logo

Leben wie im Süden

Lifestyle: Eine Meeresbrise weht durch die Innenstädte

Seit der Jahrtausendwende stellen Forschende in den Städten einen Wandel zur südlich inspirierten Lebensweise fest. Gelati stracciatella und Latte macchiato unter freiem Himmel bringen neue Herausforderungen für den urbanen Raum mit sich.

Adrian Zeller am 17. September 2023

Forscherinnen und Forscher haben auf Luftaufnahmen die Anzahl der Sonnenschirme vor Gastronomiebetrieben in Städten gezählt. In den letzten Jahren haben sie sich erkennbar vermehrt. Auch die Anzahl der Aussen-Sitzplätze bei Cafés, Pizzerias und Imbissständen haben messbar zugenommen; die Schutzkonzepte während der Pandemie dürften bei dieser Entwicklung mitgespielt haben.

Das vermehrte Verweilen im Freien bezeichnen die Wissenschaftler als Mediterranisierung der Städte. Das beliebte Fahren mit der Vespa sowie die Vorliebe für Espresso, Prosecco und Aperol Spritz sind weitere Anzeichen des verstärkten südlichen Flairs, das man von Rapperswil bis Kreuzlingen feststellen kann. In der Statistik fällt zudem auf, dass der Import von italienischem Reibkäse zugenommen hat.

Dass die südländisch inspirierte Lebensweise beim Publikum auf immer mehr Gegenliebe stösst, hat mit einem allmählichen Mentalitätswandel zu tun, glauben Forscher der Berliner Humboldt-Universität.

Gewandelte Zusammenkünfte

Als Gründe für das sich verändernde Lebensgefühls in Mitteleuropa, erkennen die Wissenschaftler ein Bündel von Ursachen: zunächst ist da die Zuwanderung, die das Menüangebot immer vielfältiger werden lässt. Tapas und Faijtas haben längst ihren exotischen Touch verloren. Mit Freunden trifft man sich mittlerweile zur Tavolata. Und wo einst Quartierbewohner am Stammtisch politisierten, steht jetzt ein Pizzaofen.

Die Mediziner ihrerseits empfehlen die Mittelmeer-Diät mit viel Fisch, Gemüse und Olivenöl, die Schlaganfälle, Diabetes, Herzprobleme vorbeugt.

Neue Vorlieben in der Verpflegung

Ein weiterer Grund für das Italien-Flair im Alltag, ist der Tourismus: die Einwohner der Schweiz gehören zu den reisefreudigsten Völkern der Welt, gewachsene Sympathie für griechischen Salat, Fruta di mare sowie Tomaten mit Mozzarella und Basilikum sind die Folgen. Was man auf Elba, Fuerteventura oder Kreta genossen hat, möchte man zuhause als eine Prise Ferienstimmung nicht missen. Hinzu kommt der Trend zur Verpflegen unterwegs: Focaccia ist in der schnelllebigen Zeit die handliche Alternative zum Hackbraten mit Kartoffelstock in der Firmenkantine.

Für die Forscher gibt es weitere Gründe für eine Brise Mittelmeer im Alltag: die Menschen wollen sich weniger festlegen als früher, dank der Digitalisierung werden die Grenzen zwischen der Arbeitswelt und der Freizeit fliessender, die Förmlichkeiten werden aufgeweicht. Für das Entwickeln eines kreativen Businesskonzeptes braucht es nicht unbedingt ein Sitzungszimmer, auch ein lauschiges Plätzchen unter einem Sonnenschirm beflügelt die Fantasie. Und das Geschäftsessen eines Startups kann auch mal der Pizzaservice vorbeibringen.

Wärmere Sommer

Die Entwicklung in Richtung südlicher Lebensstil, wird gemäss den Wissenschaftlern auch von der Klimaerwärmung begünstigt. Die Forscher rechnen in den kommenden Jahren mit noch mehr Sommertagen, an denen das Thermometer über 25 Grad steigt. Und auch die Tropennächte werden laut Metrologie häufiger.

Die Kehrseite der Medaille

Nicht immer bleibt die Dolce far niente-Stimmung ungetrübt, der Trend zu mehr Alltag im Freien bringt unerwünschte Nebenerscheinungen mit sich. Nicht alle, die sich unkompliziert verköstigen, entsorgen ihre Pizzaschachteln und Energydrink-Dosen in den Abfallkübeln. Der Unterhalt des öffentlichen Raums muss intensiviert werden.

Medi

Laut Medienberichten mehren sich in verschiedenen Schweizer Städten die Reklamationen betreffend Uringestank im öffentlichen Raum. Im Weiteren nerven sich die Bewohner über nächtlichen Lärm.

