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Nordmanntannen zum Mieten

Mieten statt kaufen: Der andere Christbaum aus dem Thurgau

«Weihnachtsbäume mieten liegt im Trend», sagt Beat Kressibucher. Der erfolgreiche Ostschweizer Christbaummacher aus Berg (TG)  bietet diese Dienstleistung seit drei Jahren an. Das Interesse an Mietbäumen wächst von Jahr zu Jahr. 

Urs Oskar Keller am 28. November 2019

200 Nordmanntannen warten dort als «Wandertanne», wie Kressibucher sie nennt, auf ihren festlichen Einsatz. 30‘000 Nadelbäume stehen auf seinen Plantagen hoch über dem Bodensee.

Im letzten Jahr verlieh das Zwei-Personen-Unternehmen Christbaumkulturen bei Berg (TG) etwa 150 lebendige Bäume. 40 davon schmückten 2018 beispielsweise den Hauptbahnhof St. Gallen. In diesem Jahr sollen es über 200 Mietbäume in der Ostschweiz sein. Die Nordmanntannen stammen vorwiegend aus seiner Baumschule, die Landwirt Beat Kressibucher direkt im Topf zieht. Sie werden nicht auspflanzt. Den grössten Teil seiner Christbäume geht direkt an die Endverbraucher: über den grossen Adventsverkauf ab Hof oder direkt an den Märkten in Altishausen, Kreuzlingen, Weinfelden und Winterthur.

Dreiviertel der Bäume hätten das im vergangenen Jahr gut überstanden, sagt Christbaumpflanzer Beat Kressibucher. «Ich möchte in erster Linie zeigen, dass Konsum auch anders funktionieren kann. Ich sehe das durchaus auch als Denkanstoss, sich auch in anderen Bereichen mal Gedanken zu machen.»

Im berühmten Nobelhotel Baur au Lac in Zürich stehen schöngewachsene Nordmanntannen in Kübeln vor dem Eingang, im renommierten Modissa-Modegeschäft an der Bahnhofstrasse sie im Schaufenster zu bestaunen. Seit November können die Nordmanntannen bei Beat Kressibucher gemietet werden. Der Miet- beziehungsweise Kaufpreis beträgt zwischen 33 bis 124 Franken je nach Grösse. Mit dieser einmaligen Summe ist man gleich auch Besitzer oder Besitzerin einer Tanne.

Christbaum

_Beat Kressibucher bei der Arbeit. _

Leichte Pflege

Über 200 Bäume stehen in schwarzen Kunststofftöpfen draussen auf einer Wiese neben der Scheune. «Meine Nordmanntannen benötigen keinen Christbaumständer und sie nadeln nicht, behalten ihr schönes Kleid. Die 70 bis 180 Zentimeter grossen Nadelbäume können wie bisher gut schmückt werden», sagt der Baumfachmann Kressibucher. Für die Pflege seien regelmässige Wassergaben (mindestens alle zwei Tage viel Wasser) und ein Besprühen der Nadeln ebenfalls jeden zweiten Tag nötig. Ein Abstand von der Heizung von mindestens einem Meter sei sinnvoll. Ein Merkblatt zur einfachen Pflege wird mitgeliefert. Durch den Kauf von regional erzeugten Christbäumen unterstützt man die heimischen Forstetriebe und erspart sich und der Umwelt unnötige Transportwege.

Beat Kressibucher bietet die Alternative, einen Christbaum zu mieten statt ihn zu kaufen. Der Christbaum kommt im Topf, nach einer langsamen Gewöhnung an die wärmere Temperatur stellt man ihn über die Feiertage ins Wohnzimmer und hinterher holt ihn der Vermieter wieder ab. Der Baum wird eingepflanzt und kann weiter wachsen.

Idee aus Filisur

Die Idee, Christbäume in der Schweiz zu vermieten, hatte die alpine Baumschule Schutz im bündnerischen Filisur. 2013 wurden dort erstmals 300 Miet-Bäume verkauft, 2018 waren es schon 4'000 Topf-Tannebäume, berichtet Christian Schulz, einer der Geschäftsführer des Familienbetriebs (siehe Kasten). 2017 übernahm auch Beat Kressibucher, als erster Thurgauer Christbaumzüchter, diese Idee. Vor allem junge Paare finden es cool und ökologisch sinnvoll, einen lebenden Weihnachtsbaum zu mieten. Christbaum-Topfkulturen aus Ast bei Berg werden bis in die Innerschweiz verkauft.

Christbaum

Im Januar kommen sie wieder zurück

Im Januar 2020 kommt ein Teil seiner Mietbäume wieder zurück. Nach Weihnachten können die Christbäume zurückgebracht werden. Auf Wunsch kann im nächsten Jahr derselbe Weihnachtsbaum wieder gemietet werden. In der Regel kann Anbieter Kressibucher aber nicht immer den gleichen Baum garantieren. Der Baum wächst und ist jedes Jahr dann etwas höher. Auf einer Sammeltour holt Kressibucher die Tannenbäume im Auto im bei Bedarf wieder ab, und lagert sich bei sich in Ast. Für eine Baumlieferung verlangt er pauschal 20 Franken, für’s mögliche Abholen den gleichen Betrag. Fraglich ist, ob die individuelle Lieferung und Rückführung den ökologischen Nutzen nicht wieder zunichtemacht. «Ich plane die Route genau und verteile die Christbäume gleichzeitig im Thurgau und hole sie auch auf einer Sammeltour wieder ab», sagt Kressibucher. Im Endeffekt würden er weniger Kilometer machen als jeder Haushalt einzeln.

