Renato Kasier (Bild: www.renatokaiser.ch)
Renato Kaiser ist Komiker, Slam Poet und Satiriker. Der 35-Jährige aus Goldach war in den vergangenen Jahren in allen Medien präsent. Dass er 2020 einen prestigeträchtigen Kleinkunstpreis erhalten hat, empfindet er vom Timing her jedoch nicht wirklich als ideal.
«Corona» war das dominierende Thema im vergangenen Jahr. Auf was können Sie in diesem Zusammenhang im positiven Sinne zurückblicken?
Solidarität und Vernunft. Bei all der Überkonzentration auf Verschwörungserzählungen, Wirtschaftsgläubigen und selbstgerechten Schreihälsen ging ein bisschen unter, dass der Grossteil der Bevölkerung trotz all der Unannehmlichkeiten nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere geschaut und den gesunden Menschenverstand nicht aus den Augen verloren hat.
Womit hatten Sie im Zusammenhang mit «Corona» am meisten zu kämpfen? Was hat Sie bedrückt?
Mich persönlich hat nicht so viel bedrückt wie andere, denke ich, weil ich in vielerlei Hinsicht privilegiert bin. Privat, weil ich in einer schönen Wohnung und in einer tollen Beziehung lebe und drei wahnsinnig kuschlige Haustiere habe.
Auf der einen Seite habe ich eigentlich die ganze Zeit durchgearbeitet – wenn auch zum grossen Teil nicht auf der Bühne wie sonst –), mich damit von dieser unterschwelligen Bedrohung abgelenkt und sie gleichzeitig verarbeitet. Und auf der anderen Seite muss ich zugeben, hatte ich schon vor der Pandemie kein besonders ausschweifendes Privatleben, sodass mich die meisten Massnahmen weniger getroffen haben als andere. Positiv gesagt: Ich liebe meine Arbeit, auch neben der Bühne, und kam darum gut zurecht. Negativ gesagt: Ich schaffe es nicht einmal während einer globalen Pandemie, mal eine Pause einzulegen.
Bleiben wir beim Positiven: Was wird Ihnen rückblickend auf das Jahr 2020 in sehr guter Erinnerung bleiben? Gab es allenfalls einen entscheidenden Meilenstein in Ihrem Berufs- oder Privatleben?
Beruflich natürlich der Salzburger Stier, auch wenn es vom Timing her bestimmt nicht ideal ist, so einen prestigeträchtigen Kleinkunstpreis in einem Jahr zu erhalten, in dem man kaum auftreten kann. Es gab aber eine sehr schöne, alternative Preisübergabe am Radio mit einer Extra-Sendung und das war ein grosses Vergnügen und Privileg.
Im Privatleben hatte ich zwei vermeintlich kleine Meilensteine. Erstens habe ich mir zum ersten Mal seit Jahren so ein richtiges Hobby zugelegt, nämlich Rennvelo fahren. Dabei seh ich zwar richtig dumm aus, wie ein neonfarbiger zu eng vakuumierter Cervelat, aber das muss so sein und ist es mir wert. Und zweitens habe ich fast schon eine manische Faszination dafür entwickelt, unsere Küche aufzuräumen. Das hingegen ist kein Hobby. Das ist eine Leidenschaft.
Welche drei Persönlichkeiten haben für Sie das Jahr 2020 positiv geprägt?
Oh, da muss ich überlegen, ich bin nicht so gut in personenbezogener Ikonisierung. Und dann gleich drei! Na gut. Ich sag mal: Stephen Colbert. Er hat die Herausforderung, eine Late Night Show ins Wohnzimmer zu transferieren, am besten gemeistert. Dann in diesem Zusammenhang Dominic Deville und sein ganzes Team. Was die unter diesen Umständen, ohne Publikum, mit bescheidenem Budget und wenig Ressourcen, Woche für Woche geliefert haben und immer noch liefern, ist aller Ehren wert. Und Sascha Rijkeboer, eine non-binäre Persönlichkeit, die ich schon länger verfolge und die dieses Jahr beim grossartigen und mehrfach preisgekrönten Film «Being Sascha» von Manuel Gübeli im Zentrum stand.
Woran denken Sie umgehend, wenn Sie sich mit der «Planung» des Jahres 2021 auseinandersetzen?
An Geld! Geld, Geld, Geld! Gebt mir Eure Kohle! Spass bei Seite. Also ich denke tatsächlich ans Geld, aber nicht primär an meins, sondern an das Geld von uns allen, nicht zuletzt von den Kulturlokalen, den Veranstaltenden und den Agenturen. Die haben zurzeit wahnsinnig viel Arbeit und verdienen fast nichts. Ich hoffe, dass wir alle die Kultur nicht nur als immanenten und existenziellen Bestandteil unserer Gesellschaft anerkennen, sondern eben auch als wertvollen Wirtschaftszweig, an dem Arbeitsplätze und damit auch Leben hängen.
Gibt es darüber hinaus etwas, was Sie nächstes Jahr unbedingt in Angriff nehmen möchten?
Impfen wär geil.
Abschliessend zwei entweder/oder-Fragen. Das Jahr 2021 mit klaren Vorsätzen starten oder alles auf sich zukommen lassen?
Mit klaren Vorsätzen starten und sie sofort wieder in den Wind schiessen, wozu gibt es denn Silvester!
Die Sommerferien 2021 wenn möglich im Ausland verbringen oder hier in der Schweiz?
Wer sein Land wirklich liebt, geht in den Sommerferien 2021 in die Schweizer Alpen Ski fahren, für die Wirtschaft!
Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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