(Foto: Ellin Anderegg)
Die St.Galler Musikproduzentin Tanja La Croix (*1982) ist es sich eigentlich gewohnt, Menschenmassen in Partylaune zu versetzen. Menschenmassen sind aktuell undenkbar. Und Partys finden, wenn überhaupt, nur im kleinen Rahmen statt. Ein Gespräch über eine aussergewöhnliche Karriere.
(Fotos: Ellin Anderegg, Michael Truffer, Pascal Albisser und Rafael Dos Santos)
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Das Magazin kann hier im Jahresabo (6 Ausgaben) für 69 Franken bestellt werden.
Tanja La Croix, kurz nach der Jahrtausendwende starteten Sie Ihre Musikkarriere. Das waren damals noch vollkommen andere, auch unbeschwerte Zeiten. Welche Aspekte vermissen Sie aktuell am meisten?
Ich vermisse das Zusammenkommen im Generellen, das Aufeinandertreffen von unterschiedlichsten Menschen an Anlässen oder in der Freizeit. Mir fehlt die Nahbarkeit zwischen Menschen, die sich auf ein spontanes Kennenlernen einlassen und sich unbesorgt und ohne Ängste umarmen, lachen, tanzen und flirten.
Sie feierten – und tun es noch – Erfolge sowohl als Musikerin, DJ und Produzentin als auch als Model. Für welchen der genannten Bereiche schlägt ihr Herz am heftigsten?
Ich kreiere gerne. Ich möchte mich kreativ verwirklichen und mich, egal ob es sich um Songproduktionen, Bühnenshows, Outfits, Foto -Shootings, oder Charity-Aktionen handelt, immer miteinbringen. Nur so kann ich vollste Authentizität garantieren und zu 100 Prozent dahinterstehen. Deswegen ist der Startschuss in jeglichen Bereichen sehr wichtig. Die Weichen müssen zuerst entsprechend gestellt werden, damit anschliessend effizient gearbeitet werden kann.
Wenn Sie Ihre bisherige Karriere Revue passieren lassen: Was waren die wichtigsten Meilensteine? Wo war allenfalls auch eine kräftige Portion Glück oder Zufall im Spiel?
Es war elementar mir treu zu bleiben. Ich habe mich nie auf meinem Aussehen ausgeruht und lediglich aufgrund dessen Profit erzielt. Im Gegenteil: Ich habe allen bewiesen, dass ich ehrgeizig, professionell, eigenständig und unabhängig bin. Ich habe sehr hart an meiner Karriere gearbeitet und meine Visionen ganz streng verfolgt. Als ich dann im Jahr 2010 zum Aushängeschild der grössten Technoparty der Welt auserkoren worden bin, wusste ich, dass ich nun den nötigen Respekt erlangt habe, für den ich hart gekämpft hatte. Als ich dann zusätzlich im Jahr 2011 den Award in der Kategorie «Publikumspreis» gewonnen habe, war ich überglücklich und wusste, dass ich auf dem richtigen Pfad bin. Heute arbeite ich mit renommierten, internationalen Marken und spiele an hochkarätigen Events wie dem WEF oder an der Baselworld.
In einem Interview mit der «Schweizer Illustrierte» sagten Sie, sie möchten aktuell wieder Ihre Heimat finden. Was fehlt Ihnen an Ihrem heutigen Lebensmittelpunkt in erster Linie?
Ein Haus am See. (lacht) Ich wohne in Wallisellen, schön zentral und sehr nahe am Flughafen. Das war vor ein paar Jahren noch von Dringlichkeit. Nun zieht es mich jedoch immer mehr zurück ins Grüne, dahin, wo ich runterfahren und neue Energie tanken kann. Ich suche heute die Balance und Ruhe mehr als noch vor ein paar Jahren.
Könnten Sie sich vorstellen, wieder zurück nach St.Gallen zu kommen?
Ja, kann ich mir. Ich möchte aber an einer ruhigen Lage im Grünen wohnen. Davon gibt es in St. Gallen mehrere.
Welchen Bezug haben Sie grundsätzlich heute noch zur Ostschweiz?
Ich habe eine sehr starke Bindung zur Ostschweiz. Ich setze mich stark für meinen Heimatort St.Gallen ein. 2014 habe ich die Hymne der HSG-Professorenband B110 geremixt und 2017 war ich offizielle Olma-Botschafterin. Ausserdem kreierte ich mit Bischoff Textil das Streetparade-Outfit, trete seit Jahren am St.Gallerfest auf und bringe jeweils Olma-Bratwürste nach China, Beirut und Istanbul mit. Auch vergeht kein Jahr, an dem ich die Olma nicht besuche – ausser, wenn Corona dazwischenfunkt.
Sie bewegen sich beruflich auf der ganzen Welt. Erscheint einem da ein Fleckchen Erde wie die Ostschweiz nicht vergleichsmässig unbedeutend, ja gar vollkommen «ab vom Schuss»?
Ab vom Schuss war ich, als ich in Krasnojarsk aufgetreten bin. Mitten im Nirgendwo, bei Minus 35 Grad, bin ich mit der Transsibirischen Eisenbahn von Novosibirsk nach Krasnojarsk gefahren.
Zurück zum Business: Über welche beruflichen Aspekte möchten Sie dereinst definiert werden? Gibt es so etwas wie eine übergeordnete Vision der Künstlerin «Tanja La Croix»?
Ich bin DJ, Produzentin, Model, Eventplanerin, Werbeträgerin und kümmere mich ums Marketing, PR sowie um die Musikproduktion der Marke «Tanja La Croix». Dazu gehören weiter auch das Storytelling, «Social Media»-Aktivitäten und Livemarketing für Sponsoren und Partner. Das Mixen von Platten macht grundsätzlich eher einen kleinen Teil meiner Berufung aus.
Partys, an denen hunderte oder gar tausende Personen auf engstem Raum zusammen feiern sind aktuell unvorstellbar. Ist aber nicht gerade auch dieser Aspekt enorm wichtig für Ihre Darbietungen?
Ich hoffe, dass die Menschen bald wieder zusammenkommen dürfen. Nähe, Verbundenheit und Gemeinsamkeit sind verloren gegangen. Das fehlt denn meisten von uns.
Da ich aber vermehrt für Firmenevents, Shop-Eröffnungen, Vernissagen und private Veranstaltungen wie Geburtstage, Hochzeitsfeiern oder gar Grillfeste gebucht worden bin, war die Anzahl der Gäste sowieso beschränkt. Festivals wie das «Electric Love» in Salzburg oder die «Streetparade», wo sich tausende von Menschen versammelt haben, sind wahrscheinlich auf längere Zeit nicht vorstellbar.
Ich wünsche mir für die Zukunft nichts mehr, als dass das Zwischenmenschliche bestehen bleibt und wir uns nicht isolieren und menschenfeindlich werden.
Hat sich Ihr Wertesystem durch die plötzliche Umwälzung mit Corona verändert?
Ja, ich gönne mir jetzt auch einmal eine Pause und nutze die Kraft der Ruhe positiv für mich. Trotz ausbleibenden DJ-Bookings habe ich sehr viel gearbeitet und neue Projekte lanciert.
Welchen Platz, welche Bedeutung hat in Ihrem Lebensentwurf die Familie?
Meine Familie bedeutet mir alles. Sie stützt mich und gibt mir den nötigen Halt. Ich wünsche mir, dereinst eine eigene kleine Familie zu haben.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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