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Schwanger während Corona

«Immerhin habe ich nicht das Gefühl, etwas zu verpassen»

Sie ist auf der Zielgeraden ins Mutterglück. Martina Hügi, die Thurgauer Kabarettistin, Autorin und Heilpädagogin erwartet in den nächsten Wochen ihr erstes Kind. Die 36-Jährige erzählt über ihre Schwangerschaft in Zeiten von Corona.

Nadine Linder am 09. Dezember 2021

Welchen Kinderwagen und Wickeltisch wollen wir kaufen, wie und wo soll unser Kind zur Welt kommen und wie soll es heissen? Werdende Eltern stellen sich vielen Frage rund um ihren noch ungeborenen Nachwuchs. In Zeiten von Corona kommen noch einige dazu. Davon kann die Thurgauer Kabarettistin Martina Hügi ein Liedchen singen.

Martina Hügi, in welcher Woche sind Sie schwanger und wann soll es denn so weit sein?

Ich bin in der 37. Woche, also im neunten von zehn Monaten schwanger. Anfang Januar ist der Termin, aber vom Christkind bis zu einem der drei heiligen Könige kann alles geschehen.

Wie geht es Ihnen in der Schwangerschaft?

Eigentlich super, körperlich habe ich kaum Beschwerden und dem «Salto Prä Natale» in mir geht es auch gut.

Emotional ist es aufwühlend und gleicht einer Achterbahn. Der Hormoncocktail gibt mir Hochs und Tiefs und ich fühle mich oft alt, langsam und vergesslich. Daneben gibt es in Broschüren und auf Homepages viele Infos, die mir ein schlechtes Gewissen machen und mehr schaden als helfen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich stressen zu lassen von den Einflüssen von aussen. Ich lerne immer noch, «wegzulesen», wegzuhören und vor allem mir selber viel Zeit und Geduld zu geben, in alle Themen noch hereinzuwachsen. Ausgerechnet das vergesse ich dann genau nicht. Mist!

Zusätzlich haben mir die Umstände wegen Corona, besonders als ich noch geimpft werden durfte, am meisten Bauchweh verursacht.

Wie haben Sie den bekannten Nestbautrieb empfunden und ausgelebt?

Ich bin in im 6. Monat zu meinem Freund nach Zürich gezogen. Ein gemeinsames neues Daheim einzurichten ist sehr intensiv und wäre auch ohne Schwangerschaft ein grosser Schritt.

In punkto Anschaffungen fühle ich mich noch recht rebellisch. Kinder sind ja ein Business, man könnte dran verarmen! Ich denke da an die 500-seitige Broschüre mit den wirklich wichtigsten und nur absolut notwendigsten Dingen zur Erstausstattung.

Mit dem ersten Babyköfferli bekommen Schwangere eine Werbeflut für Inventur, von den modernsten Nuggi-Technologien bis zu aerodynamischen Kinderwagen. Am Ende könnte man sich statt eines Kindes ein neues Auto leisten!

Für uns war dann klar: «Afach nöd!» Vieles bekam und bekomme ich von einer guten Freundin Wie zum Bespiel Babykleidchen und den Rest kaufen mein Freund und ich Second Hand. Oder dann bei Bedarf. Wir überlegen uns, was es denn wirklich braucht. Einen Wickeltisch mit 25 praktischen Ergänzungen? Echt?! Und wenn dann alle schreien, wie gefährlich es ist, so ein Kind zu wickeln ohne dass es runterfällt (wie gesagt – die Infoflut wartet an jeder Ecke!), ist der Boden oder das Bett am Ende die günstigste und sicherste Anschaffung.

Haben Sie Ihre Tasche fürs Spital bereits gepackt oder machen Sie dies spontan?

Die Tasche wird bald gepackt. Das Wichtigste dafür sind dann wohl eh die Snacks und die kaufe ich auch ständig ein, da sie sich immer wieder auflösen…

Und falls sich mein Kind entscheidet, spontan früher zu kommen, ist es halt so. Im schlimmsten Fall würde ich meinem Freund eine Liste mit Dingen zum Mitbringen geben.

Wissen Sie bereits ob sie ein Mädchen oder einen Jungen erwarten oder lassen Sie sich überraschen?

