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Privatklinik als letzter Ausweg?

In Rorschach gilt punkto Spital: Retten, was zu retten ist

Nicht nur in Wattwil, auch in der Region Rorschach wird verzweifelt versucht, das eigene Spital zu bewahren - oder zumindest die Auswirkungen einer Schliessung zu mildern. Zwei Kantonsräte kommen nun mit einer neuen Idee: Der Kanton soll mit einer Privatklinik in Goldach zusammenspannen.

Stefan Millius am 11. September 2020

Die Klinik St.Georg in Goldach ist rein äusserlich ein unübersehbarer Blickfang. Sie hat allerdings eine wechselhafte Geschichte hinter sich. 2018 musste sie den Betrieb einstellen, 40 Leute verloren ihren Job. Grund war mangelnde Rentabilität aufgrund tiefer Fallzahlen, unmittelbarer Auslöser war ein Leistungsauftrag des Kantons St.Gallen, der bis Ende 2018 befristet war, damals also kurz vor dem Auslaufen stand. Eine private Klinikgruppe wollte das Haus übernehmen, aber nur, wenn die Klinik auf der Spitalliste verbleiben würde. Dagegen entschied sich der Kanton aber nach Prüfung der Unterlagen.

Deshalb liegt eine gewisse Ironie darin, dass die Privatklinik nun im Zusammenhang mit dem Kanton wieder aufs Tapet kommt. Und zwar durch eine Einfache Anfrage der Kantonsräte Dominik Gemperle (CVP, Goldach) und Sandro Wasserfallen (SVP, Rorschacherberg). Sie machen darin darauf aufmerksam, dass St.Georg derzeit zum Verkauf steht. Laut den beiden Parlamentariern interessiert sich eine national bekannte und renommierte Anbieterin im Gesundheitswesen für einen Erwerb, «um ambulante und stationäre Dienstleistungen – welche sie ausserkantonal bereits heute erbringt, auch an St. Galler Patientinnen und Patienten – künftig in der Region Rorschach anbieten zu können.»

Sprich: Es soll wieder eine Klinik entstehen. Das aber ausdrücklich in Kooperation mit der regionalen Akut- und Altersmedizin. Letzteres macht durchaus Sinn, da die Klinik direkt neben dem Goldacher Altersheim liegt. Die Vorstellung der beiden Kantonsräte: Die mögliche neue Besitzerin könnte mit den Spitalverbunden zusammenarbeiten und so «einen Beitrag zur wohnortnahen Gesundheitsversorgung leisten.»

Im Grunde ist der Vorstoss eine Abkehr von den Rettungsversuchen fürs Spital Rorschach, die seit jeher nicht so entschieden geführt wurden wie beispielsweise in Wattwil. Dass in einem neuen Spitalmodell das Spital Rorschach als voller Standort je wieder eine Rolle spielen wird, dürfte unwahrscheinlich sein. Die Infrastruktur ist veraltet, eine teure Sanierung wäre nötig - die einst ja eigentlich auch vorgesehen war, die aufgrund der Lage der St.Galler Spitallandschaft aber kaum zu stemmen ist. Retten, was zu retten ist: Das ist mittlerweile die Devise.

Auf diese Weise, das dürfte die Überlegung der Kantonsräte sein, liesse sich die Gesundheitsversorgung direkt in der Region dennnoch sicherstellen. Schon früher hatte die Klinik St.Georg ja eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton, diese würde gewissermassen reaktiviert. Zudem würden nicht einfach alle am Spital Rorschach nicht mehr benötigten Arbeitsplätze aus der Region verschwinden.

Bisher war die Regierung zusammen mit dem Verwaltungsrat der Spitalverbunde stets sehr zurückhaltend, wenn Regionen eine Zusammenarbeit mit Privaten vorsah. Im Fall von Flawil gibt es auch konkrete entsprechende Vorschläge, die aber keinen Anklang fanden. Anders sieht es in Wattwil aus, dort gibt es konkrete Pläne, Gebäulichkeiten an Private zu verkaufen, allerdings im Bereich der spezialisierten Pflege. So will man die Gefahr umgehen, sich selbst Konkurrenz aufzubauen.

Diese Gefahr sehen Gemperli und Wasserfallen bei ihrem Vorschlag nicht, «da die Interessentin bereits heute eine grosse Anzahl von St. Galler Patientinnen und Patienten betreut, allerdings ausserkantonal und damit ohne Wertschöpfung für die Gemeinden am See oder den Kanton.» Man würde also gewissermassen sogar die «untreuen» Patienten in den eigenen Kanton zurückbringen.

In der Einfachen Anfrage wollen die Kantonsräte unter anderem wissen, ob die Regierung bereit ist, die Situation in Goldach zu prüfen und der privaten Anbieterin einen Leistungsauftrag zu erteilen. Es mache keinen Sinn, heisst es weiter, «eine vorzüglich ausgestattete Spitalinfrastruktur nicht zu nutzen und mit einem solchen Entscheid auf einen Beitrag zur wohnortnahen Gesundheitsversorgung, Steuersubstrat, Arbeitsplätze und viel Wertschöpfung für die Region und den ganzen Kanton zu verzichten.»

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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