Autor/in
René Zeyer
René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna.
René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna.
Nicht direkt von ihm selbst, aber von einem der vielen Virenflüsterer. Christian Althaus verlässt die Taskforce. Und Marcel Salathé will kürzertreten.
Christian Althaus. (Screenshot: TeleBärn)
Flüsterer ist bei dem Berner Epidemiologen Althaus vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Er erfasste als einer der Ersten, dass die Pandemie eine einmalige Chance bietet, als zuvor völlig unbeachteter Wissenschaftler sich seine 15 Minuten Ruhm abzuholen.
Als Twitter-King tobte er von Anfang an gegen die seiner Meinung nach unfähigen Regierenden und erschreckte die Bevölkerung immer wieder mit Horrorzahlen von Corona-Toten, einem kollabierenden Gesundheitssystem. Noch im Herbst schimpfte er über das «politische Totalversagen» der «Hobby-Epidemiologen».
Auch seinen Abgang kündigte er stilgerecht auf Twitter an, nicht ohne den Politikern noch einen letzten Tritt ans Schienenbein zu verpassen. Er trete sozusagen aus Protest aus der Taskforce to the Bundesrat aus, weil auf ihn nicht richtig gehört wurde: «Die Politik muss endlich lernen, der Wissenschaft auf Augenhöhe zu begegnen.» Das mag ja sein, aber wieso genau soll sie sich zu Althaus hinunterbeugen?
Wie Althaus gelangte Marcel Salathé zu Ruhm und Berühmtheit, indem er furchtbar über das Versagen der Politik und der Politiker bei der Bekämpfung der Pandemie schimpfte. Zur Erbitterung von Althaus schaffte es Salathé, die Pole Position der «ein Experte muss her, Salathé»-Medienpräsenz zu erobern.
Das brachte ihm den Vorsitz einer der vielen Expertengruppen innerhalb der Taskforce ein; Althaus schaffte es nie zu mehr als einem einfachen Mitglied. Diese Position hat Salathé Ende Jahr abgegeben, auch er ist nur mehr einfaches Mitglied. Aber seine Medienpräsenz hat seiner Karriere natürlich Schub verliehen. Er ist nun Präsident des «nationalen Corona-Forschungsprogramms». Das hört sich schwer nach Lebensstelle, Kongresse, Forschungsgelder, Macht und Einfluss an.
Dem ging in der Taskforce – ein Beratergremium direkt für den Bundesrat – ein Ausbruch von Allmachtsfantasien voraus. Statt zu beraten, statt nur wie vereinbart in Abstimmung mit dem BAG die Öffentlichkeit zu beschallen, massten sich die Wissenschaftler – vor allem das Führungsgremium – an, das Handeln des Bundesrats zu kommentieren, zu kritisieren, ihm Noten zu verteilen, nassforsch Forderungen aufzustellen und überhaupt einen Beitrag zur Kakophonie der Wissenschaft und Verwirrung der Bevölkerung zu leisten.
Selbst der langmütige Alain Berset sah sich dazu gezwungen, mal klarzustellen, dass Ratschläge von Experten ungemein wichtig und willkommen seien, aber Entscheidungen würden schon weiterhin dafür gewählte Politiker treffen, die auch die Verantwortung zu tragen haben. Nicht haftungs- und verantwortungsfreie Wissenschaftler.
Soweit die guten Nachrichten. Aber natürlich haben nicht nur diese zwei Unken erkannt, dass mediale Berühmtheit der Karriere ungemein förderlich sein kann. In den Startlöchern stehen bereits – neben anderen – zwei Corona-Kreischen, die mit den gleichen Mitteln vom fernen Genf aus oder als Postdoktorantin (ein wissenschaftliches Leichtgewicht) unter Althaus in Bern, sich den Weg in die Taskforce oder nach oben auf der Karriereleiter erkämpfen wollen.
So twittert aus Genf Isabella Eckerle, die sich schon bitterlich darüber beschwerte, wie wenig sie doch von der Politik wahrgenommen werde, «es tut wirklich weh, anzuschauen», wie besonders in der Schweiz international anerkannte Wissenschaftler «darum kämpfen müssen, von der Politik gehört zu werden». Wie schmerzlich muss das erst für international nicht anerkannte Wissenschaftlerinnen sein.
