Transkinder, die mit Pubertätsblockern behandelt werden, die auch für die chemische Kastration von Sexualstraftätern Verwendung finden: Das ist keine Dystopie, sondern bittere Realität. Eine journalistische Recherche von «The Daily Wire» enthüllt Verstörendes.
Im Bild oben: Kinderärztin Michelle Forcier
Stellen Sie sich vor: Sie werden als Familienvater festgenommen, vor Gericht gestellt und dürfen ihr Land bis auf Weiteres nicht verlassen. Warum? Weil sie ihr Kind (willentlich) mit den falschen Pronomen angeredet haben. Klingt dystopisch? Ist aber Realität. So geschehen in Kanada, welches das «willentliche Anreden mit den falschen Pronomen» als kriminellen Akt wertet. Der rechtskonservative Journalist Matt Walsh von «The Daily Wire» hat diesen und andere Fälle im Bereich der Genderdebatte in seinem neuen Trans-Dokumentarfilm «What is a woman?» aufgearbeitet. Und diese hat es in sich.
«Was ist eine Frau?»
Walsh will wissen: Was genau ist eigentlich heutzutage eine Frau? Und er macht sich auf, diese Frage zu ergründen. Dafür reist er einmal quer durch die ganzen USA, später sogar nach Afrika.
Walshs erste Station führt ihn zu einer «Gender Affirming Therapist». Auf Deutsch bedeutet dies in etwa: «Geschlechtsbestärkende (im Sinne des sozialen Geschlechts) Therapeutin». Was eine Frau ist, weiss sie nicht. Das sei «eine gute Frage», antwortet sie dem Journalisten. Eine Antwort, die er in den nachfolgenden Szenen haufenweise erhalten wird. Ergo: Keine Antwort.
Walsh erhofft sich von der geschlechtsangleichenden Medizin mehr Klarheit. Er reist nach San Francisco und besucht Doktor Marci L. Bowers, eine geschlechtsangleichende Chirurgin, die biologisch als Mann geboren wurde. «Eine Frau ist eine Kombination aus physischen Eigenschaften, und dem, was sie der Welt von sich zeigt, sowie den sozialen Eigenschaften, die hoffentlich mit der eigenen Genderidentität übereinstimmen», belehrt ihn die Chirurgin. Viel schlauer ist Matt immer noch nicht.
«Der Weihnachtsmann bringt ihnen Geschenke»
Walsh reist weiter nach Boston, trifft dort die Kinderärztin Michelle Forcier, die ein ganzes Repertoire an medizinischen Abschlüssen vorweisen kann. Nach eigener Aussage sei sie für die Betreuung von «hunderten von (Trans)-Kindern» verantwortlich. Walsh möchte nun von der Kinderärztin wissen: Wie genau sieht nun so ein Transgender-Prozess bei Kindern aus? Forcier erklärt, es sei ihr wichtig, den Kindern die beste medizinische Versorgung für den Angleichungsprozess zur Verfügung zu stellen. Deshalb müsse sie den Kindern sehr genau zuhören, wo diese auf ihrer Reise in die Transidentität seien und wo sie hinwollen. Danach werde über die medizinische Behandlung entschieden.
Walsh kontert: «Haben Sie schon einmal ein vierjähriges Kind getroffen, das an den Weihnachtsmann glaubte?». Forcier bejaht mit einem Lächeln. «Jemandem, der daran glaubt, dass ein fetter Mann auf einem fliegenden Rentier mit Lichtgeschwindigkeit durch die Nacht fliegt und mit Geschenken im Gepäck durch einen Kamin rutscht – würden Sie sagen, das ist jemand, der eine unrealistische Auffassung von Realität hat?», hakt Walsh nach. Forcier zögert, antwortet: «Diese Art Auffassung von Realität ist für ein vierjähriges Kind angemessen». Walsh lässt nicht locker: «Der Weihnachtsmann ist also real für diese Kinder. Aber der Weihnachtsmann ist nicht wirklich real». Auch hierauf hat die Kinderärztin eine Antwort: «Ja, aber der Weihnachtsmann bringt den Kindern die Weihnachtsgeschenke». Lächeln. Und überhaupt, man habe auch zu unterscheiden, von wessen Realität man spreche. Offensichtlich gibt es nicht nur eine.
Walsh lässt immer noch nicht locker: «Wenn ich einen Jungen sehe, der an den Weihnachtsmann glaubt – also nicht zwischen Realität und Fantasie unterscheiden kann, aber gleichzeitig sagt, er sei ein Mädchen; wie können Sie dies als Aussage werten, die der Realität entspricht?». Forcier weiss auch hier Rat. Als «Elternteil und Kinderärztin» würde sie sagen: «Wie wundervoll doch die Vorstellungskraft dieses Kindes ist». Breites Lächeln.