Die Nabelschnur lag acht Monate lang vor dem Schaufenster, nun wissen wir: Es wird ein Mädchen. So langsam können wir uns also mit Namen beschäftigen. Wie gesagt: Es ist ein Prozess und wir geben uns Zeit.

Sie wurden in der Zeit von Corona schwanger. Was bedeutet dies für Sie?

Ich gehörte plötzlich zur Risikogruppe. Dies brachte viele Nachteile oder zusätzliche Belastungen. Ich stellte mir Fragen wie «Ab wann darf ich geimpft werden?», «Muss ich jetzt zehn Monate lang in Isolation?» und «Sind die letzten Ferien ohne Kind überhaupt noch möglich als Schwangere?

Daneben wurden einige Kurse abgesagt oder auf Zoom verlegt. So war das gegenseitige Kennenlernen von anderen bald-Eltern sehr beschränkt. Gleichzeitig ist es für mich aber auch entlastend, wenn viele Anlässe abgesagt werden. So stellt sich kein Gefühl ein etwas zu verpassen. Gerade jetzt, wo mir der Glühwein schon ein bisschen fehlt, finde ich das ganz ok.

Passt man als schwangere Frau in diesen Tagen noch mehr auf wegen einer möglichen Ansteckung?

Ich kann nur für mich sprechen: Absolut! Besonders jetzt, wo es im Schlussspurt auf die Geburt zugeht und Omikron an der Türe klopft! Aber ich will auch sonst nichts angesteckt bekommen, mit Magen-Darm gebären stell ich mir nicht so angenehm vor.

Stellte sich für Sie während der Schwangerschaft die Impffrage und welche Gedanken standen bei für Sie im Vordergrund?

Im Vordergrund stand klar: Mein Kind und mich zu schützen. Und Impfen ist der beste Schutz. Denn vorher (oder auch jetzt wieder) war ich stark exponiert, im öffentlichen Verkehr, beim Unterrichten und bei Auftritten. Wenn sich andere für die ganz persönliche Maskenlockerung entscheiden, bringen sie zwei aufs Mal rücksichtslos in Gefahr.

Ich bin fast durchgedreht und habe den erstmöglichen Termin genommen.

Für welche Geburt haben Sie sich entschieden und warum?

Für eine «normale» Geburt. Wir gehen ins Spital, weil ich mich im Falle eines Falles sicher fühle, dass es dem Kind und mir auch nachher noch gut geht. Meine grösste Angst ist, nicht loslassen zu können und mit dem Kopf gebären zu wollen. Darum versuchen wir es mit «Hypnobirthing», einer Methode zur Entspannung und so wie ich es verstehe – dem Vertrauen in die Fähigkeit des weiblichen Körpers zu gebären. Ohne Saugglocken, Presshammer oder Globuli. Sondern einfach normal.

Denkt man während Corona nicht noch viel eher an eine Hausgeburt um sich den Gefahren einer Ansteckung zu vermeiden?

Ich weiss nicht, ob man das macht. Ich nicht. Im Triemli ist die Frauenklinik eh separat. Besuchende sind nicht erlaubt und somit fühle ich mich relativ sicher. Und falls es uns erwischen täte, was auch bei einer Hausgeburt passieren könnte, wären wir immerhin schon am richtigen Ort.

Wie stellen Sie sich die erste Zeit mit ihrem Baby vor?

Anders als vorstellbar. Möglichst offen: Wir nehmen, was und wie es kommt. Hoffentlich ruhig. Hoffentlich gesund. Hoffentlich bekomm ich den Mund auf, um Hilfe zu fragen und Hilfe anzunehmen, falls nötig.

Möchten Sie nach der Geburt Besuch empfangen oder ist Ihnen dies zu gefährlich wegen Corona?

Es ist eh verboten im Spital. Und alle Hebammen sagen das Gleiche: Das ist der einzige, aber beste Vorteil von Corona: Frauen bekommen endlich die Zeit, ihre Babys in aller Ruhe kennenzulernen, ohne Besucherandrang. Also wenn das so ist, müsste man ja eh einen Lockdown für frische Eltern verordnen.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Nadine Linder

Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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