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Im Gespräch mit Nina (12) und Lynn (9) über Corona

«Ich wünsche mir einfach, dass alle wieder Spass haben am Leben»

Sie werden nicht gefragt, was sie von den Coronamassnahmen halten, sie können sich in den meisten sozialen Medien nicht äussern, aber auch ihr Leben hat sich verändert. Ein Gespräch mit zwei Kindern über eine Situation, die sie sich nicht ausgesucht haben.

Stefan Millius am 13. Februar 2021

Sie sind in der Primarschule, sie haben einen Vater, dessen Arbeit derzeit praktisch nur aus Corona besteht, und sie hatten selbst plötzlich den Wunsch: «Jetzt wollen wir auch mal was dazu sagen.» Ein Gespräch am Küchentisch mit meinen Töchtern Nina (12) und Lynn (9) über das Virus, die Massnahmen, die Schule und was ihnen wichtig ist.

Nina, Lynn, wenn ich «Corona» sage, was fällt euch als erstes ein?

Lynn: Ich finde Corona doof. Vor allem, dass fast alle Läden und sogar alle Restaurants zu haben. Wir müssen jetzt immer zuhause essen.

Und ich koche ja nicht besonders gut…

Lynn: (lacht) Nein, das tust du wirklich nicht.

Nina: Bei Corona denke ich an eine Katastrophe. Oder an das Wort Apokalypse. Aber nicht, weil ich denke, dass das so ist. So sehen es viele andere Leute, ich nicht. Ich finde es übertrieben, was jetzt alles gemacht wird.

Du meinst die Massnahmen, die Schliessungen zum Beispiel. Es heisst aber, wir müssen das machen, weil das Virus gefährlich ist. Findest du es nicht nötig?

Lynn: Also, es sterben ja nicht alle Leute. Und viele, die sterben, sind sehr alt oder krank.

Nina: Du hast das ja glaub ich auch selbst schon mal geschrieben, das habe ich gelesen, dass man Menschen auch gehen lassen können muss.

Aber wenn ihr offene Restaurants wollt und deswegen Menschen sterben könnten: Das wäre auch nicht fair, oder?

Lynn: Klar ist es nicht schön, wenn jemand krank wird. Aber es gibt doch auch sonst sehr viele Krankheiten, nicht nur Corona. Ich glaube nicht, dass es jemandem hilft, wenn man mit einer Maske in einen Laden geht oder gar nicht einkaufen gehen kann.

Nina: Früher sind sicher auch Leute mit einer Grippe, bevor sie richtig krank waren, in ein Restaurant gegangen. Das war nie ein Problem, obwohl da dann auch viele Leute zusammen waren. Und für mich ist Corona sozusagen eine Grippe.

Viele Leute sagen, dass das nicht stimmt, dass es viel schlimmer ist. Wie entscheidest du, was du glaubst?

Nina: Ich kann nur sagen, was ich selbst gehört habe von Leuten, die Corona hatten, die ich kenne. Da waren auch ein oder zwei, bei denen es wirklich schlimmer war, das waren sehr alte Leute. Die Jüngeren, die ich kenne, sagen alle, dass es für sie nicht so schlimm war.

Aber es ist ja auch traurig, wenn alte Menschen krank werden oder sterben, findet ihr nicht?

Lynn: Sicher. Es ist immer traurig. Ich denke einfach, wenn jemand alt ist, hat er schon sehr viel erlebt. Junge Leute noch nicht. Deshalb finde ich das ein bisschen schlimmer. Aber mir tun auch alte Leute leid, die sterben.

Nina: Das ist bei mir ähnlich. Ich finde es auch immer traurig. Aber junge Menschen wollen noch ganz viel erleben und erreichen. Mit 80 hat man vielleicht nicht mehr so viele Ziele.

Habt Ihr eigentlich selbst auch schon Angst vor dem Virus gehabt?

Lynn: Ich nicht. Ich finde es nicht schön, dass es das gibt, aber ich glaube, bei Kindern ist es nicht so schlimm. Ich denke, ich bekomme das nicht, ich hab einfach dieses Gefühl.

Nina: Dass ich selbst krank werden könnte, davor habe ich keine Angst. Nur davor, dass ich meine Freunde nicht mehr sehen kann, weil andere Leute diese Angst haben und mich nicht mit ihren Kindern spielen lassen. Aber für mich selbst nicht.

