logo

Fachbeitrag

Mit der Balance aus Verstand und Intuition besser entscheiden

Entscheidungen treffen Menschen von früh bis spät: Schätzungen zufolge sind es täglich mehr als 20.000. Darunter sind triviale Fragen wie «Tee oder Kaffee» und manchmal geht es um wichtige Lebensentscheidungen.

Nicole Schmidt am 04. April 2023

Eine neue Stelle zu suchen, ein Haus zu kaufen oder sich für ein Fernstudium zu entscheiden, gehören zu den grossen Fragen des Lebens.

Mit der von Wissenschaftlern „Maximierung“ genannten Methode investieren Menschen viel Zeit und Energie, um nach gründlicher Recherche die optimale Entscheidung zu treffen. Da das menschliche Gehirn kein Hochleistungsrechner ist, das wirkliche alle Informationen findet, bewertet und verarbeitet, erweist sich die perfekte Entscheidung als Illusion. Die gegensätzliche Strategie ist das „Bedürfnis nach einem Ende“. Möglichst schnell eine Antwort zu finden, ist jedoch für wichtige Lebensentscheidungen nicht unbedingt die passende Methode. Auf dem gesunden Mittelweg verabschieden sich die Entscheider von Perfektion, wenden Faustregeln an und bringen Verstand und Intuition in eine Balance.

Mit Kopf, Bauch und Faustregeln gute Entscheidungen treffen

Albert Einstein soll gesagt haben: „Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener". Entscheidungen aus dem Bauch heraus gelten als das Ergebnis einer Art unbewusster Intelligenz. Das Gehirn bedient sich an der Fülle von Erfahrungen mit vielfältiger Erinnerung, Sinnesreizen und Gefühlen. Erstaunliche 500 Billionen Nervenverbindungen enthält dieses „emotionale Erfahrungsgedächtnis“ laut dem deutschen Hirnforscher und Philosophen Gerhard Roth. Steht eine Entscheidung an, greift der Mensch unbewusst auf diesen Schatz an Erfahrungen und Bewertungen zurück. Insbesondere wiederholte Erfahrungen finden Eingang in diesen wertvollen Speicher. Faustregeln, oder wissenschaftlich formuliert „Heuristiken“, helfen speziell bei Entscheidungen unter Zeitdruck. Selbst bei der Analyse am Kapitalmarkt können Faustregeln Erfolg versprechend sein. Nicht nach Perfektion zu streben, den Blickwinkel zu ändern und Rat von unabhängigen Experten einzuholen, kann ebenfalls helfen, eine gute Entscheidung zu treffen.

Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler Herbert A. Simon wurde im Jahr 1978 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Belohnt wurde seine bahnbrechende Erforschung der Entscheidungsprozesse in Unternehmen. Dabei erfand er das Kofferwort satisficing. Darin stecken „to satisfy“, also befriedigen, und „to suffice“ (genügen). Wer sich mit der ersten Alternative zufriedengibt, die den eigenen Ansprüchen genügt, setzt auf das Prinzip „one good reason“ und ist mit seiner Entscheidung meist zufriedener.

Im Arbeitsalltag die Intuition anzapfen und klug entscheiden

Hirnforscher und Neurowissenschaftler sind sich nicht einig, ob Kopf oder Bauch zu besseren Entscheidungen führen. Gilt es, eine Entscheidung zu treffen, agiert die Intuition auf der Überholspur. Deshalb spielen Profi-Golfer laut einer Studie der Universität Chicago am besten, wenn sie unter Zeitdruck stehen. Dann entscheiden sie intuitiv und durchdenken nicht unzählige Handlungsalternativen. Weitere Erkenntnisse aus der Wissenschaft belegen, dass schnell getroffene intuitive Entscheidungen präzise und erfolgreich sein können. Die Intuition bedient sich am Langzeitgedächtnis und profitiert von den dort gespeicherten Erfahrungen und Erinnerungen.

Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman warnt jedoch davor, dass Bauchentscheidungen voreilige Ergebnisse und Vorurteile auslösen können, weil logische Schlüsse nicht betrachtet werden. Ob besser Intuition oder Verstand für eine Entscheidung um Rat gefragt werden sollten, hängt von der Art der Entscheidung ab. Der Schweizer Unternehmer und Autor Rolf Dobelli empfiehlt in seinem Ratgeber „Die Kunst des klugen Handelns“, bei eingeübten Tätigkeiten intuitiv zu entscheiden. Das gilt besonders für motorische Fähigkeiten oder bei Fragen, die derjenige schon unzählige Male beantwortet hat. Steht eine komplexe Entscheidung an, zum Beispiel über eine grosse Investition, empfiehlt er die logische Herangehensweise. Wer in einem völlig neuen Arbeitsgebiet eine Entscheidung treffen muss, setzt besser auf den Verstand als die Intuition. In dem Fall verfügt die Intuition über eine zu kleine Menge an Erfahrungen.

Entscheidungen in der VUKA-Welt: Logik und Intuition

Wo und wie lernen Führungskräfte, gute Entscheidungen zu treffen? Empathische Chefs, die bereit sind zuzuhören, fällen tendenziell bessere Entscheidungen. Hat das Unternehmen eine gute Fehlerkultur entwickelt, führt dies dazu, dass Führungskräfte und Mitarbeiter angstfreier entscheiden können. Kommunizieren Vorgesetzte mit ihren Mitarbeitenden auf Augenhöhe und bringen ihnen viel Vertrauen entgegen, wagen diese sich eher, eine Bauchentscheidung zu treffen. Gefühle statt Fakten sind weniger transparent und erklärbar für andere.

Geht es um die Auswahl neuer Mitarbeiter, setzen kluge Entscheider idealerweise Verstand und Intuition ein. Wer schon unzählige Gespräche geführt hat, dessen Intuition schöpft aus einem grossen Fundus an Erfahrung und Einschätzung. Eine neue Stelle anzutreten, gehört zu den wichtigsten Entscheidungen, die Menschen treffen. Auch dabei kann es hilfreich sein, die Intuition einzubinden. Bewerber treffen daher ihre Entscheidung oft nicht allein rational. Wer sich beim ersten Gespräch vor Ort wohlfühlt, kann das nicht immer mit Fakten begründen. Trotzdem entsteht das positive Gefühl im Abgleich mit bereits erlebten Situationen bei früheren Arbeitgebern oder in anderen Bewerbungsgesprächen.

In der VUKA-Welt sollten Entscheidungen möglichst schnell und entschlossen getroffen werden. Gleichzeitig sind Flexibilität und ein klassischer Plan B zentral, um auf Planänderungen reagieren zu können. Der Markt und die Kundenwünsche können sich schnell verändern und dann sind Umwege gefragt. Für kluge und fundierte Entscheidungen sollten Kopf und Bauch nicht gegeneinander ausgespielt werden: Im Idealfall arbeiten sie zusammen. Im ersten Schritt wird die Intuition abgefragt. Werden dann rational die Handlungsalternativen verglichen, zeigt sich schnell, ob Verstand und Intuition in die gleiche Richtung tendieren. Ist das der Fall, lässt sich die Entscheidung aus voller Überzeugung treffen. Das Gefühl kann im nächsten Schritt die rationale Entscheidung stärken. Führt die Liste aus Pro und Kontra zu einem Unentschieden, wird das Bauchgefühl zum Zünglein an der Waage.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Nicole Schmidt

Nicole Schmidt ist Konsulentin bei Nellen & Partner in Zürich.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.