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Gastbeitrag

Gedanken zum Bettag 2021

Diesen Sonntag, 19.9.2021 ist der eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag. Der Theologe, Autor und wissenschaftliche Bibiothekar Markus Jost teilt zu diesem Anlass seine Gedanken mit uns.

Gastbeitrag «Die Ostschweiz» am 19. September 2021

Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag wurde in einer Zeit eingeführt, als der Glaube an die Machbarkeit einer Neugestaltung der Welt Millionen Menschen in Ektase versetzte: Die Zeit nach der Französischen Revolution, als Napoleon die Schweiz besetzen liess und die «Helvetische Republik» ausgerufen wurde. Von einigen Schweizern wurden die französischen Revolutionäre freudig begrüsst, von den anderen jedoch gehasst. Die einen glaubten, durch «Liberté, Égalité et Fraternité» eine bessere Welt schaffen zu können, indem Gegner unterdrückt wurden. Die anderen wollten mit aller Kraft die alte Ordnung verteidigen. Schlussendlich verloren beide und die Schweiz rutschte in einen Bürgerkrieg zwischen den reformierten und katholischen Kantonen. Nur dank dem klugen und weisen Verhalten der damaligen Regierenden konnte Schlimmeres verhindert werden. Der Sonderbundskrieg konnte innert kurzer Zeit ohne eine grosse Anzahl Todesopfer beendet werden. Anschliessend wurde als religiös-politischer Feiertag der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag in allen Kantonen eingeführt, um den neu geschaffenen Bundesstaat zu einen, aber auch um zu danken, Busse zu tun und um zu beten. Waren die Menschen damals frömmer und besser als wir heute, da sie einen solch frommen Feiertag einführten? Sicher hatte die Religion damals einen wichtigeren Stellenwert in der Gesellschaft als heute. Aber ob die Menschen damals frömmer und besser waren als wir heute, ist zu bezweifeln. Denn sie selber sahen sich nicht als bessere Menschen an, sonst hätten sie nicht einen solchen Feiertag ins Leben gerufen, der zur Busse aufruft. Busse tun kann nur jemand, der akzeptiert hat, dass er sein Ziel verfehlt hat. Denn Sünde bedeutet, das Ziel zu verfehlen.

Wir stecken nach wie vor tief in der Corona-Krise und werden uns vermutlich noch lange mit Covid beschäftigen müssen – auch wenn die meisten von uns möglichst schnell wieder zurück zur Normalität wollen. Doch schaffen wir das, indem wir uns in hektischen Aktivismus stürzen, der heute das Heil in der einen Massnahme sucht, aber schon morgen eine andere Massnahme als Allheilmittel anpreist und diese mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln flächendeckend einführen will? Wäre es nicht sinnvoller, den Bettag zu nutzen, um in uns zu gehen und zu prüfen, ob eine Kurskorrektion in der Corona-Politik angebracht wäre? Damit Lösungen gefunden werden können, die nachhaltig und verhältnismässig sind. Und zukünftig Entscheidungen getroffen werden, die alle Bewohnerinnen und Bewohner des Landes im Auge haben. Vergessen wir nicht, dass auch unsere Zeit und unsere Entscheidungen einmal von unseren Kindeskindern beurteilt werden. Es wäre schade, wenn unsere Nachkommen sich für uns schämen müssten und beim besten Willen nicht verstehen könnten, warum eine Generation so unvernünftig handeln konnte. Fehler machen alle, das ist unbestreitbar. Der Kluge aber lernt daraus, tut Busse und lässt sich korrigieren. Was hindert uns daran, klug zu sein und dementsprechend zu handeln? Tun wir es, bevor es zu spät ist.

Markus Jost ist Theologe, Autor und wissenschaftlicher Bibliothekar an der Universität Freiburg.

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Autor/in
Gastbeitrag «Die Ostschweiz»

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