logo

Ein hungriger Zwischenruf

Hey, BAG! Ist vielleicht noch ein Stück Kuchen übrig?

Ich akzeptiere alles. Für mich gibt es keine Konzerte, kein Theater, keine Auslandreisen. Ich kann damit leben. Aber wenn ich keinen Kuchen kriege, werde ich wütend. So richtig. Vor allem, wenn er pink ist und aussieht, als hätte ihn ein Einhorn ausgeschieden. Ich. Will. Meinen. Kuchen!

Stefan Millius am 20. Juli 2021

Wir sind uns doch alle einig: Die Coronamassnahmen tangieren keine Grundrechte. Und schon gar nicht die Demokratie. Es ist alles wirklich völlig easy. Ich wohne hübsch und kann den Rest meines Lebens zwischen zuhause, dem Garten und dem Büro lustwandeln. Kultur wird sowieso überbewertet, und wer braucht ein Restaurant, wenn es Convenience Food für die Mikrowelle gibt? Also, alles im grünen Bereich. Ich fühle mich nicht benachteiligt als Ungeimpfter. Ihr dürft weitermachen.

Beziehungsweise: Ich habe mich bisher nicht benachteiligt gefühlt. Aber nun habt Ihr es übertrieben, Ihr Leute vom Bundesamt für Gesundheit. Ihr seid in Bern medienwirksam mit einem Kuchen aufgefahren. Mit einem so richtig überdimensionalen, in einer Farbwahl, dass selbst ein Brite einen Zuckerschock bekommen würde beim reinen Anblick, und denen ist ja punkto Essen echt nichts heilig. Ihr präsentiert vor den Kameras dieses Landes ein Süssgebäck, das mich wechselweise sabbern und zucken lässt – und ich kriege nichts davon.

Ich leide, ehrlich.

Klar, vermutlich hätte man mir eine Ecke davon abgeschnitten, wenn ich mich gleich vor Ort hätte impfen lassen. So als Belohnung. Was ja der Sinn der Aktion war. Das ist durchaus bedacht: Man kann den obligaten Schwächeanfall nach dem Schuss elegant mit einer Ladung Zucker auffangen – grosses Kino! Nur ist diese bewusste Ecke, also Bern, echt weit weg von mir. Ich musste da eine Kosten-Nutzen-Rechnung machen. Wie viele Leckereien beim Bäcker nebenan kriege ich für ein Zugbillett nach Bern? Da liegen etwa 20 Spitzbuben drin, und einen Nussgipfel gibt es obendrauf! Es wäre unwirtschaftlich gewesen, zu Euch zu fahren.

Rein vernunftsmässig musste ich deshalb passen. Andererseits: Wer kann denn vernünftig bleiben beim Anblick eines PINKEN Kuchens? Der dann erst noch von der – sorry, kleines Wortspiel – Crème de la crème der Schweizer Gesundheitsversorgung angeschnitten wird?

Klar, ich habe eine Lebenspartnerin, die mich liebt und die mir jedes Jahr den besten Cheesecake der Welt zum Geburtstag bäckt (danke an dieser Stelle, für immer und ewig). Aber, und ich hoffe, das führt nun nicht zum abrupten Ende der Beziehung, was ist das schon gegen einen PINKEN Kuchen, der einem von Patrick Mathys kredenzt wird, dem «Leiter der Sektion Krisenbewältigung» des Bundesamts für Gesundheit? Diese Chance hat man genau ein Mal im Leben – und ich habe sie versaut. Weil ich zu faul war, in den Zug zu steigen. Oder zu geizig.

Als ich klein war, haben mir meine Eltern nie gesagt, dass ich eines Tages die Chance haben werde, ein Stück Kuchen von einem Spitzenbeamten des BAG serviert zu bekommen. Traurig eigentlich, dass ihre Fantasie nicht so weit gereicht hat.

Dabei stimmte wirklich alles an diesem Anlass, ich sehe es ja an den Videoaufnahmen. Wie die BAG-Leute mit Maske vor dem Gesicht wild entschlossen dem pinken Ungetüm mit scharfen Messern zu Leibe rücken, um den Erfolg der Impfkampagne zu zelebrieren, mit einem leicht animalischen Funkeln in den Augen – das war Sex pur. Und ich meine das wörtlich.

Aber eben: Ich habs verpasst. Und mir bleibt nur die Hoffnung, dass Ihr die Aktion wiederholt. Zum Beispiel, wenn sich 99,9 Prozent der Bevölkerung eine Impfung verpasst haben. Da würde ich dann als letzter Ungeimpfter auf dem Bundesplatz auftauchen, wo der Kuchen natürlich schon längst weggefressen wäre, aber immerhin dürfte ich vielleicht die Tortenplatte ablecken? So als kleines Zugeständnis für den letzten verirrten Geist, der einfach nicht will? Oder einige Brösmeli von den Messern wegkratzen? Ich meine, ich will hier wirklich keine Umstände machen, aber mit meinen jährlichen Steuern habe ich doch sicher einige Krümel mitbezahlt?

Aber wenn ich ein klein wenig abkriege von den Überresten auf dem Messer, dann bitte von demjenigen, das Patrick Mathys verwendet hat. Darunter geht bei mir gar nichts. Man hat ja Stil. Auch wenn es um einen PINKEN Kuchen geht.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.