Wie habt ihr das erlebt, dass ihr in gewissen Zeiten nicht mehr so viele Freunde sehen konntet?

Lynn: Das ist nicht so oft passiert. Aber wenn jemand aus der Klasse oder sonst Freundinnen wegen der Familie in Quarantäne ist, dann sieht man sich schon einige Tage nicht.

Nina: Ich hab es krasser erlebt. Während der Schulschliessung habe ich meine Freunde nie gesehen. Auch danach eigentlich nicht, weil viele Eltern Angst hatten. Erst gegen den Herbst wieder, aber das ging einige Monate. Eine Freundin wollte es selbst nicht, bei Nachbarn jemand aus der Familie nicht, wir mussten aufpassen wegen älteren Verwandten, zum Beispiel den Grosseltern.

Das stimmt, für viele Kinder war das mit den Grosseltern besonders hart. Bei euch auch?

Lynn: Ja, weil die ja in der Risikogruppe sind, wie man dem sagt. Wir haben sie einige Monate nicht gesehen. Das war nicht schön. Aber ich habe es akzeptiert.

Nina: Ich fand das vor allem am Anfang ziemlich furchtbar, weil wir sie sonst oft gesehen haben. Und als es dann wieder ging, war es immer nur für eine ganz kurze Zeit. Sogar am Geburtstag.

Letztes Jahr war vieles noch nicht verboten, es wurde einfach nicht empfohlen. Jetzt darf man zuhause zum Beispiel nur noch zu fünft sein. Was denkt ihr darüber?

Lynn: Mit meinen Freundinnen ist das nicht so schlimm. Wir sehen uns trotzdem, wir sind eben einfach draussen, auch wenn es Winter ist. Das macht auch Spass.

Nina: Ich treffe auch weiter Freunde und bin viel draussen. Aber ich finde es komisch, früher gab es glaubs mal eine Regel mit 10 oder 15 Leuten, die zuhause sein dürfen. Es heisst, jetzt dürfen es nur noch 5 sein wegen der Gesundheit. Aber was ist denn plötzlich so anders? Ich glaube nicht, dass das vorher gefährlicher war. Wenn man mal zu sechst statt zu fünft ist, was soll daran so schlimm sein? Das ist komplett übertrieben.

Wenn ihr die Regeln brecht, einfach nur in der Theorie, dann kann die Polizei kommen. Habt ihr Angst davor?

Lynn: Ich habe gehört, dass das passieren kann, aber ich habe keine Angst.

Nina: Nein, vor denen hätte ich echt keine Angst.

Sehr viele Leute halten sich aber an die Regeln, einige finden sie gut und richtig, andere akzeptieren sie einfach. Warum, glaubt ihr, ist das so?

Nina: Ich glaube, es hat damit begonnen, dass die Leute ganz oben, also der Bundesrat, Panik hatten. Dann kamen die Regeln, und dann wurde gedroht. Es kann Bussen geben. Und jetzt haben die anderen Leute Panik und machen deshalb alles mit. Sie wollen, dass es bald vorbei ist. Aber ich glaube nicht, dass zum Beispiel das mit den Masken wirklich etwas nützt. Sonst müsste man gleich alle Leute einsperren, aber vermutlich bringt nicht einmal das etwas. Die normale Grippe geht ja auch nicht einfach weg. Wenn das alles etwas nützen würde, wäre es doch jetzt schon vorbei.

Lynn: Ich glaube, die Leute wollen innerlich, dass alles vorbei ist und sind äusserlich streng bei den Regeln. Aber sie wissen auch nicht, ob es damit besser wird. Ich denke, es hilft mehr, wenn man fest daran glaubt, dass es bald besser wird als mit vielen Regeln.

Im letzten Frühling hattet ihr einige Wochen lang keine Schule, zumindest nicht im Schulhaus. Wie war das für euch? Wie Ferien?

Lynn: Am ersten Tag war es cool, dass wir nicht hinmussten. Später war es dann lästig. Man hat die Klassenkameraden nicht gesehen, musste alles zuhause machen und lernen und die Aufgaben zur Post bringen und so. Das war nervig, es dauerte ja recht lange.

