Tragen Sie schon eine Maske oder gefährden Sie noch? Wenn ja, warum nicht, und vor allem: wo? Und aus Papier oder Tuch? Mit Desinfektionsmittel oder ohne?
Die Schweizer sind ein diszipliniertes Völkchen. Vielleicht in Richtung Westen oder Süden nicht ganz so wie in der Deutschschweiz.
Aber wenn es Anordnungen gibt, dann fügen sich die Eidgenossen und kaufen stapelweise WC-Papier. Es ist bis heute nicht ergründet, ob dieser Bedarf darauf zurückzuführen ist, dass die Pandemie im wahrsten Sinne des Wortes Schiss macht, oder ob es einfach Ausdruck eines erhöhten Reinlichkeitsbedürfnisses ist.
Aber die WC-Krise ist überstanden, kein Konsument erbleicht mehr vor leeren Regalen oder verfällt in Schnappatmung, wenn sein Lieblingssaft gerade nicht vorrätig ist. Auch eher bedrohliche Zahlen aus der Wirtschaft lassen die meisten Schweizer kalt. Beziehungsweise hindern sie nicht daran, den Sommer zu geniessen. Mindestens 100 Milliarden Schadensbilanz durch den Lockdown? Fast jeder zweite Werktätige in Kurzarbeit? Na und?
Echte Probleme des Lebens sind doch, wie man dann im ÖV eine kühlende Glace verspeisen kann. So unter dem Mundschutz. Vielleicht sollte man eine Niqab- oder Burkaträgerin fragen, wie das geht.
Fast so schlimm wie im grossen Kanton im Norden erweckt die Maskenpflicht auch den Oberlehrer in jedem Schweizer. Wer – aus welchen Gründen auch immer – keinen Mundschutz trägt, wird mindestens mit strafenden Blicken durchbohrt. Oder verbal zurechtgewiesen. Oder gar körperlich bedroht.
Früher fragte in jedem besseren Laden in den USA der Mitarbeiter, der für den Kunden die Ware einpackte: Papier oder Plastik? Eine ähnliche Debatte ist in der Schweiz ausgebrochen.
Welches Material bei der Filtertüte soll es denn sein? Welche Zertifizierung verschafft Sicherheit? Darf es Stoff sein oder müssen es Einweg-Masken sein? Und wenn ja, wie entsorgt man die fachgerecht? Soll man auf der Maske ein modisches Signal setzen, mit einem aufgedruckten Logo klarmachen, dass man ein Label-Depp ist, der für das gleiche Produkt einfach gerne zehnmal mehr zahlt?
Oder soll man die Maske mit aufmunternden Sprüchen verzieren? «Dahinter lächle ich», «Mein Mundgeruch bringt mich um»? Oder mein Liebling: «Bevor du fragst: NEIN.» Wie steht es eigentlich um die Kosten; wie kann eine vierköpfige Familie, die pro Tag acht Masken verbraucht, das finanziell überhaupt stemmen?
Und die Frage aller Fragen: Schützen Hygiene-Masken nun oder nicht? Schützen sie vor Ansteckung oder schützen sie die anderen vor einem Infizierten? Und woher weiss man, dass das Gegenüber die gleiche Einwegmaske nicht aus Spargründen seit Anfang Juni benutzt? Und wer haftet eigentlich, wenn man im ÖV angesteckt wird? Das muss doch jemand bezahlen, wo bleibt die Verantwortung?
Und wenn wir schon bei dieser wichtigen Frage sind: Wie steht es mit der Eigenverantwortung? Warum muss die Allgemeinheit zahlen, wenn sich jemand fahrlässig bei Balztänzen im Club und oben ohne ansteckt? Soll ja in fast jedem zweiten Fall die Ursache sein.
Oh, nein, das Bundesamt für Gesundheit hat ja seine Fake News vom Wochenende schon wieder korrigiert. Am häufigsten steckt man sich in der Familie an. Gibt es schon den Scheidungsgrund Corona? Sollte man daher nicht nur im ÖV, sondern vor allem zu Hause immer eine Maske tragen? Geht das auch im Schlaf, oder behindert das die Atmung oder das Schnarchen?
Eigentlich wollen wir es ja recht machen, das ist Teil der Schweizer Mentalität. Aber wenn es so viele Fragen, so viele Unsicherheiten gibt, selbst Mr. Corona Daniel Koch schon mal einen besseren Ruf hatte, selbst das entschlossene Gesicht von Bundesrat Alain Berset schon vertrauenserweckender war: Wer orientiert uns, wer klärt die Sachlage, wer hilft?
Vielleicht die Telefonseelsorge? Pro Patria? Die Wissenschaft? Die nächste Polizeiwache? Der Leserreporter? Niemand weiss nichts Genaues. Einen solchen Zustand hält der tapferste Eidgenosse auf Dauer nicht aus.
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