Dieser Mann aus Goldach wurde in den letzten Jahren omnipräsent. Der 34-Jährige Renato Kaiser ist Slam Poet, Satiriker und Komiker auf der Bühne, im Radio, Fernsehen und im Internet.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Das Magazin kann via abo@dieostschweiz.ch bestellt werden.
Renato Kaiser wurde vor Kurzem mit dem Salzburger Stier 2020 ausgezeichnet. Der Satiriker aus Goldach erhält den renommierten Kabarettpreis. Die Jury lobt ihn als präzis und eigenwillig. Ein Gespräch darüber, wie alles begann.
Renato Kaiser, Sie sind Spoken Word Künstler, Comedian und Satiriker. Wie kam es dazu?
Kaiser: Ganz unspektakulär: Ich habe immer schon gerne für Vereins- und Schulzeitschriften geschrieben, ausserdem habe ich ein Praktikum beim Ostschweizer Tagblatt absolviert und war noch einige Zeit als freier Journalist tätig. Auf die Bühne kam ich dann das erste Mal bei einem Poetry Slam in Sirnach. Und kam zum Glück gut an und wurde auf Anhieb Zweiter.
Wurden Sie schon als Kind darauf aufmerksam gemacht, lustig und amüsant zu sein? Waren Sie der Klassenclown?
Kaiser: Nicht ganz klassisch der Klassenclown, aber ich hab immer schon viel und – so glaube ich – gut geredet. Das half mir in vielerlei Hinsicht auch auf dem Pausenplatz. Mir fiel es auch immer schon relativ leicht, direkt meine Meinung zu sagen.
Neben der Kunst, studieren Sie an der Universität Fribourg Geschichte und Germanistik. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Studium?
Kaiser: Verfolgten wäre wohl richtig, von der Zeitform her, schliesslich habe ich das Studium standesgemäss abgebrochen. In erster Linie habe ich das studiert, weil es mich interessierte.
Wie haben Ihre Eltern auf ihren Werdegang reagiert. Haben diese Ihnen nicht zu einem bodenständigen Beruf geraten?
Kaiser: Sie haben schon immer wieder gesagt, ich solle einen Abschluss machen. Aber immer im besten Sinne und ausschliesslich zu meinem Wohle. Gleichzeitig haben sie mich die ganze Zeit sehr unterstützt, fanden super, dass ich das mache, kamen oft zu Slams und haben in diesen teils verrauchten Spelunken auch eifrig den Altersschnitt hochgetrieben. Ich kann mit vollem Recht sagen: Besser als mit meinen Eltern kann man es wirklich nicht erwischen.
Wie witzig sind Sie privat?
Kaiser: Ich bin froh, dass Sie das nicht meine Freundin fragen.
Was war bisher ihr grösster Erfolg?
Kaiser: Jedes Mal, wenn ich eine Duschbrause entkalke und dann unter dem weichen Wasserstrahl stehe, finde ich: Jetzt hast Du’s geschafft. Ansonsten würde ich sagen, der Salzburger Stier 2020.
In diesem Sommer, Herbst hatten Sie Ihre erste eigene Fernsehsendung «Tabu» im Schweizer Fernsehen. Wie war diese Erfahrung?
Kaiser: Eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Die Begegnung mit den Protagonistinnen und Protagonisten, die Zusammenarbeit mit dem wirklich hervorragenden Team und schlussendlich die Sendung als Endprodukt. Und die grundsätzliche Erkenntnis: Man lernt nie aus, man hat eigentlich immer zu wenig Ahnung, wenn es um Toleranz, Integration, Inklusion etc. geht.
Sie sind aus Goldach und sprechen immer mal wieder über den St. Galler Dialekt. Welches sind ihre Lieblingsausdrücke?
Kaiser: Mein Lieblingsausdruck ist «Chrüsimüsi». Ansonsten gefällt mir der Begriff «änart». Vor allem, weil man es sanktgallerisch ohne «R» ausspricht. In dem «änaoot» spürt man den Ostschweizer bis ins Mark.
Wohnhaft sind sie in Bern. Werden Sie dort oft auch auf den wunderbaren Ostschweizer Dialekt aufmerksam gemacht?
Kaiser: Nicht mehr so oft wie auch schon. Es passiert aber immer noch, egal wo in der Deutschschweiz, dass einem auf ein ganz normales «Hoi zämä» ein euphorisches «Hopp Sanggalä fürä mitm Balä hä!» entgegengebellt wird. Das ist dann ein bisschen irritierend.
Wie wichtig sind Ihnen Ihre Ostschweizer Wurzeln?
Kaiser: Nicht sonderlich wichtig. Ich habe ganz allgemein keine grossen Heimatgefühle, wenn es um Orte geht. Ich könnte fast überall wohnen und zurechtkommen, denke ich. Lokalpatriotismus finde ich einigermassen absurd. Allerspätestens dann, wenn man seine Herkunft über den Verzehr einer Fleischwurst definiert, hört es bei mir auf. Die Ostschweiz zeichnet sich für mich nicht durch den FC St.Gallen, die Stiftsbibliothek oder die OLMA-Bratwurst aus. Sondern durch die feinen Menschen, die ich dort kennengelernt habe.
Worauf dürfen wir uns in der Zukunft von Ihnen freuen?
Kaiser: Das weiss ich auch nicht so genau, ich hatte noch nie Ziele, Wünsche oder Ambitionen und habe mich immer aufs Produzieren konzentriert – das hat bis jetzt glücklicherweise gut geklappt. Ich werde daher einfach so weitermachen wie bis anhin. Und ob die Leute sich darüber freuen, kann ich nicht beeinflussen – es wäre mir aber lieber, wenn schon, natürlich. Ah doch! Am 30. September 2020 habe ich Premiere mit meinem Soloprogramm im Casinotheater Winterthur. Und für mich ist das auf jeden Fall ein Grund zur Freude.
Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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