Nina: Ich hatte zuerst keine Meinung zu Corona, weil ich ja nicht wusste, ob es vielleicht wirklich gefährlich ist. Ich dachte deshalb auch bei der Schulschliessung, das sei vielleicht nötig. Irgendwann kam es mir aber seltsam vor. Ich denke nicht, dass es geholfen hat. Sonst wäre es ja später nicht noch schlimmer geworden.

Habt ihr das Gefühl, ohne Schule etwas verpasst zu haben? Zum Beispiel weniger gelernt zu haben?

Lynn: Es war eigentlich wie in der Schule, es gab einen Plan, und wir haben Hausaufgaben bekommen. Verpasst habe ich glaub nichts. Unsere Lehrerin hat das gut gemacht, sie hat genau gesagt, was wir tun müssen.

Du bist also nicht dümmer geworden in dieser Zeit…

Lynn: (lacht) Nein!

Nina: Ich habe es als ziemlich grosses Chaos empfunden. Es gab sehr viele Aufgaben, und es kam mir auch mehr vor als in der Schule, weil ich die Arbeit selbst einteilen musste. Ich konnte auch nicht sofort beim Lehrer nachfragen, wenn mir etwas nicht klar war. Bei der ersten Prüfung, als wieder normal Schule war, lief es nicht gut. Für mich ist es wichtig, dass ich immer gleich fragen kann, wenn ich etwas nicht verstehe.


Die Zeitung, die auch Kinder ausreden lässt. Jetzt Gönner werden.


Wie denken eigentlich eure Freunde über Corona, sehen die alles gleich wie ihr?

Lynn: Einige schon. Eine meiner Freundinnen ist so auf einem strengen Trip. Wenn ich mal in die Hand niese statt in den Ellbogen, dann macht sie gleich ein Riesenthema daraus. Das stört mich. Sie sagt, wenn das nicht alle richtig machen, geht Corona noch viel länger.

Nina: Die Maskenpflicht gilt ja ab zwölf Jahren, und ich bin letzten November zwölf geworden. Ein Teil meiner Klasse ist erst elf. Im Turnen muss ich die Maske tragen bis in die Garderobe. Manchmal vergesse ich das, ich habe sie also einige Sekunden lang nicht an. Dann sagen die anderen sofort: Du verbreitest Corona, du bist schuld, wenn der nächste Lockdown kommt, wegen dir ist dann wieder alles zu!

Ich höre deiner Stimme an, dass du diese Reaktion nicht verstehst.

Nina: Das tue ich auch nicht. Wir haben in der Klasse ja keine Maske an. Wir sind den ganzen Tag zusammen im Klassenzimmer und gehen zusammen raus in die Pause und so. Wenn wir dann in die Garderobe gehen, wieso soll das einen Unterschied machen, wenn ich dann ganz kurz die Maske nicht anhabe? Wir sind ja nur untereinander, die gleichen Kinder, die auch sonst immer zusammen sind.

Was glaubst du, woher kommt das, wenn die anderen Kinder so etwas sagen, wenn sie dir die Schuld geben an schlechten Dingen, die passieren könnten? Woher haben sie das?

Nina: Vielleicht sagen ihnen das ihre Eltern. Oder sie sehen etwas in den Nachrichten oder in einer Zeitung. Du schreibst ja in deiner Zeitung andere Sachen, aber in den meisten steht, soviel ich weiss, wie schlimm alles ist. Wenn man die Zeitung hat, die im Briefkasten liegt, dann denkt man das dann vielleicht auch.

Woher nimmst du deine Informationen, Lynn?

Lynn: Wenn mir im Zug langweilig ist, nehme ich auch mal die Zeitung, die dort liegt. Vor kurzem habe ich etwas von der Impfung gelesen. Aber eigentlich finde ich nicht, dass ich da so viel wissen muss darüber. Es nützt ja nichts, ich muss doch machen, was man mir sagt.

Als du das wegen dem Impfen gelesen hast, was hast du da gedacht?

Lynn: Ich habe sowieso nicht gern Impfungen, weil ich Angst vor der Spritze habe. Aber ich weiss, dass ich mich gegen Corona nicht impfen lassen muss, wenn ich nicht will, das hast du mir gesagt, deshalb habe ich keine Angst. Es regt mich aber ein bisschen auf, wenn die Zeitung die ganze Zeit voll davon ist.

