Der Favorit gegen den «jungen Wilden»: Die St.Galler SVP entscheidet heute Abend, mit wem sie am 8. März in die Regierungsratswahlen geht. Es läuft letztlich auf die Frage «sicherer Wert oder mutiges Experiment?» hinaus.
Wenn die Delegierten der SVP St.Gallen heute Abend in Mörschwil entscheiden, wer einen zweiten Sitz in der Regierung erobern soll, haben sie die Wahl zwischen zwei Kandidaten, die beide profiliert sind, trotz unterschiedlicher Biografien. Hier der Tübacher Gemeindepräsident und Fraktionschef im Kantonsrat Michael Götte, dort der Unternehmer und Kantonsrat Ivan Louis aus dem Toggenburg. Götte ist in diesem Jahr 40 geworden und seit einer kleinen Ewigkeit politisch aktiv im Kanton, er wurde blutjung zum Kantonsrat gewählt, dem er seit 2002 angehört. Louis ist 29 und steckt in der Schlussphase seiner ersten Legislatur im kantonalen Parlament.
Die denkwürdigste Notiz in diesem Duell ist vielleicht, dass Ivan Louis überhaupt antritt. Er hat keinen Grund zur Eile, er wird buchstäblich noch 20 Jahre lang im besten Alter sein für eine Regierungskandidatur. Und wie frühere Fälle gezeigt haben, nutzt sich der Effekt einer Kandidatur ab, wenn man es wiederholt versucht. Vieles hätte also dafür gesprochen, abzuwarten, zumal es ja nicht um eine Ersatzwahl geht, sondern um eine Offensive zum Gewinn eines zweiten Regierungssitzes für die SVP. Zuerst die Hürde der Nomination, im Erfolgsfall die noch viel höhere Hürde der Volkswahl: Es ist ein unsicheres Spiel, auf das sich der Toggenburger eingelassen hat.
Bei Michael Götte sieht es anders aus. Er ist bereits heute in einem Exekutivamt und hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er gerne Regierungsrat wäre - eine Kandidatur hat er ja bereits hinter sich.
Die Geografie wird bei der Nomination eine Rolle spielen, in zweierlei Hinsicht. Zum einen, was die Versammlung selbst angeht. Sie findet in Mörschwil statt, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Göttes Gemeinde - und weit weg vom Toggenburg. Das verschafft Götte einen Vorteil, denn es ist damit zu rechnen, dass so mancher, der Louis zugewandt wäre, den Weg in die Agglomeration St.Gallen scheut. In der Regel versuchen Kandidaten, ihre regionale Basis zum Besuch einer Delegiertenversammlung anzutreiben. Wie gut das heute gelingt, wird man sehen.
Der zweite geografische Aspekt ist derjenige der Vertretung der St.Galler Regionen in der Regierung. Hier zeichnet sich, wie wir bereits früher gezeigt haben, eine deutliche Übervertretung der Region Wil-Fürstenland ab, und schlägt man die benachbarte Region St.Gallen dazu, wird das Ungleichgewicht noch augenfälliger. Das könnte Ivan Louis zumindest bei der Volkswahl im März einen Vorteil verschaffen, wenn eine Gegenbewegung aus dem ländlichen Raum entsteht. Götte wiederum kann natürlich darauf verweisen, dass er den Wahlkreis Rorschach vertritt, allerdings ist Tübach «gefühlt» durchaus ein Teil des Grossraums St.Gallen.
Unsere Prognose: Die Delegierten belohnen die langjährige Knochenarbeit ihres Fraktionspräsidenten und nominieren Michael Götte. Ivan Louis wird aber ein achtbares Resultat einfahren, das er als Signal interpretieren kann, in Wartestellung zu bleiben. Denn die nächste Vakanz kommt bestimmt.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.