Für die Regierungsratswahlen zauberte die St.Galler SVP einen Namen aus dem Hut, den niemand auf der Liste hatte: Dana Zemp. Die einstige Kantonsärztin und heutige Klinikdirektorin sagt im Interview, welche Werte sie mit der Partei teilt und was sie als Regierungsrätin bewegen möchte.
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Dana Zemp, im Zusammenhang mit den Regierungsratswahlen tauchte Ihr Name erst zwei Tage vor der Nominationsversammlung der SVP auf. Wann fällten Sie für sich den Entscheid für eine Kandidatur?
Die ersten Gedanken machte ich mir im Frühherbst 2023. Zusammen mit einzelnen SVP-Vertreterinnen und -Vertretern überlegte ich mir, ob eine Kandidatur eine gute Idee sein könnte.
Mitglied der Partei sind Sie erst seit Oktober 2023. Das sieht nicht so aus, als wären Sie schon lange mit den Werten der SVP verbunden.
Werte entstehen nicht innerhalb von wenigen Monaten, man trägt sie als Mensch in sich. Und meine Werte waren schon immer bürgerlich. Ich habe mich intensiv mit den Werten der SVP auseinandergesetzt und ich teile sie absolut.
Von welchen Werten reden wir?
Von Freiheit, Sicherheit, Eigenverantwortung und Familie. Es ist mir ein Anliegen, dass wir frei sind und uns im eigenen Land sicher fühlen. Und als Mutter von zwei Kindern ist die Familie mein zentraler Ankerpunkt.
Sie waren früher Mitglied der CVP – heute «Die Mitte». Diese hat aber «dummerweise» keinen Rücktritt in der Regierung zu verzeichnen …
Natürlich kann man sich diese Überlegung machen. Aber sehen Sie: Viele aktuelle SVP-Mitglieder waren früher mit der CVP in Verbindung. Jeder Mensch entwickelt sich weiter und präzisiert seine Werte. Ein grosser Unterschied zwischen den beiden Parteien ist das Thema «Sicherheit». Bei der SVP ist es zentraler, wird intensiver in den Vordergrund gestellt. Und das ist mir wichtig.
Sie haben nun nur wenig Zeit, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, Ihnen ihre Anliegen näherzubringen. Noch sind Sie für viele eine Wundertüte …
Im positiven Sinne bin ich eine Wundertüte. In ihr findet man die bürgerlichen Werte. Ich bin voller Ideen und Tatendrang. Mit mir bekommt man eine motivierte und engagierte Macherin.
Sie sind in Polen und Libyen aufgewachsen, kamen mit elf Jahren in die Schweiz. Haben Sie heute noch Verbindungen zu Ihren Wurzeln?
Ich habe noch ein paar ältere Verwandte in Polen, war dort aber wohl vor 30 Jahren das letzte Mal. Klar, Polen ist mein Geburtsland. Aber inzwischen ist es schon sehr weit weg.
Erinnern Sie sich noch an Ihren Zuzug in die Schweiz?
Wir kamen in die Schweiz, weil mein Vater hier gearbeitet hat – am Anfang noch im Kanton Aargau. Wir wurden sehr warmherzig empfangen und ich habe nur die besten Erinnerungen an diese Zeit. Natürlich war das Erlernen einer neuen Sprache im ersten Jahr eine grosse Herausforderung.
Was hat Sie überrascht, allenfalls überfordert?
Als 11-Jährige ist man sehr anpassungsfähig. Und ich stamme aus einem sehr offenen Elternhaus. Daher hat mich nichts überfordert.
Sie sind eine Zuzügerin. Die SVP hat sich eine harte Migrationspolitik auf die Fahne geschrieben. Wie passt das zusammen?
Ich sehe mich als Botschafterin für die Integration. Wer in dieses Land kommt, muss bereit sein, sich anzupassen. Man soll das Land ehren, indem man sich an die Regeln hält, sich integriert und die Sprache lernt.
Die SVP zeichnet teilweise schon fast ein prekäres Bild der Schweiz, warnt vor einer 10-Millionen-Bevölkerung.
Es gibt für jedes Land eine Grenze bei der Zuwanderung. Wird diese überschritten, fühlen sich die Einheimischen nicht mehr wohl. Dann passieren unschöne Dinge, wie beispielsweise in Frankreich oder auch in Deutschland. Das wünsche ich der Schweiz nicht. Ich wünsche mir eine Zuwanderung, die man so beeinflussen kann, dass sich die Menschen im Land wohlfühlen.
Fühlen Sie sich wohl?
Ich fühle mich grundsätzlich sicher in der Schweiz. Aber Meldungen über Einbrüche und Übergriffe machen mir schon Sorgen. Und hier besteht Handlungsbedarf.
Auf eine politische Laufbahn können Sie nicht verweisen. Warum eigenen Sie sich für den Regierungsrat?
Es braucht verschiedene Kompetenzen. Es gilt, komplexe Sachverhalte schnell zu erfassen und strategische Überlegungen anzustellen. Man muss in einer Kollegialbehörde Lösungen finden, damit keine Blockaden entstehen. Man muss ein Departement mit vielen Mitarbeitenden führen. Mein Rucksack ist voll. Ich bringe Führungserfahrungen mit und kenne die kantonale Verwaltung von meiner Tätigkeit als Amtsleiterin. Ausserdem verfüge ich über betriebswirtschaftliche Kenntnisse aus der Privatwirtschaft. Als Kantonsärztin war ich immer an der Seite der Politik und habe die Prozesse miterlebt.
Und sie sind bestens vertraut mit der Gesundheitsthematik. Würden Sie im Departement von Bruno Dammann mitreden wollen?
Nein. Es geht um ein bürgerliches Miteinander - und nicht um ein Gegeneinander.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Ich wünsche mir eine Annäherung zwischen den Städten und den ländlichen Regionen: weniger Abspaltung, mehr fokussiert auf einen gemeinsamen Weg. Dann müssen wir als Grenzkanton die Zuwanderungs-Problematik angehen. Und wirtschaftlich gesehen haben wir zu hohe Steuern und müssen uns darum bemühen, mehr Innovationen – auch in Form von Startups – zu ermöglichen. Dafür braucht es gute Rahmenbedingungen.
Sollte es mit der Wahl in den Regierungsrat nicht klappen, begraben Sie dann Ihre politischen Ambitionen bereits wieder?
Sag niemals nie. Ich arbeite aktuell als Klinikdirektorin in Walzenhausen und führe dort ein Team mit 200 Personen. Ein wunderbarer Job. Ich suche also nicht zwingend nach einer neuen Herausforderung. Aber ich würde gerne der Gesellschaft etwas zurückgeben und mich einbringen, Verantwortung übernehmen.
Sie hätten zudem einen direkten Draht in den Bundesrat …
Ignazio Cassis kenne ich aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Kantonsarzt im Tessin seit vielen Jahren, ja.
Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
Sporadisch, ja.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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