Spätestens seitdem die Klimajugend vom Bundesplatz nicht an der freitäglichen Fernseh-Arena teilnehmen will, frage ich mich: Was ist eigentlich ein Klimaleugner? Und was ein Aktivist?
Die Klimaaktivisten vom Bundesplatz wollen scheint’s nicht an der freitäglichen SRF-Diskussionssendung «Arena» teilenehmen. Weil da auch Leute wie Roger Köppel teilnehmen. Und der sei bekanntlich ein «Klimaleugner». Spätestens jetzt fange ich an, über die Bezeichnungen nachzudenken, die wir – den Medien nachplappernd – täglich in den Mund nehmen. Klimaleugner – das ist ja eigentlich ein grotesker Begriff. Nicht einmal Roger Köppel leugnet, dass das Klima existiert.
Aber so ist das natürlich nicht gemeint. Klimaleugner leugnen in den Augen derer, die das Wort gebrauchen, die – katastrophale – Wahrheit über den Zustand des Klimas. Und wer die Wahrheit besitzt, braucht mit Ungläubigen nicht diskutieren. Da ist Köppels Vergleich der Klimaaktivisten mit Kindersoldaten auf einem Kinderkreuzzug doch nicht so abwegig: Im Jahr 1212 machten sich Tausende von Kindern und Jugendlichen auf den Weg, um das Heilige Land von den Ungläubigen zurückzuerobern, nachdem dies den erwachsenen Kreuzzüglern nicht gelungen war. Der Glaube allein half aber nicht sehr weit: Der Kinderkreuzzug endete irgendwo in Italien am Mittelmeer.
Spannender wird es beim «Aktivisten». Ein Aktivist ist nicht einfach aktiv. Sondern aktiver als aktiv. In der Sowjetunion und der DDR hatte der Begriff Konjunktur. Besonders aktive Werktätige wie Stachanow oder Adolf Hennecke, die in ihren Schichten das Produktions-Soll mehrfach übererfüllten, wurden zu Vorbildern der ganzen sozialistischen Arbeitswelt hochstilisiert. Wer ihnen erfolgreich nacheiferte, wurde als «verdienter Aktivist der sozialistischen Arbeit» gefeiert. So viel Schweiss muten sich unsere Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die sonst zumeist am Gymi oder an der Uni die Schulbank drücken, auf ihren recht fröhlichen Demonstrations-Camps denn doch nicht zu.
Überdurchschnittliches Engagement für hohe Ziele ist gewiss nicht per se negativ. Und es ist das Vorrecht der Jugend, diese Ziele etwas oberhalb der Realität anzusetzen. So, wie es die protestierenden Pariser Studenten im Mai 1968 den Renault-Arbeitern von Billancourt zuriefen: «Soyez réaliste, demandez l’impossible!» Dem zum Klassiker gewordenen Slogan wohnte allerdings eine gewisse Ironie inne, die im Geheimen weiss: Nicht alles, was wir fordern, ist erfüllbar. 1980 hiess das dann in Zürich noch deutlich ironischer: «Nieder mit den Alpen! Freie Sicht aufs Mittelmeer!» Man war bewegt. Aber wohin, das war nicht so klar.
Von diesem gebrochenen Bewusstsein scheint die sogenannte Klimajugend heute unbeleckt zu sein. Sie stellt ihre Forderungen mit einer Gewissheit, die sich im Besitz der ganzen Wahrheit weiss. Und sich deshalb auf keinen Meinungsstreit mehr einlassen muss. Jedenfalls, siehe «Arena», nicht mit Leuten, die nicht ihrer Meinung sind.
Gottlieb F. Höpli (* 1943) wuchs auf einem Bauernhof in Wängi (TG) auf. A-Matur an der Kantonssschule Frauenfeld. Studien der Germanistik, Publizistik und Sozialwissenschaften in Zürich und Berlin, Liz.arbeit über den Theaterkritiker Alfred Kerr.
1968-78 journalistische Lehr- und Wanderjahre für Schweizer und deutsche Blätter (u.a. Thurgauer Zeitung, St.Galler Tagblatt) und das Schweizer Fernsehen. 1978-1994 Inlandredaktor NZZ; 1994-2009 Chefredaktor St.Galler Tagblatt. Bücher u.a.: Heute kein Fussball … und andere Tagblatt-Texte gegen den Strom; wohnt in Teufen AR.
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