Autor/in
René Zeyer
René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna.
René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna.
Unsere Nationalbank. Alle beneiden uns um sie. Denn sie liefert. Jahr für Jahr Riesengewinne. Die sie wie Dagobert Duck im Geldspeicher versorgt und finster bewacht.
Die Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank im Jahr 1975. (Archivaufnahme: ETH-Bibliothek)
Jedes Mal, wenn die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Jahresgewinn bekannt gibt, ist es Zeit für Jubelarien und eine peinliche Frage.
Gerade löst der Jahresgewinn für 2020 spitze Schreie aus. 21 Milliarden Reingewinn, aber hallo. Das ist allerdings für SNB-Verhältnisse eher bescheiden, 2019 waren es noch knapp 49 Milliarden. Hervorragend, unglaublich, spitze, bravo.
Die peinliche Frage ist: Wenn das der SNB mit etwas über 100 Anlagespezialisten gelingt, wieso machen dann UBS und CS regelmässig Milliardenverluste? Mit ihren Tausenden von angeblich hochqualifizierten (und auf jeden Fall hochbezahlten) Key Risk Takers, wie das auf Banglisch so schön heisst? Die nehmen zwar persönlich überhaupt kein Risiko, sondern verbraten wenn schon das Geld der Aktionäre. Aber item, was kann die SNB, was die Grossbanken nicht können?
Geld drucken? Ja schon, aber Geld aus dem Nichts schöpfen können Banken auch, sonst könnten sie nicht viel mehr Geld ausleihen, als sie in den Büchern haben. Das alles macht also keinen Unterschied. Könnte es dann vielleicht daran liegen, dass bei den Grossbanken Grossverdiener grosse Scheisse basteln? Die dann von den Kommunikationsfuzzis golden angemalt werden muss?
Aber aus diesen Niederungen zurück zur strahlenden SNB. 70 Milliarden Gewinn in zwei Jahren, das ist ja fast nicht zu überbieten. Insgesamt beläuft sich nun die sogenannte Ausschüttungsreserve auf 98 Milliarden Franken. Was das ist? Nun, das ist Geld, das im Prinzip der Schweizer Bevölkerung gehört.
Denn ihre Gewinne macht die SNB ja nicht nur deswegen, weil sie weniger, schlechter bezahlte, aber bessere Anlagespezialisten als die Grossbanken beschäftigt. Sondern sie nützt auch den Vorteil aus, dass der Franken als dermassen stabil und verlässlich gilt, dass bei jeder Erschütterung des Finanzsystems die Nachfrage steigt.
Dass der Franken schlichtweg zur Ware geworden ist, mit anhaltend grosser Nachfrage, hat die SNB der Schweizer Bevölkerung zu verdanken, die unermüdlich das BIP steigert. Wenn man sie lässt und wenn nicht ihre eigene Regierung sie davon abhält. Aber das ist ein anderes Thema.
Würde die SNB nun ihre Ausschüttungsreserve über die Schweizer Bevölkerung regnen lassen, wären das pro Kopf der Wohnbevölkerung rund 12'000 Franken. Ja, auch für jeden Ostschweizer, auch kein Appenzeller zu klein, Empfänger zu sein. Wohin also seine Kontonummer schicken?
Finger ab de Röschti, sagt da aber Buchhalter Nötzli, vulgo Thomas Jordan, der Herr des Geldes. Die SNB war schon so nett, ihre Gewinnausschüttung an Bund und Kantone auf 4 Milliarden Franken aufzustocken, das muss reichen.
Wieso muss das reichen? Weil die SNB – um sie vor Übergriffen aus der Politik zu schützen – darin völlig frei ist. Und Buchhalter Nötzli sagt Jahr für Jahr, dass er angesichts des volatilen Umfelds möglichst grosse Reserven haben muss. Man stelle sich nur mal vor, der Euro geht hops; Milliardenverluste für die SNB. Oder der Dollar sackt in die Tiefe. Milliardenverluste.
Also müssen 4 Milliarden reichen. Und alle weiteren Ansinnen, AHV-Sanierung, Zukunftsfonds, was auch immer, lehnt Buchhalter Nötzli strikt ab. Für ihn muss so viel wie möglich in der Schatulle der SNB bleiben. Aber warum ist die SNB eigentlich solchen Gefahren ausgesetzt?
Ganz einfach. Weil sie glücklicherweise keine Schweizer Papiere oder Wertscheine kauft, ist sie inzwischen zum grössten Hedge Fonds der Welt geworden. Sie hält Wetten auf die Zukunft, investiert in Obligationen und Aktien, auch in Gold, halt in alles, was Ertrag bringen kann.
Aber wie jeder Hedge Fonds Manager weiss: Was hochgeht, kommt auch mal wieder runter. Warum dann nicht tatsächlich die Ausschüttungsreserve, die längst keine Reserve mehr ist, sondern ein Duckscher Geldspeicher, für etwas Sinnvolleres verwenden als dass sie Jordan, wenn er will, mit glänzenden Augen anschauen kann?
Und dabei haben wir noch gar nicht vom Eigenkapital der SNB gesprochen, das zum Beispiel das der grossen EZB, der Europäischen Zentralbank, ums fast 20-fache übersteigt. Denn eigentlich braucht eine Notenbank gar kein Eigenkapital. Solange es ihre Währung gibt, bleibt sie immer flüssig. Das SNB Eigenkapital kratzt inzwischen an der 200-Milliarden-Grenze. Das wären dann nochmal rund 14'000 Franken pro Nase.
Bescherung, aber am Njet Jordans kommt man nicht vorbei. Ausserdem wäre das natürlich Geldverteilung mit der Giesskanne. Aber da die SNB – auch deswegen eine Aktiengesellschaft – nicht nur im Besitz des Volkes ist, sondern auch ihm dienen soll, wäre das schon mal eine Überlegung wert, fast 200 Milliarden einfach rumliegen zu lassen – oder sinnvoll zu investieren.
Immerhin sind langsam die ersten Politiker aufgewacht. Und stellen entsprechende Forderungen. Mal schauen, ob was draus wird, bevor eine Katastrophe die SNB ihres Eigenkapitals beraubt.
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