.
Und schliesslich ist die Quarantäne auch amtlich geregelt. Sie dauert 10 Tage und keine Minute weniger, und man hat sich innert zwei Tagen bei der zuständigen Amtsstelle zu melden. Wenn es zu einem Ausbruch der Krankheit kommen sollte, der keinen Spitalaufenthalt nötig macht, ist auch alles geregelt:
«Die erkrankte Person richtet sich alleine in einem Zimmer bei geschlossenen Türen ein und nimmt die Mahlzeiten in ihrem Zimmer ein.» Da sieht man, dass der Beamte die Wohnform Loft noch nicht in sein Weltbild aufgenommen hat.
Aber mal Spass beiseite: Ist es nicht verblüffend, wie gehorsam der doch so freiheitsliebende Schweizer all diese Vorschriften, die nur Beamtenhirnen entsprungen sein können, befolgt? Gibt es Grenzen des Gehorsams? Wo wären die? Neue Fragen in der Schweiz. Antworten dringend gesucht.
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