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Schulferienstress für nicht geimpfte Eltern

«Mein Kind geht auf Wanderschaft»

Kein Kino, kein Trampolinpark und auch kein Hallenbad. Ungeimpfte haben keinen Zutritt. Darunter sind auch ungeimpfte  Eltern, deren Kinder gerade Herbstferien haben und gerne etwas unternehmen möchten. Keine einfache Familiensituation.

Nadine Linder am 06. Oktober 2021

Die Kinder zählen die Tage, die Eltern auch. Schulferien. Wenn die Sprösslinge drei Wochen Herbstferien haben und es draussen nass, trüb und kühl ist, kann dies für Eltern ziemlich anstrengend werden. Insbesondere noch schwieriger wird es für nicht geimpfte Eltern, die mit ihrem Nachwuchs weder in einen Vergnügungspark, ins Kino noch  in ein Museum gehen können. So geht es auch der alleinerziehenden Mutter Sarah Weya aus Leuzigen. Sie hat sich für ihre 12-jährige Tochter Lara deshalb etwas Spezielles ausgedacht.

Ein Erfahrungsbericht darüber, mit welchen Hürden ungeimpfte Schweizer Eltern momentan zu kämpfen haben; wie es zurzeit so vielen Eltern in der Schweiz geht.

Ich bin alleinerziehende Mutter einer pubertierenden Tochter. Und ich bin im Homeoffice. Dies bedeutet, ich stehe morgens vorsichtig und leise auf, damit mein Kind nicht erwacht. Schliesslich brauche ich ein wenig Zeit, meinen Tätigkeiten nachzugehen.

Ich ertappe mich dabei, dass ich mir mein morgendliches Bedürfnis so lange wie möglich verkneife, weil sie die WC-Spülung ja wecken könnte.

Eine Woche ist bereits fast überstanden und ich durfte mir während der Arbeit unzählige TikTok Tänze, gebastelte Minihäuser sowie Entschuldigungsbriefe für einige ihrer Ausraster ansehen.

Ausraster, weil meine geimpfte Schwester Fotos und Videos ihrer Strandferien in Italien in den Whatsapp-Familienchat stellt. Dementsprechend gross ist der Neid, wenn der Cousin und die Cousine meiner Tochter fröhlich im Salzwasser mit den Wellen spielen.

Mir wurde anfangs Ferien bewusst, dass mir nur noch von 8 bis etwa 11 Uhr Zeit für mich selbst zur Verfügung steht. Um 11 Uhr gehe ich in die Küche, damit sich die Frage «Was gibt es zu essen?» bereits erübrigt. Die zweite Frage «Was machen wir heute?» kommt unmittelbar nach der ersten Gabelladung. Die Antwort: «Ich weiss es nicht», zählt nicht. Danach erstellte ich eine Liste mit allen Dingen, die uns als sogenannte «Impfverweigerer» noch zur Verfügung stehen.

Die Liste wurde bis auf Minigolf abgelehnt. Ich kann es meiner Tochter nicht verübeln, da ich selber meine kindlichen Wandererinnerungen erst mit 30 Jahren verarbeitet und das Schöne am Wandern nochmals neu entdeckt habe. Eine Fluchtmöglichkeit in die Ruhe. Aber das brauchen 12-jährige digitalisierte TikTok-Fans nicht!

Somit habe ich beschlossen, meiner Tochter einen Wanderaufenthalt von Ort zu Ort zu ermöglichen. Sie geht in unserem Familien- und Bekanntenkreis auf Reisen. Sozusagen ein Roadtrip durch die Liebe. Von der besten Freundin, Vater, Grosseltern bis zur Urgrossmutter inklusive Übernachtung mit Speis und Trank. Ich werde jeweils die Kleider waschen und die Tasche je nach Wetter neu packen.

Obwohl ich nicht gerne Minigolf spiele, habe ich mit dieser Idee mit einem Schlag ins Schwarze getroffen. Die Gesellschaft ist da, mit oder ohne Zertifikat. Die Erfahrung bei der Urgrossmutter zu nähen und basteln ist vielleicht eine einschneidendere Erfahrung als ein Ausflug in den Europapark. Ebenso wie sich mit der besten Freundin im Zimmer einbunkern und kichern essenzieller ist, als ein flüchtiger Kinobesuch.

Fazit, ungeimpft kommt man locker über die Runden, beziehungsweise durch die Ferien. Als Erwachsene muss man natürlich die persönlichen Sehnsüchte und Erfahrungen momentan in eine Schublade stecken, ansonsten würde man vielleicht wirklich durchdrehen.

Aber Kindererfahrungen haben rein gar nichts mit dem zu tun, was uns momentan verweigert wird. Ich persönlich bin in einer Familie mit wenig Geld aufgewachsen. Wir haben Seifenkisten gebaut, sind auf Bäume geklettert und wir waren glücklich.

Wenn wir also kurz wieder zu Kindern in Geist und Seele werden, merken wir, dass uns die Zertifikatspflicht egal sein kann. Wir sollten uns daran erinnern, wie wenig es braucht, um das Leben zu leben.

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Autor/in
Nadine Linder

Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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