logo

IST-CEO Mirko Lehmann im Gespräch

«Man denkt hier zu klein»

Es ist eines der innovativsten Unternehmen im Toggenburg, gar in der gesamten Ostschweiz. Und wenn eine Firma Sensorelemente herstellt und rund 400 Mitarbeitende beschäftigt, stellt man sich unweigerlich die Frage: Wieso tut sie das in Ebnat-Kappel?

Marcel Baumgartner am 07. Mai 2020

Die Innovative Sensor Technology IST AG wurde 1991 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Ebnat-Kappel. Mit circa 400 Mitarbeitenden ist sie eine der führenden Sensorspezialistinnen.

Mirko Lehmann, die IST AG stellt Sensorelemente für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche her. Wo kommen diese in erster Linie zum Einsatz?

Wir sind der einzige Anbieter, der physikalische, chemische und biologische Sensoren entwickelt und herstellt. Die Anwendungen sind nicht eingrenzbar, wir machen Technologien für alle Industrien und sind nicht auf eine Branche bzw. Industrie spezialisiert. Unsere Produkte werden in Messinstrumenten eingebaut, die beispielsweise Temperatur, Strömung, Feuchte oder Leitfähigkeit messen. Und wir unterstützen Firmen dabei, deren Produkte, Fertigung oder Maschinen zu kontrollieren.

Inwiefern komme ich als Privatperson in Kontakt mit Ihren Produkten?

Bei Sensoren, die im Gebäude sind, wie Waschmaschinen, Heizung, Kühlschrank, Kochherd oder Fieberthermometer. Oder wenn Sie abends an den Sternehimmel schauen und einen Satelliten sehen. Ebenso, wenn Sie zum Arzt gehen und beispielsweise Glukose gemessen wird.

IST AG

Das Unternehmen ist bereits 1991 in den Sensormarkt eingetreten. Wie hat sich die Technologie in den vergangenen rund 30 Jahren verändert?

Manches ist gleichgeblieben, da sich Gutes gerade in der Sensorik oft bewährt und weiter fortlebt und sich evolutiv entwickelt. Neue Technologien kommen aber immer hinzu und sind auch für uns als Schweizer Unternehmen die einzige Chance, um zu überleben. Innovation – das heisst, mutig zu sein, eigene Schritte zu gehen und der Konkurrenz bei manchem, aber nicht bei allem, voraus zu sein – ist die Möglichkeit, auch in der Schweiz mit den hohen Lohnkosten erfolgreich zu sein.

Ist es der IST AG stets gelungen, bei den massgeblichen Fortschritten mitzuhalten oder gab es auch Entwicklungen, bei denen man quasi einen Spurt hinlegen musste, um den Anschluss nicht zu verpassen?

Man kann nicht bei allem der Beste sein. Bei manchen Dingen sehen wir die Konkurrenz besser, bei anderen Dingen uns. Generell sind die Dinge, die wir selbst anstossen natürlich dann auch nachhaltiger, das heisst wir haben einen Vorsprung. Bei diesen Innovationen ist es aber auch oft so, dass man da auf die Zukunft eine Wette abschliesst und dies auch schief gehen kann. Wie in den meisten Firmen ist es immer eine Balance zwischen «Exploit und Explore». Neben unserer serienmässigen Produktion ist die Herstellung kundenspezifischer Sensoren eines unserer Hauptstandbeine. Dabei arbeiten unsere Spezialisten immer sehr eng mit unseren Kunden an individuellen Lösungen für deren Anwendungen und sind damit quasi an der «Quelle der Kundenbedürfnisse» und deren neuer Technologien. So entwickeln wir immer um die 200 neue Produkte im Jahr.

IST AG

Nun hat das Toggenburg ja nicht gerade den Ruf, eine Art «Silicon Valley» der Ostschweiz zu sein. Hier versucht eher das Rheintal, entsprechende Firmen anzulocken. Was hält Sie in der Region?

Wir sind international tätig, der generelle Ruf des Toggenburgs hilft uns nicht bei unseren Geschäften. So sehen wir uns als internationales, in der Ostschweiz tätiges Unternehmen und präsentieren uns auch so. Wir haben hier sehr viele ausländische Gäste, die es geniessen, bei uns und in der schönen Umgebung zu sein. Die Hotelversorgung ist aber sehr schlecht, und wir müssen da sehr kreativ sein, um unsere etwa 500 Übernachtungen unterzubringen.

Die schöne Landschaft hilft uns aber auch neue Mitarbeiter zu finden. Wir sind in der Region geblieben, weil hier unsere Mitarbeiter wohnen. Wenn man eine solche Firma neu aufbauen würde, würde man sie nicht hier gründen, sondern in der Nähe einer Universität. Die Region hat aber sehr viel Potential, deshalb sind wir auch hiergeblieben. Leider aber steht sie sich viel zu oft selbst im Weg und geht nicht in die gemeinsame Richtung, um den Ruf und die Marke zu verbessern. Der Bergbahnenstreit ist so ein Beispiel. Er ist zwar thematisch und auch räumlich weit weg aber er beschädigt den Ruf des Toggenburgs leider weiter. Und nur, um das klar zu stellen, einen Konflikt zu haben und ihn auszutragen ist in Ordnung, aber bitte nicht in der Öffentlichkeit. Als IHK -orstand und Unternehmer in der Region sehe ich aber auch politisch eine grosse Möglichkeit darin, dass man über Gemeinde- und Arbeitgebervereinigungsfusionen mit einer Stimme auftreten könnte. Aber ich denke, das braucht noch eine Generation, um dies wirklich auch in den Köpfen klar zu bekommen.