Während Eckerle als Deutsche immer schnell reagiert, braucht Emma Hodcroft, die zweite Kreische, jeweils etwas länger, weil sie sich die Ereignisse erst auf Englisch übersetzen muss. Dafür verfügt sie aber sicherlich über den schärfsten Twitter-Account in der westlichen Wissenschaft. Auch sie warnt und fordert, spricht in jedes Mikrophon, in jede Kamera, die man ihr hinhält; hat sie Entzugserscheinungen, dann haut sie wieder einen provokativen Tweet raus, in der meist zutreffenden Hoffnung, dass der dann auch fleissig zitiert werde.
Nur: all das hat mit verantwortlicher Wissenschaft nichts mehr zu tun. Das fängt bei der absurden Verwendung von Twitter an, einem Kurznachrichtendienst, der kaum dazu geeignet ist, differenzierte wissenschaftliche Aussagen zu transportieren. Aber da er fleissig von Journis gelesen wird ...
Noch weniger steht es Wissenschaftlern zu, politische Verantwortungsträger zu beurteilen, ihre Entscheidungen arrogant-überheblich zu bewerten; sogar in der «Tagesschau» Stellungnahmen dazu abzugeben. Selten lobend, häufig kritisierend, auch mit harschen Worten.
Der Bundesrat hat diese Taskforce geschaffen, in der guten Absicht, als Laiengremium direkt wissenschaftlichen Input abholen zu können, um den vielstimmigen Meinungen der unüberblickbaren Anzahl von Krisenstäben und Zuständigkeiten in der Berner Bürokratie entgegentreten zu können.
Hat nicht funktioniert, macht ja nix, was man geschaffen hat, kann man auch wieder abschaffen. Spart Zeit, Nerven und wirkt sich segensreich auf den Gemütszustand der Bevölkerung aus.
Da kann sich doch auch die multifunktionale Monika Bütler (HSG) ein Beispiel an Salathé nehmen und von ihrer Position als Vizedirektorin im «Leitungsteam» zurücktreten. Oder Claire-Anne Siegrist, die angeblich «renommierteste Impf-Expertin der Schweiz» (Tages-Anzeiger), die im richtigen Leben allerdings Expertin für Pädiatrie an der Uni Genf ist.
Oder Thierry Fumaux, Leiter der «Expertengruppe Medical Care». Er kommt von der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin, die sich schon mehrfach lächerlich machte, als sie beispielsweise vor Ostern die Alarmsirene erschallen liess: Über 98 Prozent der Intensivstationsbetten seien belegt. Da musste das BAG eingreifen und beruhigen: Quatsch, die zählen nur die von ihnen zertifizierten Betten. Dank Aufstockung sind zurzeit weniger als die Hälfte belegt.
Wir wollen den Leser nicht mit der Aufzählung weiterer aufgeblasener Wichtigkeiten in der Taskforce langweilen. Sondern einfach festhalten: Das hat weder der Bundesrat, noch die Schweiz verdient.
René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna.
Bald ein halbes Jahr ist Martin Ackermann Leiter der «Swiss National COVID-?19 Science Task Force». Dem beratenden Gremium, das gerne das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Land auf unabsehbare Zeit lahmlegen würde. Ein Blick zurück lohnt sich.
Wer ist eigentlich die Task Force des Bundes für Corona-Angelegenheiten, von der so oft die Rede ist? Wer sitzt darin, wie ist sie strukturiert? Ein Einblick in eine wissenschaftliche Parallelwelt, die jeden Bezug zum alltäglichen Leben längst verloren hat.
Das war schon längst überfällig. Eine Banalität, die langsam aus den Augen verloren wurde. Regiert wird in der Schweiz von den Regierungen.
Natürlich stösst es auf Gegenwehr, wenn man dem höchsten Wissenschaftler der Schweiz vorwirft, Unsinn zu schwatzen. Das tut man nur, wenn es leider stimmt.
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