Nina: Mich stört es, dass man jetzt gerade allen Leuten sagt, sie müssen sich impfen lassen. Das nützt ja nur denen, die wirklich krank werden können. Dann wird die Krankheit weniger schlimm. Aber ich müsste ja trotzdem die Massnahmen einhalten, es ändert sich ja gar nichts in meinem Leben.

Habt ihr mit anderen Kindern auch schon gestritten über Corona?

Lynn: Ich rede nicht so viel mit meinen Freundinnen darüber. Die meisten machen sich nicht so viele Gedanken darüber, und in meiner Klasse haben alle eine ähnliche Meinung dazu.

Nina: Das gab es auch schon, zum Beispiel in meiner Klasse. Am Anfang vom zweiten Lockdown haben wir mehr darüber gesprochen, da war ja wieder normal Schule. Ich habe ja das Beispiel von der Maske in der Garderobe erzählt, in solchen Fällen gibt es schon eine Auseinandersetzung, weil ich es anders sehe.

In einigen anderen Kantonen müsstest du, Nina, in der 5. Klasse jetzt schon im Unterricht eine Maske tragen. Du Lynn ab dem Sommer in der 4. Klasse. Wie stellt ihr euch das so vor, mit der Maske im Unterricht?

Lynn: Lästig. Ich habe sowieso ein bisschen Mühe mit dem Atmen wegen einer Allergie, ich kriege manchmal nicht so viel Luft oder atme schwer. Im Moment ist es besser. Aber wenn ich eine Maske anhabe, fehlt mir die frische Luft, man hat dann immer die gleiche.

Nina: Gerade für Lynn finde ich das auch unangenehm. Aber auch für Menschen, die nicht solche Probleme haben, ist das sicher mühsam, so zu atmen. Ich finde, wenn jemand sagt, dass ihn die Maske stört, muss man das akzeptieren. Ich habe gehört, dass einige Leute davon reden, Kinder sollen schon ab sechs Jahren eine Maske tragen müssen. Das finde ich wirklich nicht gut, ich glaube, das ist eher gefährlich. Ab der 4. Klasse geht es vielleicht eher.

Es gibt ja auch Erwachsene, die sich trotz der Regel weigern, eine Maske zu tragen, zum Beispiel in einem Laden oder im Zug. Wie findet Ihr das?

Lynn: Mich stört das nicht, ich glaube auch nicht, dass das jemandem schadet. Es ist nicht schlimm. Aber man muss sie eben anziehen, das ist die Regel.

Nina: Mich stören diese Leute auch nicht. Viel schlimmer finde ich es, wenn die Polizisten dann brutal werden. Sie fragen die Leute nicht, wieso sie keine Maske anhaben, sondern gehen auf sie los. Ich habe das schon auf Videos gesehen, sogar bei älteren Menschen machen sie das. Es gibt glaubs auch Länder, wo die Polizei wegen Corona einfach zu jeder Zeit in ein Haus rein darf, ob man das will oder nicht. Das ist doch gegen die Privatsphäre!

Was glaubt ihr, wann hört das mit Corona auf?

Lynn: Das weiss ich nicht. Ich hoffe, so schnell wie möglich. Es ist nicht lustig. Aber das kann sicher noch ein Jahr gehen, das glaube ich zumindest.

Nina: Ich denke auch, dass es noch lange geht. Eine Freundin von mir hat gesagt, sie hofft, dass sie ihren 18. Geburtstag wieder normal feiern darf. Sie ist jetzt erst 12. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Leute, die etwas zu sagen haben, also der Bundesrat, gar nicht wollen, dass es vorbei geht. Sie würden einfach immer weiter machen. Sie möchten irgendwie, dass das so bleibt.

Warum sollten Sie das denn wollen?

Nina: Weil sie sich auf irgendeine Art freuen über die Regeln, sie wollen das einfach. Ich kann es nicht genau beschreiben. Aber dass es immer mehr von diesen Massnahmen gibt, das ist doch kein Zufall. Sonst würde es doch aufhören.

Ich schreibe ja auch oft solche Dinge, vielleicht liest du sie auch manchmal. Sagst du das jetzt einfach, damit du mit mir einer Meinung bist?

Nina: Sicher nicht! Ich bin gar nicht immer deiner Meinung. Zum Beispiel, wenn es um Donald Trump geht, du magst den irgendwie, ich überhaupt nicht! (lacht)

Ich frage euch heute aus, und ihr dürft sagen, was ihr denkt. Findet ihr es unfair, dass ihr Kinder sonst bei Corona nicht richtig mitreden dürft?