Nur Sinn, wenn der Baum weiterleben kann

Weihnachtsbäume zu mieten macht natürlich nur dann Sinn, wenn der Baum auch wirklich nach Weihnachten weiterleben kann. Es ist daher wichtig, dass er zu Hause achtsam behandelt wird und nicht zu lange im Wohnzimmer steht. Temperaturschock und Wasserarmut seien das grosse Problem einer jeden Topftanne, Er sollte langsam an die wärmere Temperatur gewöhnt werden und nicht neben der Heizung stehen, man muss ihn regelmässig, aber nicht zu viel giessen. Kunstschnee und Lametta schaden ihm. Die nachträgliche Akklimatisierung im Keller an die Wintertemperaturen im Freien wäre ideal, sagt Christbaummacher Kressibucher.

Trend zum Wanderbaum noch gering

Nach Angaben der Interessengemeinschaft IG Suisse Christbaum macht in der Schweiz der Trend zum Wanderbaum bisher nur einen sehr geringen Anteil aus. Ob es auch damit zu tun hat, dass das Mieten teurer ist als das Kaufen? Bei Kressibucher kosten 50 bis 180 Zentimeter grosse Miettannenbäume zwischen 38 und 124 Franken – die wurzellosen Christbäume um zwei Meter Höhe sind mit 60 bis 70 Franken billiger. Eine Tanne benötigt 20 Jahre, um die Grösse von zwei Metern zu erreichen.

Grundsätzlich würden die Mieterinnen und Mieter aber Sorge zu den Christbäumen tragen. «Ich bin positiv überrascht», sagte Beat Kressibucher. Ein Viertel übersteht die Saison nicht. Kressibucher pflegt die Bäume im Topf weiter.

Tannen über Tannen zieren jetzt die Wiesen neben der Strasse zum Asthof bei Berg und ein übergrosser roter Weihnachtsmann vor einer Scheune. Auf dem Hof lagern gefällte und in Nylonnetze verpackte Bäume stapelweise, andere stehen aufgereiht in Töpfen. «Alles riecht nach Weihnachten und ich bin wieder voll im Weihnachtsbaum-Fieber», freut sich Beat Kressibucher.

Christbaum

Warten auf Baum-Mietinnen und -Mieter: Rund 200 Miet-Christbäume lagern neben der Scheune von Beat Kressibucher.

Zur Person Beat Kressibucher

Beat Kressibucher (51) übernahm den elterlichen Hof in Berg im Kanton Thurgau im Jahr 1994. Dieser umfasst 15 Hektaren Land. Davon sind 6,5 Hektaren Ackerfläche und Wiesen, fünf Hektaren Wald und 3,5 Hektaren Christbäume. Bei 75 Prozent der Bäume handelt es sich um Nordmanntannen, zehn Prozent sind Rottannen, zehn Prozent Weisstannen und fünf Prozent Blautannen.

Mit dieser Anbaufläche und einem Bestand von etwa 30'000 Bäumen zählt Beat Kressibucher zu den mittelgrossen Weihnachtsbaumproduzenten in der Schweiz. Er bewirtschaftet den Hof zusammen mit seiner Frau alleine. Während der Verkaufssaison wird das Team mit Familienmitgliedern und Hilfskräften auf zwölf Personen aufgestockt.

Als Haupteinkommen rentiert das Christbaumgeschäft nicht. Beat Kressibucher arbeitet deshalb seit 18 Jahren halbtags als technischer Leiter in einer Klinik in Kreuzlingen. In den arbeitsintensivsten Monaten November und Dezember nimmt er einige Wochen unbezahlte Ferien. Weitere Informationen unter www.christbaeume.ch.

Zum Thema Topf- oder Mietbäume

Vorbehalte bei der IG Suisse Christbaum

«Einige unserer Mitglieder bieten Topf- oder Miet-Bäume ebenfalls an. Wir erfassen die Zahlen nicht. Wir betrachten diesen Service auch nicht als dauerhafte Konkurrenz zu einem geschnittenen Weihnachtsbaum», sagt Philipp Gut von der IG Suisse Christbaum aus Riedholz SO. Was der Nutzen für die Umwelt anbetrifft, habe die Interessengemeinschaft Vorbehalte. Gut: «Betrachtet man die aufwendige Anzucht in Töpfen meist im Ausland, das Herumkarren von schweren Einzelbäumen, sowie das Entsorgungsproblem der Bäume samt Erde, Wurzelballen und Topf, so bleiben da doch Fragezeichen. Die mehrmalige Verwendung und ein späteres Weiterleben des Baumes in der Natur ist eine angenehme Illusion.» Bleiben Weihnachtbäume im Winter längere Zeit (mehr als fünf bis sieben Tage) in der warmen Stube, trieben sie aus und erfrieren danach, wenn sie wieder an die Winterkälte gelangen. Würde ein Topf-Baum das überleben und aufwendig bis zur nächsten Weihnachten gepflegt, gedüngt und bewässert, so wird er trotzdem bald einmal zu gross für eine Stube. «In der Schweiz geschnittene Christbäume wachsen ohne künstliche Bewässerung, ohne viele Hilfsstoffe, haben wenig Gewicht und sind damit einfach zu transportieren. Ihre Entsorgung ist ebenso unproblematisch wie Schnittgut aus dem Garten», sagt Philipp Gut von der IG Suisse Christbaum. (uok)

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Autor Dani Egger

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Autor/in
Urs Oskar Keller

Urs Oskar Keller (*1955) ist Journalist und Fotoreporter. Er lebt in Landschlacht.

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