2012 ist das Unternehmen von Wattwil nach Ebnat-Kappel umgezogen, also weg von der eigentlichen Hauptverkehrsachse. Hat Sie das Fachkräfte gekostet?

Nein, wir müssen unseren Arbeitsplatz so gestalten, dass es passt. Und das Gebäude in Ebnat ist wirklich sehr schön, mit Fitnessstudio, tollem Ausblick und technisch auf dem höchsten Stand. Das hilft Fachkräfte zu bekommen. Das Problem ist aber, dass wir bei den Fachkräften vermehrt Pendler haben, die nicht im Toggenburg wohnen wollen. Wohnen und Arbeiten am selben Ort, so wie es auch die IHK in Ihrer Zukunftsagenda definiert hat, ist wirklich etwas, hinter dem ich stehe. Aber für das Toggenburg ist dies noch ein weiter Weg. Die Gründe habe ich vorher kurz genannt, aber im Prinzip ist das Toggenburg nicht attraktiv genug für manche Mitarbeiter. Die fahren lieber 30 Minuten mit der Bahn.

Wie schwer ist es grundsätzlich für Sie, Stellen besetzen zu können, die ein hohes Branchenwissen voraussetzen?

Das ist nicht einfach. Das ist es aber auch nicht für Firmen in Basel oder in Deutschland. Das braucht Geduld, ein gutes Netzwerk sowie einen interessanten Aufgabenbereich mit guten Arbeitsbedingungen.

IST AG

Sie dürften sich bewusst darüber sein, wie wichtig ihr Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze für das Toggenburg sind. Wird diesem Umstand von politischer Seite her genügend Rechnung getragen?

Als wir von Wattwil nach Ebnat gingen, war ein grosser Aufschrei in Wattwil zu hören. Ich habe dann nur gesagt, dass wir hier in der Region keinen einzigen Kunden haben und, dass das Bekenntnis zum Toggenburg schon auch etwas ist. Man denkt hier viel zu klein. Bei den Bewilligungen für den Neubau haben wir sowohl von der Gemeinde als auch vom Kanton sehr gute Unterstützung bekommen, das lief wirklich sehr gut.

Wir haben es erwähnt, das Unternehmen kann nächstes Jahr bereits sein 30-Jahre-Jubiläum feiern. Welche Entwicklungen stehen an? Welche Visionen und Strategien verfolgen Sie für die nahe Zukunft?

Im Bereich physikalisch, chemische und biologische Sensoren steht sehr viel an, und wir werden uns durch Firmenkäufe und eigene Entwicklungen weiterentwickeln, um auch weiterhin ein guter Arbeitgeber, Partner, Lieferant, Kunde und Steuerzahler in der Ostschweiz zu sein.

IST AG

Highlights

Autor Dani Egger

Schicksale im Zweiten Weltkrieg: Dieser Ostschweizer hat ihnen ein ganzes Buch gewidmet

am 17. Apr 2024
Rechtsextremismus

Nazi-Konzert im Toggenburg: Die organisierte Kriminalität mischte mit

am 13. Apr 2024
EGMR-Rüge für die Schweiz

«Klimaseniorinnen» spielen ein unehrliches Spiel

am 12. Apr 2024
Zweiter Wahlgang in St.Gallen

Angriff der SVP gescheitert: Bettina Surber (SP) und Christof Hartmann (SVP) ziehen in die St.Galler Regierung ein

am 14. Apr 2024
St.Galler Regierungsratswahlen

Bettina Surber liefert 98 Prozent und zeigt damit der SVP, wie es geht

am 14. Apr 2024
Schwierige Kindheit

Mutiger Blick zurück: Wie Peter Gross seine Vergangenheit in einem Buch verarbeitet und damit auf Missstände der IV aufmerksam machen möchte

am 18. Apr 2024
«Meister im Verdrängen»

Musiker Kuno Schedler: «Ich wollte eigentlich Chef der Brauerei Schützengarten werden»

am 12. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel: «Zunehmend schwierige Zeiten. Die Lösung? Weniger Staat!»

am 15. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini: «Wir haben immer mehr Stress für höchstens gleich viel im Portemonnaie»

am 12. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

SVP-Nationalrat Pascal Schmid: «Wir müssen den Kurs rasch ändern»

am 16. Apr 2024
Appenzell Ausserrhoden zieht positive Bilanz

So etwas gab es noch nie: Wegen Windböen konnte der Böögg am Sechseläuten nicht angezündet werden – Nun ist Appenzell am Zug

am 16. Apr 2024
René Steiner, Präsident der ASTAG Ostschweiz

Weshalb es den klassischen «rauhen» Fuhrhalter von früher nicht mehr gibt

am 15. Apr 2024
Bestes Restaurant

1112 Google-Rezensionen sprechen für sich: Das griechische Restaurant Greco in St.Gallen wird mit einem Award ausgezeichnet

am 14. Apr 2024
Da stimmt was nicht

«Bericht zur sozialen Ungleichheit 2024»: Eine Nichtregierungsorganisation rechnet sich ins Nirvana

am 16. Apr 2024
Gastkommentar

Schulden der USA explodieren – können Aktien und Bitcoin davon profitieren?

am 17. Apr 2024
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.