Die CVP des Kantons St.Gallen entscheidet heute, wer für sie in die Wahl in die Regierung zieht. Es geht um den Sitz von Beni Würth, der im März 2020 als Regierungsrat ausscheidet. Das Rennen ist völlig offen, auch wenn die Parteileitung eine klare Präferenz hat.
«CVP-Parteileitung gratuliert Ständerat Beni Würth und schlägt Susanne Hartmann für die Regierung vor»: Das ist die aktuelleste Meldung im Newsbereich der CVP-Webseite. Sie ging den Redaktionen an dem Tag zu, als Würth als Ständerat wiedergewählt wurde. Inhaltlich ist alles korrekt. Was fehlt, ist aber die entscheidende Information: Hartmann ist bekanntlich nicht die einzige Anwärterin im Nominationsverfahren.
Denn die CVP Rheintal hat den als Nationalrat nicht bestätigten Thomas Ammann aus Rüthi vorgeschlagen. Er steht heute Susanne Hartmann gegenüber. Im offiziellen Findungsprozess für Kandidaten war Ammann nicht dabei gewesen, schlicht, weil er davon ausgegangen war, weiter Nationalrat zu sein.
Allerdings hätte der frühere Gemeindepräsident von Rüthi wohl auch schlechte Karten gehabt, wenn er sein Interesse von Anfang an angemeldet hätte. Denn die CVP-Parteileitung hat systematisch nach einer Frauenkandidatur gesucht. Zwei der Optionen sprangen ab: Kantonsrätin Yvonne Suter aus Rapperswil-Jona und Monika Scherrer, die Gemeindepräsidentin von Degersheim. Damit blieb die Wiler Stadtpräsidentin Susanne Hartmann als einzige Anwärterin übrig. Und sie erfüllt auch das Profil, das die Parteileitung für die Findungsgruppe entworfen hat, insbesondere die Exekutiverfahrung.
Dass Ammann dennoch antritt, ist durchaus sinnvoll. Er ermöglicht den Delegierten damit eine echte Auswahl statt einer reinen «Absegnung». Und er hat gar keine so schlechten Karten - mal abgesehen vom «falschen Geschlecht». Zum einen ist er in seiner Partei gut veankert und vertritt einen für die CVP wichtigen Wahlkreis, das Rheintal. Zum anderen weist er neben kommunaler und kantonaler politischer Erfahrung auch solche auf Bundesebene aus.
Kommt dazu, dass Hartmanns Kandidatur für die Nomination eine Unschönheit beinhaltet, auch wenn es nicht ihre Schuld ist: Würde sie in die Regierung einziehen, wäre sie neben Stefan Kölliker (SVP) und Marc Mächler (FDP) die dritte Vertretung aus Wil und Umgebung. Nimmt man den Fürstenländer Bruno Damann (CVP) dazu, wäre Wil-Fürstenland hemmungslos überdotiert in der Regierung. Hartmann selbst hält das nicht für ein Problem. Gegenüber dem Lokalportal hallowil.ch sagte sie: «Ein Regierungsmitglied stellt sich in den Dienst des ganzen Kantons.» Das ist natürlich richtig, doch ist es nicht unerheblich, wo jemand herkommt, wo seine Wurzeln sind und wo er oder sie sich besonders gut auskennt.
Nominationen sind eine Mobilisierungsfrage. Bildlich gesprochen: Welcher Kandidat, welche Kandidatin sorgt dafür, dass mehr unterstützende Delegierte aus den einzelnen Regionen an den Ort des Geschehens gekarrt werden? Die CVP trifft sich heute in St.Gallen, und zwar im Kantonsratssaal. Das ist halbwegs eingemittet zwischen den Wohnorten der beiden Anwärter.
Theoretisch denkbar ist es auch, dass die CVP sowohl Susanne Hartmann wie auch Thomas Ammann nominiert und mit dem Bisherigen Bruno Damann mit einem Dreierticket in die Regierungswahlen geht. Auch bei der FDP stand diese Variante seinerzeit zur Diskussion, als sich Beat Tinner und Christine Bolt gegenüberstanden. Das Szenario birgt Risiken, umso mehr, als es voraussichtlich einige Kandidaturen mehr als Sitze gibt. Gerade angesichts der «grünen Welle» kann es gefährlich werden, die zwei bisherigen Sitze mit einer Dreierauswahl verteidigen zu wollen. Es könnte passieren, dass sich die CVP-Kandidaturen gegenseitig Stimmen abjagen und ein Sitz verloren geht. Attraktiv ist die Option für einige Delegierte aber wohl dennoch, weil man sich dann nicht entscheiden muss.
Wetten abschliessen ist mit Blick auf heute wohl nur eine Sache für eingefleischte Spieler. Das Rennen scheint völlig offen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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