Wo könnten wir uns wohler fühlen als zuhause in der Ostschweiz?
Corona hat die Welt verändert und unsere Unsicherheit ebenfalls. Also haben wir Familienrat gehalten und beschlossen, ein Testwochenende im Ausland zu verbringen, um uns über unsere Gefühle klar zu werden.
Italien, Spanien, Deutschland (ausser Konstanz), England und Schweden sind von vorneherein zu unsicher. Nach endlosen Vorschlägen einigten wir uns auf Mulhouse im Elsass. Die Stadt war eine der ersten mit Corona, also müsste sie jetzt auch eine der sichersten sein. Google gab uns Recht.
Mulhouse? «Da ist doch nix los!» Das Rathaus, das Automuseum, der grosse Wochenmarkt. Kaum mehr. Aber immerhin. Wir wollten unsere Gefühle testen und das wurde sehr gründlich:
Mulhouse als Stadt: gut restauriert, wenige Menschen. Man wird die Stadt wohl nur lieben, wenn man dort geboren ist.
Der Wochenmarkt: wie die Stadt leer. Dominierend arabische Frauen beim «Ein-Euro-Shoppen». Sie wirken gespenstig, weil zu ihrer schwarzen Ganzkörperkleidung noch die schwarze Maske kommt.
Die Restaurants: gut, aber seelenlos. Tische auf Abstand, Ober mit einer Art Schweisser-Maske, die alle Kommunikation und Mimik unmöglich macht. Gott in Frankreich straft gerade sein Lieblingsvolk.
Die Geschäfte: Maskenpflicht mit strengen Kontrolleuren davor. Wie vor einem angesagten Club, nur darf hier jeder rein. Kleider anprobieren mit ständig verrutschender Maske ist nicht amüsant.
Das Hotel: leer. Die Chefin schildert uns ihren Frust: Viele Angestellte musste sie entlassen, die Familie teilt sich in endlosen Überstunden die Arbeit, bis Ende August kaum Reservierungen. Alles Ambiente ist kaputt.
Das Automuseum: wie in einer Kirche. Abstand, Abstand, Abstand. Feeling zu den Oldtimern gibt es nicht.
Und sonst?
Nix los. Bei uns auf dem Dorf ist es auch so.
Also unser Fazit: Wir machen Ferien zwischen Säntis und Bodensee. Hier ist man an allem näher dran, hat Erinnerungen und Emotionen, kennt Leute, mit denen man sich austauschen kann und das Wetter ist auch nicht viel besser als sonst wo.
Aber einmal Konstanz muss sein.
Wolf Buchinger (*1943) studierte an der Universität Saarbrücken Germanistik und Geografie. Er arbeitete 25 Jahre als Sekundarlehrer in St. Gallen und im Pestalozzidorf Trogen. Seit 1994 ist er als Coach und Kommunikationstrainer im Management tätig. Sein literarisches Werk umfasst Kurzgeschichten, Gedichte, Romane, Fachbücher und Theaterstücke. Er wohnt in Erlen (TG).
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