Was seit 2015 recht ist, kann doch heute nicht falsch sein. Nach dieser Devise hält die SNB am Weltrekord-Negativzins fest. Samt schädlichen Nebenwirkungen. Wir zeigen sie auf.
«Geldpolitische Lagebeurteilung» nennt die Schweizerische Nationalbank (SNB) vornehm das, was sie heute wieder von sich gab. Mit viel Geschwurbel umhüllt ist die Kernaussage: Die Negativzinsen sind gekommen, um zu bleiben.
Warum verlangt die SNB weiterhin 0,75 Prozent für Geldeinlagen bei ihr, was der sogenannte Leitzins ist, von dem sich das Schweizer Zinsgefüge ableitet? Der Franken sei «weiterhin hoch bewertet», die Lage am Devisenmarkt «fragil». Und überhaupt: «Negativzins und Interventionsbereitschaft wirken der Attraktivität von Anlagen in Franken entgegen und verringern dadurch den Aufwertungsdruck.»
Ist das so, und ist das gut so? Nein. Das ist schlecht so. Erläutern wir das mit einem verständlichen Vergleich. Die gesamte Schweizer Bevölkerung wird dazu verpflichtet, eine Pille mit schädlichen Nebenwirkungen zu schlucken. Das sei leider nötig, damit es der Schweiz weiterhin gut gehe. Widerstand zwecklos.
Die bittere Pille ist, dass seit Einführung der Negativzinsen Sparern und Rentenanwärtern Milliarden abgeknipst wurden. Eine weitere schädliche Nebenwirkung ist, dass anständige Zinsen als Hilfe bei Kapitalallokation fehlen. Auf Deutsch: Wenn der Schuldner einen normalen Zins zahlen muss, überlegt er sich die Kreditaufnahme gut.
Heutzutage ist es bereits so, dass Banken unter der Hand Hypothekarkredite zu null Zinsen ausgeben, oder sogar noch etwas drauflegen. Kommt sie immer noch günstiger als das Geld bei der SNB zu parkieren. Ein nicht nur absurder, sondern brandgefährlicher Zustand, mit dem Blasen aufgepumpt werden, die früher oder später platzen werden.
Durch ihre unablässigen Versuche, den Pegelstand des Bodensees mit dem Teelöffel regulieren zu wollen, sitzt die SNB inzwischen auf einem ebenfalls Weltrekord-hohen Devisenberg, der sogar grösser ist als alles, was in der Schweiz in einem Jahr an Wertschöpfung betrieben wird. Denn der Devisenmarkt ist der grösste Handelsplatz der Welt, mit Billionenumsätzen. Täglich.
Schliesslich hat die SNB ein Eigenkapital von über 160 Milliarden Franken angehäuft. Finger weg, sagt sie da, das brauchen wir als Reserve für schlechtere Zeiten. Dabei weiss die SNB genau, dass Eigenkapital totes Kapital ist, zu nichts nutze, keine Wertschöpfung betreibt, eben nur ein Notgroschen ist.
Während leider Sparer und Rentenanwärter nicht besonders empfindlich auf diese abgeknipsten Milliarden reagieren, rüttelt sie doch die Nachricht etwas durch, dass immer mehr Banken Negativzinsen an ihre Kunden weitergeben. Bislang noch nicht flächendeckend, sondern erst ab gewissen Vermögenswerten. Wobei beispielsweise 100'000 Franken in der reichen Schweiz kein Betrag ist, den nur besonders Privilegierte auf dem Bankkonto haben.
Der Franken sei halt ein kleiner Währungsraum, und der gesetzlichen Bestimmung gehorchend, Geldpolitik im Interesse der Schweizer Wirtschaft zu betreiben, sei das alles alternativlos, sagt die SNB.
Das ist Unsinn. Nichts ist alternativlos. Norwegen hat auch einen kleinen Währungsraum, aber keine Negativzinsen. Schweden ebenfalls, denkt sogar daran, den Leitzins anzuheben. Zudem unterstützt die SNB mit ihrem Kurs nur Partikularinteressen. Von einem kleinen Segment der Exportindustrie und vom Tourismus, der mit weniger als 3 Prozent an der Schweizer Wertschöpfung beteiligt ist, aber laut und gut jammern kann.
Eigentlich ist es noch schlimmer. Der SNB-Chef Thomas Jordan und seine Mannschaft sind ja nicht blöd. Aber: Für sie ist das «weiter so» alternativlos, weil sie schlichtweg keinen Plan B haben. Sie wissen nicht, wie die SNB von diesem Riesendevisenberg wieder runterklettern kann. Sie wissen nicht, was passiert, wenn der Negativzins auf null oder ins Positive gedreht wird. Sie fürchten sich vor einer Aufwertung des Frankens, obwohl das sowohl negative wie aber auch positive Auswirkungen hätte.
Deshalb leiert die SNB immer wieder die gleiche Begründung für ihr Tun herunter. Das kann sie deswegen ungeniert tun, weil sie nicht weisungsabhängig ist. Weder das Parlament noch der Bundesrat können ihr reinreden. Damit sollte ursprünglich verhindert werden, dass Politiker Begehrlichkeiten anmelden können, vor allem vor Wahlen. Dieses Prinzip der Unabhängigkeit gilt auch für die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank FED.
Besser gesagt: Es galt mal. Schon längst ist die EZB zum Erfüllungsgehilfe der Politik der Eurokraten geworden. Und US-Präsident Donald Trump wirkt immer unverschämter auf die FED ein. Nur in der Schweiz wird die völlige Unabhängigkeit der SNB wie eine Monstranz im Umzug vorangetragen. In dem die heiligen Kühe Negativzins und Devisenintervention mittrotten.
Sparer, Steuerzahler und Pensionskassen-Einzahler machen die Faust im Sack. Anstatt etwas zu unternehmen, um die SNB, die schliesslich dem Volk gehört, wieder zu einer Volksbank zu machen. Womit? Mit einer Volksinitiative natürlich, womit denn sonst.
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