«Medikamente für Sexualstraftäter?»
Wann beginnt denn nun die medizinische Behandlung der Kinder, möchte Walsh von der Kinderärztin wissen. «Wenn der Patient [das Kind, Red.] sagt, dass er bereit ist», antwortet Forcier. Dies könne zum Beispiel kurz vor Eintreten der Pubertät sein. Dann werden sogenannte «Pubertätsblocker» verschrieben, die das Eintreten der Pubertät stoppen oder verzögern. Diese seien komplett reversibel und hätten keine langfristigen Auswirkungen. Es sei wie bei einem Musikstück, so Forcier. «Man kann die Pubertät einfach per Pause unterbrechen, und sie dann bei Absetzen der Medikamente weiterlaufen lassen.» (Andere Befragte werden im Laufe der Dokumentation genau dieser Aussage widersprechen. Es gäbe keinerlei (Langzeit)-Studien, die dies belegen.)
Ob es denn stimme, dass man den Kindern als «Pubertätsblocker» das Medikament «Lupron» verabreiche, dass unter anderem für die chemische Kastration für Sexualstraftäter verwendet werde, hakt Walsh bei Doktor Forcier nach. Obwohl Forcier bestätigt, dass man Lupron tatsächlich verschreibe, reagiert sie auf den Kontext der Sexualstraftäter äusserst gereizt: «Wissen Sie was? Ich bin nicht sicher, ob wir dieses Interview fortsetzen sollten, da es in eine bestimmte Richtung läuft». Walsh kontert: «Sie sind eine medizinische Fachperson und wollen nicht über die Medikamente reden, die sie diesen Kindern verabreichen?». Forcier weicht aus. Wirft Walsh vor, er würde «instrumentalisierende/ausbeuterische Sprache» verwenden, da er den englischen Begriff «drugs» statt «medication» in seiner Frage verwendet hat. Forcier verliert sich in Wortklauberei, weicht der Frage immer wieder aus, versichert, sie wolle nur das Beste für die Kinder.
«Die Suche nach Wahrheit ist transphob»
Szenenwechsel. Walsh nimmt sich nun die akademische Welt zur Brust. Er reist nach Hollywood und besucht Doktor Patrick Grzanka, Professor für Frauen, Gender- und Sexualstudien an der Universität von Tennessee. Grzanka redet so viel, dass die Aufnahme in einzelne Sequenzen gekürzt und zusammengeschnitten werden müssen. Walshs Frage, was der Unterschied zwischen sozialem und biologischem Geschlecht sei, hat er dennoch nicht beantwortet. Walsh möchte auch von ihm wissen: «Was ist eine Frau?». Auch diese Frage kann der Genderprofessor nicht eindeutig beantworten. Er scheint auf keine einzelne Frage eine abschliessende Antwort geben zu können.
Walsh will sich nicht damit zufriedengeben, verlangt widerspruchslose Antworten. Das scheint dem studierten Genderwissenschaftler zu missfallen. Er wird aggressiv, wirft dem Journalisten eine Reihe von Gegenfragen an den Kopf und droht damit, das Interview abzubrechen. Walshs Suche nach «der Wahrheit/Wirklichkeit» sei für Grzanka zudem «unangenehm» und das Wort «Wahrheit/Wirklichkeit» wirke «zutiefst transphob» auf den Genderwissenschaftler, zudem sei die Verwendung dieser Sprache «herablassend» und «unhöflich». Auch andere Interviewpartner brechen das Gespräch mit Walsh ab, verlangen nachträglich die Löschung von Debattenvideos mit Walsh, weil sie sich nach der Auseinandersetzung mit dem Journalisten «emotional verletzt fühlen» oder werden ausfällig und beschimpfen ihn.
Schlussendlich verlässt Walsh den Universitätscampus wieder; keinen Deut schlauer.
«Es gibt nur eine Realität»
Klare Antworten bekommt Walsh hingegen von der Psychiaterin Miriam Grossman. «Um was handelt es sich bei Transgender aus einem psychiatrischen Blickwinkel betrachtet?», fragt Walsh nach. Grossman spricht von «Genderdysphorie» ¬– eine Diskrepanz in der Wahrnehmung von biologischem und sozialem Geschlecht. Es sei wichtig diese Diagnose von dem zu unterscheiden, was im Moment überall passiere. Jugendliche, die nie an einer Dysphorie litten, würden sich auf einmal als «genderfluid» oder «trans» wahrnehmen. Das Internet und die sozialen Medien hätten hier einen starken Einfluss. Im Gegensatz zu Grzanka kann Grossman auch den Unterschied zwischen biologischem und sozialem Geschlecht wissenschaftlich erklären. Und die Psychiaterin stellt klar: «Es gibt eine Realität. Und in dieser bewege ich mich – wissenschaftlich!».
