logo

«Schweizerisches Katholisches Sonntagsblatt»

Goldacher Verlag im Zentrum einer Zensurdebatte

Eine katholische Zeitschrift will ein Interview mit dem TV-Mann Kurt Aeschbacher nicht bringen, weil er homosexuell ist. Bisher hat wohl kaum jemand das Blättchen gekannt. Nicht mal in der Ostschweiz - dabei wird es hier herausgegeben.

Stefan Millius am 19. Juni 2020

Update 21.6.20

Stellungnahme zur Herausgeberschaft

Das Schweizerische Katholische Sonntagsblatt wurde von Josef Schmid (sel.) betreut und herausgegeben. Nach seinem Tod gingen schlussendlich 2019 die Verlagsrechte der Zeitschrift an den Verein Schweizerisches Katholisches Sonntagsblatt, der sie seither herausgibt und für den Inhalt verantwortlich zeichnet.

Der Herausgeber der Zeitschrift St. Josephsblatt ist die Stiftung Studienheim St. Joseph - mittlerweile seit rund 100 Jahren. Die Schmid-Fehr AG hatte und hat keine Verlags- oder Herausgeberfunktion zu dieser Zeitschrift.

Die Schmid-Fehr AG ist u.a. ein Full-Service-Anbieter im Zeitschriftenbereich. Sie bietet die gesamte Palette von Adressverwaltung, Layout, Inseratverwaltung, Druck bis zum Versand an. Zu ihren Kunden gehören neben anderen Zeitschriften auch die beiden oben erwähnten.

--

Die Welt der kirchlichen Medien ist eine ganz eigene. Es gibt Zeitungen, Zeitschriften und sogar Fernsehsender für ein Nischenpublikum. Man stolpert vielleicht über sie, wenn man Satellitenempfang hat und sehr, sehr weit nach hinten zappt. gloria.tv ist einer oder auch bonifatius.tv.

Auf letzterem war vor einiger Zeit eine Melanie Host zu Gast als Interviewpartnerin. Host ist Chefredaktorin des «Schweizerisches Katholisches Sonntagsblatt», das alle zwei Wochen erscheint. Dort berichtete sie stolz davon, dass ihre Zeitschrift in ganzen deutschsprachigen Raum erscheine. Dies allerdings wohl eher dünn gesät: Die Leserzahl wird mit 3651 angegeben. Dafür kann man entsprechend günstig inserieren.

Nun aber kennt man das Sonntagsblatt plötzlich schweizweit. Und zwar aufgrund eines Artikels, der gar nicht erst erschienen ist. Ein freier Journalist hatte den Schweizer TV-Moderator Kurt Aeschbacher interviewt, das Ergebnis sollte im SKS, wie die Zeitung verkürzt heisst, erscheinen. Dann aber machte die Chefredaktorin einen Rückzieher. Laut diversen Medienberichten teilte sie dem Journalisten mit, die Redaktion empfinde das Interview als «ungeeignet». Dafür suchte Melanie Host noch nicht einmal einen billigen Vorwand, sondern schrieb, das Problem sei die «sexuelle Orientierung» von Aeschbacher, der homosexuell ist. Das könnte für einige Leser «verstörend wirken». Man befürchtete einen Abonnentenverlust.

Nun ist es natürlich die Freiheit jedes Mediums, sich seine Interviewpartner auszusuchen. Im vorliegenden Fall scheint aber die Publikation zunächst vorgesehen gewesen zu sein, und laut Kurt Aeschbacher war weder seine sexuelle Orientierung noch Sexualität ganz allgemein ein Thema im Interview. Es war also ein Rückzieher im Nachhinein, was nicht besonders elegant ist.

Aeschbacher war nicht amüsiert und will nun den Presserat anrufen, weil er die Sache als diskriminierend empfindet. Die SKS-Redaktion ist zurückgekrebst und will laut dem «Tages-Anzeiger» das Interview nun doch bringen, und zwar «selbstverständlich». Der ganze Wirbel sei nur auf redaktionsinterne Missverständnisse zurückzuführen.

Die Mini-Affäre ist eigentlich eine ostschweizerische Angelegenheit. Denn das Schweizerische Katholische Sonntagsblatt wird in Goldach herausgegeben. Verlag ist die Schmid-Fehr AG. Dort geht man nicht besonders offensiv mit dem Traditionstitel um, auf der Firmenwebseite wird nirgends festgehalten, dass man nicht nur für Dritte druckt, sondern eben auch selbst eine Zeitung verlegt.

Augenscheinlich wird der Zusammenhang aber beim Webauftritt, der für Schmid-Fehr und das SKS gleich aufgebaut ist. Dasselbe gilt übrigens auch für das «St.Josephsblatt», eine kirchliche Monatszeitschrift mit über 10'000 Abonnenten. Auch dieser Verlag ist an der Hauptstrasse 20 in Goldach angesiedelt, dem Firmensitz der Schmid-Fehr AG.

Zufall ist das alles nicht: Der Gründer des Unternehmens, der 2017 verstorbene Josef Schmid-Fehr, hat sehr früh auf die Publikation katholischer Medien gesetzt, was in der Blütezeit der Katholiken vermutlich ein gutes Geschäft war. Schmid-Fehr betreute das Schweizerische Katholische Sonntagsblatt offenbar über viele Jahre gleich selbst.

Matthias Schmid von der Schmid-Fehr AG hält in einer Reaktion fest: «Die Zeitung «Schweizerisches Katholisches Sonntagsblatt» ist KEIN Verlagsprodukt der Schmid-Fehr AG. Verleger und Herausgeber ist der «Verein Schweiz. Kath. Sonntagsblatt». Die Schmid-Fehr AG ist lediglich der Produzent (Layout/Druck).» Allerdings is auf der SKS-Webseite in der Mediendokumentation die Schmid-Fehr AG als «Herausgeberin» festgehalten.

Im Prinzip müssten diese Titel heute noch - oder wieder - einen Boom erleben. Bis zum Ende des letzten Jahrtausends verstand man unter der katholischen Presse nicht nur explizite Kirchenblätter, sondern auch Tageszeitungen, die katholisch geprägt waren (wie die frühere «Die Ostschweiz» und viele andere Titel). Seit die Konfessionen bei den Zeitungen keine Rolle spielen und die früher obligaten christlich geprägten Leitartikel verschwunden ist, sind solche Elemente nur noch in eigens dafür angelegten Titeln zu finden. Ob die 3651 Leserinnen und Leser des SKS darunter auch das Interview mit Kurt Aeschbacher einordnen oder ob die Zahl bald nach unten korrigiert werden muss: Man wird es sehen.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.