Kommende Woche wird im St.Galler Kantonsrat ein Bericht behandelt, der die Haltung der Regierung aufzeigt, wie die St.Galler Ressourcenschwäche überwunden werden kann. Trotz guter Ansätze fehlt dem Kanton St.Gallen der Mut, seine Vorteile endlich auch international zu vermarkten.
In einem ausführlichen Bericht der St.Galler Regierung wird dargelegt, mit welchen Massnahmen sie die Ressourcenschwäche des Kantons überwinden will. Viele vorgeschlagene Massnahmen verstärken die Standortqualität. Für eine wirksame Promotion nach aussen fehlt aber weiterhin der Mut.
Ansiedlungswüste Ostschweiz
Die Ansiedlungen in der Ostschweiz sind in den letzten Jahren überdurchschnittlich eingebrochen. Denn für weltweit erfolgreiche Firmen rund um Technologien oder wissensbasierte Unternehmensfunktionen ist die Ostschweiz meist nicht erste Wahl. Die Gründe sind vielfältig. Beim Kanton St.Gallen sind es insbesondere langfädige Fahrzeiten zum Kantonshauptort, welche Talente meiden. Auch die unvorteilhafte direkte Besteuerung von Privaten wie Unternehmen ist wenig hilfreich und wird mit der nun vorgeschlagenen Senkung der Vermögenssteuer nicht behoben. Der fehlende Erfolg hängt jedoch an einer bewusst gewählten Lücke: Der Ostschweiz fehlen schlagkräftige Vermarktungsstrukturen, welche im Ausland wirken.
Rasches Agieren bei Anfragen
Wer im Standort der Wettbewerbe punkten will, muss innert vier bis 48 Stunden bei den Interessenten sprichwörtlich "auf der Matte stehen" und seine Vorzüge präsentieren. Deshalb haben andere Landesteile schlagkräftige, kantonsübergreifende Vermarktungsstrukturen geschaffen (Greater Areas), welche zusammen mit dem Schweizer Landesmarketing Jahr für Jahr für eine Auffrischung ihrer Unternehmenslandschaft sorgen. In verschiedenen Weltregionen stationieren diese Areas Repräsentanten, welche das dichte Netz der offiziellen Schweiz in Botschaften und Konsulaten ergänzen.
Die Ostschweiz betreibt zwar eine Area, welche diesen Namen aber kaum verdient. Sie dümpelt unter dem Namen "St.GallenBodenseeArea" eher vor sich her. Wer deren Newsticker verfolgt, findet zwar regelmässig Erfolgsmeldungen von Ausbauvorhaben bereits ansässiger Firmen, aber kaum News zu Ansiedlungserfolgen. Die Politik hält nämlich die Vermarktung der Ostschweiz bewusst klein. Das feine Gebilde hat kaum Budget, und noch weniger Zähne.
Areale entwickeln, auf Vermarktungspower verzichten
Dass die Kantone Thurgau wie St.Gallen neu stärker auf Innovationsvorhaben und ihre Entwicklungsareale setzen, ist begrüssenswert. Doch die Brosamen, die man für einzelne Arealvermarktungen vorsieht, werden kaum reichen. Ohne eine wirksame internationale Promotions-Ebene werden aber Wil-West, ein Innovationspark Ost oder andere Entwicklungsareale im Süden wie Norden der Ostschweiz kaum abheben. Das hat längst auch der Kanton Aargau begriffen, der vor über zehn Jahren aus der Greater Zurich Area austrat, nun aber den Wiedereintritt in eine Area-Struktur prüft. Die Zahl der Leads für internationale Investorenanfragen war nach dem Austritt deutlich eingebrochen. Das man ohne Area-Strukturen im Standortwettbewerb erfolgreich sein kann, beweist dafür der Kanton Luzern, der über ein feinmaschiges Netzwerk clevere Partnerschaften pflegt und überdurchschnittlich oft bei grossen Ansiedlungen punktet.
Starrsinniger Glaube an die Kraft von innen
Werden sie auf ihre Erfolgslosigkeit angesprochen, so beten St.Galler Politiker das immer gleiche Mantra herunter: Man müsse primär dem Bestand Sorge tragen, auf die eigenen Stärken setzen und anderen Landesteilen schon gar nichts nachmachen. Neue Konkurrenz von aussen könnte ja zum Nachteil im Wettbewerb um die Fachkräfte werden. Und genau hierin liegt der grosse Denkfehler: Direktinvestitionen sind eine Art Frischzellenkur, gerade für sklerotische Systeme mit ausbleibendem Strukturwandel. Neue Technologien, Talente und internationale Strukturen beschleunigen die Erneuerung einer Wirtschaftsstruktur. Und je mehr moderne und sinnstiftende Jobs es gibt, umso mehr Talente werden von einem Standort angezogen.
Wem es gelingt, ausländische Investoren vom eigenen Standort zu überzeugen, muss mit Rahmenbedingungen glänzen, welche der bereits ansässigen Wirtschaft bestens schmecken. Eine aktive Ansiedlungspolitik wird so auch gleich zur besten Bestandespflege.
Remo Daguati (*1975) betreut als unabhängiger Berater Standortförderungen sowie Arealentwicklungen im In- wie Ausland. Daneben wirkt er als Geschäftsführer des HEV Kanton und Stadt St.Gallen. Er ist zudem Mitglied (FDP) des Stadtparlaments St.Gallen.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.