Eine Kandidatin für ein politisches Amt, die nicht über Politik sprechen will: Das sorgt im Rheintal für Gesprächsstoff. Aus ihrem Umfeld heisst es, die Fragen einer Zeitung an sie seien rassistisch gewesen - deshalb ihr Schweigen. Nun liegen uns diese Fragen vor.
Wenn die meisten Politikerinnen und Politiker etwas nicht sind, dann maulfaul. Im Gegenteil, meist muss man sie in Interviewsituationen förmlich bremsen. Immerhin wollen sie ja ihre Botschaft loswerden. Nicht so Majlinda Sulejmani, Präsidentin der CVP-Ortspartei St.Margrethen und Kandidatin für den Gemeinderat. Eine Frageliste des Regionalportals rheintal24.ch liess sie unbeantwortet; wir haben berichtet. In ihrem Schreiben an die Zeitung befand sie, sie wolle sich keinesfalls in politische Diskussionen einlassen - was natürlich bei einer Kandidatin für ein politisches Amt seltsam anmutet.
In der darauffolgenden Debatte meldete sie sich dann zu Wort. In den Fragen, die Sie erhalten habe, sei ihre Religion, ihr Name und ihre Herkunft «angegriffen» worden. Deshalbe sie «auf keinerlei Fragen Antworten gegeben.»
Was aber wurde die Gemeinderatskandidatin gefragt? Wir haben uns die Originalfragen beschafft, die der Journalist an Sulejmani geschickt hat. So sollte sie Stellung nehmen dazu, was sie zur Ortspolitik in St.Margrethen beitragen und für die Gemeinde erreichen wolle. Zudem wollte er wissen, wie ihre persönlichen politischen Ziele aussehen, «Kantonsrat? Nationalrat?» Einige abgefragte Dinge haben Lebenslaufcharakter: Alter, Herkunft, Familienumstände, Beruf, Ausbildung, bisherige politische Laufbahn.
Bei ihrer Kritik bezieht sich die Gemeinderatskandidatin vermutlich auf die Frage, die Bezug auf ihren Namen nimmt. Dort heisst es: «Weshalb CVP? Denn ihr Name deutet auf einen moslemischen Hintergrund.»
Die Frage ist mit Sicherheit etwas unschön gestellt. Was der Journalist vermutlich wissen wollte: Weshalb liegt Sulejmani gerade eine ausgeprägt christliche Partei nahe, wenn sie doch - und das ist dabei nur seine eigene Annahme - möglicherweise kulturell anders geprägt ist?
Weiter unten bezeichnet der Fragende die Kandidatin als «Vorbild für gelungene Integration» und hält fest, dass der FC St.Margrethen, der «für viele Kinder mit Migrationshintergrund zur 'zweiten Heimat' gemacht wird, in der Gemeinde eher als lästig behandelt wird.» Dieser Abschnitt ist etwas rätselhaft, denn es schliesst sich keinerlei Frage an, es sind reine Feststellungen des Journalisten. Allerdings sicherlich keine unfreundlichen.
Den Abschluss bildet das Angebot, den Entwurf des Artikels vor Veröffentlichung der Kandidatin «zur Korrektur» zuzustellen.
Fazit: Der grösste Teil der Fragen ist reiner Standard bei Kandidaturen. Die Frage nach der Wahl der Partei und die Bezugnahme auf eine angenommene andere Religionszugehörigkeit kann jemandem, der hier aufgewachsen ist, aber vermutlich im Alltag oft auf seinen Namen angesprochen wird, durchaus schräg einfahren. Dass das Schwergewicht der Fragen und Ausführungen auf dem «Secondo»-Aspekt liegt, ist für viele der zweiten und dritten Generation auch eine Belastung. Als «Angriff» auf die Religion oder die Herkunft kann man die Fragen aber kaum missverstehen; rassistisch sind sie jedenfalls nicht.
Der einfachste Weg wäre wohl gewesen, die berechtigten Fragen nach den politischen Absichten und den Visionen für die Gemeinde zu beantworten - das gehört zu einem Wahlkampf - und die Frage nach der Parteizugehörigkeit einfach zu ignorieren. Oder mit einem banalen «Ich sehe das Problem nicht» zu antworten. Es war auch eine Steilvorlage, um klarzustellen, dass Menschen aus zweiter oder dritter Generation von Zuwanderern nicht auf Migrationsthemen beschränkt sind und deshalb keine «angepassten» Fragen benötigen.
Gewählt hat die Gemeinderatskandidatin der CVP einen anderen Weg, der zumindest für Aussenstehende einen seltsamen Eindruck hinterlassen hat: Eine Amtsanwärterin, die nicht über Politik reden will. Und die, wenn Kritik kommt, die «Rassismuskarte» zieht. Es war aber gleichzeitig wohl auch ein Lehrstück: Die kommunale Behördentätigkeit ist alles andere als ein Ponyhof, Kritik lauert überall, berechtigte, aber auch viel unberechtigte. Das hier war wohl nur ein laues Lüftchen gegen das, was im Fall einer Wahl wartet.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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