Drei Fremde, ein Einheimischer, eine Katze - und ganz viel Wurst. Willkommen am Bratwurststand.
Die drei Männer assen schnell am Stehtisch vor dem Bratwurst-Stand und schienen einen Wettbewerb abzuhalten, wer denn am schnellsten fertig ist, obwohl das Objekt der Begierde noch sehr heiss war.
Fast gleichzeitig stoppten sie, liessen den Dampf aus ihren Mündern ab und begannen ein Gespräch in rudimentärem Deutsch, offensichtlich stammten sie aus drei verschiedenen Sprachregionen. «Bratwurscht hier nix gut …», alle nickten als Zustimmung. «… bei uns Wurscht mehr besser, viel, viel Paprika …»
Die beiden anderen schüttelten heftig den Kopf: «Wurscht muss haben Fett und Oregano…» – «Oregano oh bäääh, Fett nix gut, zu viel …»
Die Diskussion wurde heftiger und so laut, dass eine Eskalation nicht mehr auszuschliessen war. Sie fuchtelten mit den halben Bratwürsten wie mit Dolchen, erste Beschimpfungen kamen auf und genau in diesem Moment machte sich eine schwarze Katze unter dem Tisch mit herzzereissendem Miauen bemerkbar. Alle drei zupften ein Stück Haut von der Wurst und warfen sie kommentarlos nach unten.
Die Katze war nun still, ihre heisse Diskussion zu Ende. Sie wechselten nahtlos zum nächsten Thema: die Bedeutung einer Katze. Der Erste imitierte einen Fusstritt unter den Tisch: «Katze weg, stinkstink.» Die beiden anderen waren anderer Meinung: «Mama, im Bett …», weiter kam er nicht mangels Deutschkenntnissen und zeigte unter ungelenken Gesten, dass sie Katzenfell im Winter zum Wärmen benutzte.
Und schliesslich der überraschende Dritte: Er nahm die Katze hoch, setzte sie sanft auf den Tisch, streichelte sie liebevoll und gab ihr den Rest seiner Wurst. Verwirrte Blicke.
Ein Einheimischer hatte die Szene beobachtet, stellte sich zu ihnen an den Tisch, verbrannte mit einem hämischen Lächeln absichtlich der Katze mit seiner heissen Wurst die Nase, trat einen Schritt zurück, imitierte mit beiden Armen ein Gewehr, zielte auf sie und schrie dreimal. «Bummbumm!»
Blankes Entsetzen rundum. Der Ausländer mit der Oregano-Wurst protestierte sofort in seinem besten Deutsch: «Du sein hier in friedlich Nation, nix bei uns!»
Wolf Buchinger (*1943) studierte an der Universität Saarbrücken Germanistik und Geografie. Er arbeitete 25 Jahre als Sekundarlehrer in St. Gallen und im Pestalozzidorf Trogen. Seit 1994 ist er als Coach und Kommunikationstrainer im Management tätig. Sein literarisches Werk umfasst Kurzgeschichten, Gedichte, Romane, Fachbücher und Theaterstücke. Er wohnt in Erlen (TG).
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