Lynn: Es ist nicht gerecht, dass Erwachsene immer ihre Meinung sagen dürfen und bestimmen, wie alles sein soll. Die Meinung von uns Kindern interessiert niemanden. Ich finde, man sollte sie auch ernst nehmen. Vielleicht ist unsere Meinung ja auch so wichtig wie die der Erwachsenen?

Nina: Die Erwachsenen können uns zwar herumkommandieren, aber bei Corona können sie ja eigentlich auch nicht viel sagen oder etwas dagegen tun. Es ist ja nur der Bundesrat, der etwas zu sagen hat. Und er hört nicht auf andere Meinungen. Du wolltest doch zum Beispiel einmal nach Bern, um zu sagen, was du findest, oder?

Stimmt, das habe ich euch erzählt. Ja, da ging es darum, dass Leute, die für die Zeitung schreiben, dem Bundesrat direkt Fragen stellen dürfen.

Nina: Eben, und das wollten sie bei dir nicht. Die wollen nur Leute, die das Gleiche finden wie sie selbst, die sagen, dass wir bald alle tot umkippen. Die anderen Leute möchten sie sich nicht anhören.

Ihr kennt vielleicht das Wort Zensur. Das ist, wenn einer seine Meinung schreibt, und dann wird es gelöscht, zum Beispiel auf Facebook. Wie denkt ihr darüber?

Lynn: Man soll immer seine Meinung überall schreiben dürfen. Wenn man das nicht darf, dann ist es nicht gut.

Nina: Das finde ich sehr schlimm. Ich habe das schon gesehen auf TikTok. Da hat jemand etwas gegen die Masken gesagt in einem Video, dann wurde er zuerst mit Kommentaren fertig gemacht und danach gesperrt. Auch berühmte Leute werden gelöscht, wenn sie etwas sagen, das diejenigen stört, die die Regeln machen. Aber wieso darf man dann umgekehrt sagen, dass Corona so schlimm ist und wir alle daran sterben werden? Das ist dann plötzlich wieder okay, das wird nicht gelöscht.

Was meint ihr, wenn ihr älter seid und vielleicht selbst Kinder habt, wie werdet ihr euch an diese Zeit erinnern?

Lynn: Wenn ich älter bin, dann denke ich mir: Jetzt bin ich hier, und ich muss nicht zurückschauen. Es ist besser, wenn ich mich dann konzentriere auf alles, was ich habe und was schön ist. Man sollte sich nicht an schlimme Sachen von früher erinnern. Dann ist eine neue Zeit.

Nina: Das geht mir gleich. Aber es ist nicht so einfach. Wenn es ganz vorbei ist, will ich es hinter mir lassen. Aber gleichzeitig habe ich dann wohl immer das Gefühl, dass so etwas wieder kommt. Denn mir kommt es so vor, dass die Leute immer mehr spinnen.

Du denkst, es könnte immer und immer wieder von Neuem anfangen?

Nina: Das war ja schon einmal so. Im Sommer war alles recht normal, und wir haben gedacht, es wird gut. Dann sind die Leute wieder ausgerastet, weil es mehr Ansteckungen gab, und es wurde sogar noch schlimmer mit den Regeln. Vielleicht kommt und geht das jetzt immer wieder und vor allem immer heftiger.

Ihr vermisst Läden und Restaurants. Dabei denkt ihr natürlich vor allem auch an euch selbst. Überlegt ihr euch auch hin und wieder, wie das für die Leute ist, die selbst einen Laden oder ein Restaurant besitzen?

Lynn: Das ist für die sicher schlimm, denn die verdienen ja nichts mehr, wenn sie zumachen müssen. Das ist traurig. Ich habe das Gefühl, denen wird etwas weggenommen, was für sie vielleicht so etwas wie ein Zuhause ist.

Nina: Wir schauen ja bei uns, dass wir ein bisschen helfen können, wir bestellen Takeaway bei Restaurants, die geschlossen sind…

… weil ich so schlecht koche…

Nina: (lacht) Genau! Aber wenn ein Restaurant das nicht macht, können wir ja auch nichts tun. Es gibt solche, die es gar nicht probieren. Aber es ist wirklich schlimm. Die Wirtschaft geht doch kaputt so. Wir zerstören sie. Je länger es geht, desto mehr bricht sie zusammen.

