Ein Comedian macht sich Gedanken über die Welt, über die Medienflut, den Konsumwahn, den Lärm und das Schweigen. Und über die Bühne des Lebens.
Je mehr unsere Welt, besser unsere Gesellschaft vor die Hunde geht, desto mehr gibt es zu lachen! Anscheinend. Nie gab es so viele Comedians wie in der heutigen Zeit. Clowns darf man nicht mehr sagen, die sind gruselig. In Yasmina Reezas Stück «Kunst» heisst es: «Ein Mensch seiner Zeit ist ein Mensch, der in seiner Zeit lebt.» Dann habe ich den richtigen Beruf gewählt?!
Und wieder stelle ich mir die Frage, warum will ich lustig sein, warum gibt es so viele Comedians?
Ich finde eigentlich das Wort schon unschön. Fast so unschön wie das Wort: unschön selbst - und doch nutze ich es. Es ist nutzlos, unwesentlich. Wenn etwas unwesentlich ist, uninteressant, uns nichts wesentliches gibt, so brauchen wir sehr viele «Schnitte» oder aufpeppende Farben und Toneinspielungen um es interessant zu machen.
Ist etwas wesentlich, so können wir ohnehin nicht davon ablassen. Das sagte eindrücklich die wesentlich bedeutende Vera F. Birkenbihl. Verdammt, warum ist die schon tot, die hätte ich gerne einmal gesprochen. Die hatte was zu sagen.
Was habe ich zu sagen? Warum soll ich hier etwas schreiben? Ich meine, jeder lässt heute täglich, minütlich etwas von sich, wenn es nur ein «Smiley» ist. «I like it.»
Wir geben Kommentare und erzeugen eine unwesentliche Schwämme an Worten und Wortmüll. Es ist nichts Besonderes mehr, etwas zu dichten. Heute wird «geslamt». Und jeder ist ein Poet. Jeder sagt alles und nichts. Wir diktieren, schicken Sprachnachrichten, und das massenhaft.
Was ich hier beschreibe, ist ja nicht neu und wird von uns allen wahrgenommen. Glaube ich. Zumindest mehr oder weniger. Ich kenne Menschen, die sich schützen. Sie lesen keine Nachrichten mehr, keine News und haben immer noch keinen Fernseher zu Hause. Die gibt es noch, diese Freidenker. Die waren immer schon sehr sexy.
In fast jedem guten Science Fiction Roman oder Film gibt es so einen Eremiten, einen Professor oder Ex-Wissenschaftler. Eine Kultfigur, die so verschroben, so anders ist. Ein paar gute Bücher in einer Truhe versteckt hat und nichts wissen will von der medialen Welt. Ein Kommunikationsmuffel.
Kabarettist ist mehr als Comedian, mehr wert. Hat er oder sie doch einen Anspruch. Denkt nach, bevor er was sagt. Will nicht nur Lacher haben.
Nuhr zum Beispiel. Dieter Nuhr hat einen schönen Satz aufgenommen: «Wenn Du nichts zu sagen hast, einfach mal Fresse halten.»
Das tut gut.
Vielleicht ist es wie mit Allem, - das richtige Mass! Ich meine ich lache mich gerne krumm über Lady Kracher oder Anke Engelke als Yogalehrerin. Aber nach ein paar Sketchen habe ich wieder genug für einen Monat.
Und all der Datenmüll, die vielen Blogs, Kommentare, ich meine dem entledigt sich das Universum doch mit einer Supernova oder Kometen früher oder später. Ich meine auch, unser Planet erkaltet irgendwann mal.
Ich stelle mir da eher die Frage nach dem Sinn. Bei all dem Unsinn. Den ich zugegeben auch schon selbst zur Genüge verzapft habe. Damit sogar einen bedeutungslosen Preis gewonnen und dem soviel beigemessen habe. Wir gehen zum Schamanen und möchten wissen, was wir im vorigen Leben waren, eine Katze oder ein Pharao, dabei wissen wir nicht einmal mehr, was wir letzten Dienstag zu Nacht gegessen haben. Ich mache ein Riesentheater um eine ungerechte Parkbusse und ich mache Theater auf der Bühne, warum eigentlich?
Ich habe nichts anderes gelernt. Bin beim Spiel des Lebens durch ein paar Mal Würfeln einfach da gelandet. Und das ist meine Realität jetzt. Das Ego, mein Ego ist das Problem. Ich denke mein Schreiben ist überflüssig und doch tue ich es. Yoganandas Buch war das Einzige, welches Steve Jobs auf seinem Ipad hatte. Er hat es geahnt oder gewusst. Jesus und Yoganada, sie haben es uns vorgelebt. Sie hatten diese Ahnung von dem was wesentlich ist. Es hat auf sie und schliesslich auf uns lächelnd gewirkt. Sie waren keine Motivationstrainer. Sie haben geschwiegen, meditiert und inspiriert. Selbst Shakespeare hat es gewusst: «Der Rest ist Schweigen.»
Die Stille nach der Menschheit.
Und dann? Geht’s einfach weiter. Statt Slamen
gehe ich jetzt schlemmen und dann spreche ich die sinnlosen und doch niemand schadenden Worte: «En guete Miteinand.» Sie erzeugen ein Lächeln im Moment, eine zeitnahe Vorfreude auf das, was kommt. Welch Genuss ist Essen und Trinken. In Jahrtausenden haben Mönche es herausgefunden wie wertvoll es ist Schweigen beim Essen.
Ich denke darum geht es, lernen seine Visionen und Träume zu leben. Oder eben ganz einfach leben. Erleben. Spüren im Jetzt im Moment. Wer im Moment lebt, tut es eben wie die Vögel, die nicht ernten. Es geht ums spüren, innehalten und das tun, sein, tun….
Wenn wir still werden, spüren wir es. In der Meditation wird es mir klar. Gerade weil nichts Sinn macht, sollten wir allem, jede Sekunde ihren Sinn geben und (los)lassen.
Tja, das kommt davon, wenn ein „Comedian“ gebeten wird, ein paar Zeilen zu schreiben.
Seit ich auf die Bühne gehe und einfach erzähle, was ich gerade denke oder mehr oder weniger tragische Erlebnisse meines Lebens erzähle, desto mehr lachen die Menschen. Wissen sie, dass es echt ist, lachen sie nicht mehr. Dann macht es ihnen eher Angst. Tja, das ist doch der Beweis. Wir möchten einfach glücklich sein und unsere Ruhe haben. Nicht auszudenken, wenn der Kollege die Wahrheit sagen würde, wenn ich ihn morgens frage: «Wie geht’s?» Wer will das hören.
Niemand. Also machen wir weiter, spielen wir unsere Rollen im Alltags-Schauspiel. Kommen Sie mich mal besuchen, wenn ich auf der Bühne stehe, in ganzer Pracht über 100 Kilo schwer und zu ihnen in der ersten Reihe süffisant herab sage: «Das Letzte, was Du jetzt hören wirst, ist: Fang mich!»
Florian Rexer (*1976) ist Schauspieler, Regisseur und Kabarettist. Der Deutsche wohnt in Romanshorn (TG).
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