«1,3 Millionen Dollar für ein Transkind»
Was Grossman wissenschaftlich begründet, sieht auch das Volk der Massai in Afrika so. Als Walsh sie in ihrem Dorf besucht und fragt, ob ein Mann mit männlichem Geschlechtsteil eine Frau sein kann, lachen sie ihn aus. Auch mit dem Terminus «nicht-binär» können die Männer nichts anfangen. So etwas hätten sie noch nie gesehen. Die Genderdebatte scheint also ein ausgeprägt westliches Phänomen. Gar ein Kapitalistisches.
Das sieht zumindest der Transmann Scott (Kelly) Newgent so. Nach seiner Operation leidet er immer wieder an Entzündungen, bereut seine Transformation, rät anderen dringend davon ab. Niemand habe ihn ernsthaft über die Risiken einer geschlechtsangleichenden Operation aufgeklärt. Die Pharmakonzerne würden pro Transkind über eine Million Dollar verdienen, sagt er im Interview mit Matt Walsh aus. Es ginge hier um hartes Geld. Heute kämpft Newgent gegen die Geschlechtsangleichung von Kindern, möchte auf die Risiken einer übereilten Operation aufmerksam machen. Das bringt ihm immer wieder Todesdrohungen ein. Einschüchtern lässt er sich trotzdem nicht. «Ich werde niemals ein Mann sein», so Newgent. Das Ganze sei für ihn eine einzige Leidensgeschichte: «Ist es transphob, wenn ich die Wahrheit sage?».
«Transgender Wolf-Mädchen»
Sich in eine andere Spezies umwandeln lassen, kann man zwar noch nicht, aber dennoch ist es in der Trans-Community offenbar möglich, sich als ein Tier seiner Wahl zu definieren. So bei Naia Okami. Sie definiert sich als «Transgender Wolf Mädchen». Das heisst, sie sieht sich nicht nur als Frau (obwohl biologisch als Mann geboren), sondern sie hat per definitionem auch ihre Spezies gewechselt. Im Internet finden sich Videos von ihr, in welchen sie auf allen Vieren läuft und wie ein Wolf heult. Walsh erzählt sie, sie habe «einen Anime gesehen mit Wölfen», da habe sie gewusst, dass sie selbst ein Wolf sei. Walsh scheint jetzt vollständig verwirrt.
Den wohl besten Tipp erhält Walsh am Ende der Doku vom klinischen Psychologen Jordan Peterson. Walsh solle doch einfach nach Hause gehen und seine Ehefrau fragen, was denn nun eine Frau sei. Und diese weiss tatsächlich Bescheid. Mit einem Augenzwinkern.
«Ich mache mir die Welt…»
Matt Walsh hat seine Arbeit als Journalist gut gemacht. Er hat nicht nur beide Seiten der Kontroverse gleichermassen zu Wort kommen lassen, sondern auch den Trans-Aktivisten viel Raum und Zeit eingeräumt, sich selbst zu entlarven. Und er hat der politisch Linken jeglichen Wind aus den Segeln genommen. Denn im Film sprechen sich dunkelhäutige Afrikaner, Transmenschen und biologische Frauen gegen die (kommerziell orientierte) Geschlechtsumwandlungsindustrie aus. Das schafft ein Vakuum, in welchem nach linker Logik keine Kritik mehr möglich ist. Denn diese müsste nach geltender (Un)-Logik wahlweise transphob, rassistisch, kolonialistisch oder sexistisch sein.
Möglicherweise wird der Film deswegen von linker Seite her dröhnend totgeschwiegen: Im Totalitarismus ideologisch geprägter Minderheitenmeinungsdiktaturen ist es nicht mehr möglich, Kritik zu üben, ohne jemandem anderem seinen subjektiven Wahrheitsanspruch abzusprechen. Dass sich diese Wahrheitsansprüche untereinander nicht decken müssen, ja – noch nicht einmal Sinn ergeben müssen – und jeder in seiner eigenen kleinen Welt lebt, erinnert an ein beliebtes Kinderlied: «Ich mache mir die Welt, wide wide wie sie mir gefällt».
Nicole Ruggle ist Redaktorin beim Nebelspalter und betreut dort das Dossier «Sicherheit».
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