Moment, da muss ich kurz sichergehen, dass du nicht einfach etwas nachplapperst, hast du das von mir mit der Wirtschaft oder bist du von selbst drauf gekommen?

Nina: Das überlege ich mir selbst! Es ist ja logisch. Wenn man in einem Laden einkauft, bringt das den Leuten dort Geld. Jetzt bekommen sie keines, dann können sie auch keinen Lohn bezahlen oder neue Dinge kaufen, die sie dann wieder verkaufen.

Die Schweiz, also das ganze Land, macht im Moment viele Schulden. Die muss ich vermutlich nicht mehr bezahlen, ich bin ja schon älter, aber ihr oder eure Kinder müssen das. Beschäftigt euch so etwas heute schon?

Lynn: Dazu mache ich mir keine Gedanken. Wir hatten ja noch nie Schulden bei uns zuhause. Und wenn ich mal Kinder habe und die wegen dem Schulden haben, würde ich ihnen helfen.

Nina: Ich denke schon darüber nach. Ich denke, wir müssen das mal ausbaden. Es ist ja heute schon schlimm, aber vielleicht geht es immer weiter. Wenn das Land kein Geld hat, müssen vielleicht alle mehr Steuern bezahlen, die Schweiz muss ja wieder Geld holen, um Schulen zu bauen oder Spitäler. Dann können sich aber die Menschen selbst nichts mehr gönnen.

Ihr seid mit einigen Dingen nicht einverstanden, die gerade passieren. Seid ihr eigentlich böse auf die Leute, die das entscheiden?

Lynn: Ich bin nicht böse, aber es regt mich auf. Ich möchte einmal hören, dass es wirklich hilft, wenn die Läden und Restaurants geschlossen sind. Ich glaube nicht, dass es hilft. Am Anfang hatten die Restaurants doch einfach weniger lange offen oder es hatte weniger Leute drin. Jetzt sind sie ganz zu. Aber das Virus geht doch nicht weg.

Nina: Ich finde, was der Bundesrat macht, ist irgendwie kindisch. Er denkt nicht schlau nach. Mir kommt es vor, wir überlegen uns hier in der Küche gerade mehr Dinge als der Bundesrat. Zum Beispiel über das mit der Wirtschaft, da denken die gar nicht darüber nach. Ich bin irgendwie schon hässig, dass die nur immer über Ansteckungen reden, aber nie darüber, was passiert wegen der Dinge, die sie entscheiden. Für mich sieht es auf jeden Fall so aus.

Ich schreibe ja oft über Corona und kritisiere den Bundesrat auch. Manche finden das gut, aber andere schreiben mir auch ziemlich üble Sachen. Ihr kriegt das manchmal mit. Wie geht ihr damit um, belastet euch das?

Lynn: Ich finde es cool, dass du so einen Job hast. Du darfst schreiben, was du denkst.

Nina: Ich finde es wichtig und schön, was du machst. Ich glaube, das hilft den Menschen, die auch diese Meinung haben, aber sich allein fühlen. Es gibt wirklich Leute, denen es jetzt schlecht geht und die glauben, dass niemand auf ihrer Seite ist. Wenn sie das lesen, was du schreibst, wissen sie, dass das nicht so ist.

Wir haben jetzt fast eine Stunde lang geredet. Wollt ihr zum Schluss noch etwas sagen, das euch wichtig ist? Vielleicht, was ihr euch wünscht für die Zukunft?

Lynn: Ich wünsche mir, dass es aufhört, weil es besser ist, wenn Corona weg ist. Man kann viel mehr machen ohne diese Verbote und Regeln, nach der Schule und am Wochenende und so weiter. Und man kann wieder in die Ferien fliegen.

Nina: Wenn es vorbei ist, müssen wir glaubs alles wieder neu aufbauen. Es ist wie ein Neustart. Am meisten nervt mich im Moment diese 5er-Regel. Man kann die Menschen nicht sehen, die einem wichtig sind, nicht mal aus der Verwandtschaft. Ich wünsche mir, dass alle ihr Leben wieder leben können, etwas unternehmen, das einem Spass macht, einfach wieder Freude am Leben haben.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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