Innerstädtische Lebensqualität

Auch wenn die zunehmende Italianità in Schweizer Städten die Spannungen zwischen Ruhebedürftigen und Nachtschwärmern steigert, werten die Forscher den Trend zum südlichen Lebensstil als positiv. Er trage zu einer Aufwertung der Innenstädte bei, weil er den öffentlichen Bereich attraktiver mache und auch Quartiere belebe, in denen ansonsten nach Büroschluss kaum mehr Menschen anzutreffen sind.

Fotonachweis: PD; Adrian Zeller

Highlights

Missbrauch in der Kirche

«Ich bin innerlich zerrissen»: Vreni Peterer wurde als Kind von einem Pfarrer vergewaltigt

am 22. Sep 2023
Personaltag

Matthias Mölleney sicher: «Dieser Tausch der Bezeichnungen würde die aktuelle Machtverschiebung auf dem Arbeitsmarkt verdeutlichen»

am 03. Jul 2023
Barbara Ehrbar-Sutter

Metzgerin des Jahres: «Die heutige Fleischverarbeitung ist sehr interessant»

am 05. Jul 2023
Die junge Generation setzt auf andere Werte

Die Freisinnigen ändern ihre Strategie: Mehr Schönheit, weniger Staat

am 26. Sep 2023
Gault&Millau 2024

Der Beste regiert im «Mammertsberg»: Der Schweizer Koch des Jahres 2024 sucht noch eine Wohnung

am 25. Sep 2023
Gastkommentar

Das Winterstrom-Dilemma der Schweiz

am 25. Sep 2023
Stadt trifft Land an der OLMA

Das sind die Highlights der diesjährigen OLMA

am 26. Sep 2023
Gesundheitskosten

Starker Anstieg der Krankenkassenprämien in der Ostschweiz

am 26. Sep 2023
Höplis Medienradar

Empörungsbewirtschaftung der Kirchenfernen. Stramm auf Linie der Stadtpolitik. Und vom Recht auf acht Stunden Babyschlaf.

am 22. Sep 2023
Gastkommentar zu den Nationalratswahlen

Wen kann man noch wählen, wenn man Individualfreiheit liebt?

am 23. Sep 2023
«Anpfiff» - die FCSG-Kolumne von Markus Scherrer

Unentschieden gegen die Grasshoppers: Alles eine Frage der Einschätzung

am 24. Sep 2023
Apfelernte im Thurgau

Ertragsausfall bei Mostobst: So verheerend war das Unwetter am 24. August 2023

am 23. Sep 2023
Einfache Anfrage

Massive Übergriffe an der «Domino Servite-Schule»: Ist der Kanton nun zur Aufarbeitung bereit?

am 25. Sep 2023
Geschlechterkampf auf vier Rädern

Das Auto als Mordwerkzeug ist bei beiden Geschlechtern gleich beliebt

am 24. Sep 2023
VIDEO

Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche: Der Teufener Pfarrer ist bestürzt und zornig

am 18. Sep 2023
Grosser Mehraufwand

Gewalttätige Staatsverweigerer: «Da flog auch schon ein Bürostuhl an die Glasscheibe»

am 22. Sep 2023
Erster Stolperstein im Kanton St.Gallen

Im Gedenken an Arthur Bernhard Vogt – von den Nazis 1944 hingerichtet

am 18. Sep 2023
Aggressionen beim Amateurfussball

Gewalt auf dem Fussballplatz: Wenn Besserwisser auf übermotivierte Eltern treffen

am 20. Sep 2023
Weissrusse in St.Gallen vor Gericht

HSG-Osteuropaexperte Ulrich Schmid: «Lukaschenko versucht seit je her, das Verschwinden von Oppositionspolitikern unter den Teppich zu kehren»

am 20. Sep 2023
Volksschule

Stefan Köllikers Ideen zur Bekämpfung des Lehrermangels sind umstritten

am 15. Sep 2023
Eine Entgegnung zum Vorschlag des SVP-Politikers

Herr Regierungsrat Kölliker, es sollten andere Massnahmen ergriffen werden, um den Lehrpersonenmangel zu bekämpfen

am 19. Sep 2023
Startup-Förderin Janine Brühwiler

Wie man der eigene Chef wird: Von falscher Motivation und weiteren Knacknüssen

am 21. Sep 2023
Nach Vorwürfen zu sexuellem Missbrauch

Schweizer Bischöfe feiern Gottesdienst in St.Gallen: «Etz lueg emol, die Press»

am 19. Sep 2023
Sabrina Sauder

Diese Ostschweizerin singt vor Ronan Keating

am 21. Sep 2023
Von «Die Ostschweiz»

Menschen, Emotionen, Hintergründe – Die neue Printausgabe ist erschienen

am 19. Sep 2023
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Adrian Zeller

Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.