Die aktuelle Spitalpolitik des Kantons St.Gallen basiert auf einem Modell, das ein Beratungsunternehmen geschaffen hat und dessen Funktionsweise kein Aussenstehender kennt. Das ist Politik wie in einem «Science-Fiction». Ein Gastbeitrag von Werner Ritter.
Vorbemerkung: Der Autor Werner Ritter hat sich beim St.Galler Gesundheitsdepartement nach dem Berechnungsmodell des Beratungsunternehmens PwC erkundigt, das die Grundlage für die Vorschläge für Spitalkonzepte im Kanton war. PwC hat nach Angaben des Departements das eigene Modell mit Daten aus der Staatsverwaltung gefüttert und daraus die möglichen Konzepte generiert. Wie das Modell funktioniert, legt PwC nicht offen. Werner Ritter nimmt im folgenden Text dazu Stellung.
Wie man den Ausführungen des Gesundheitsdepartements des Kantons St. Gallen entnehmen kann, hat letztlich Price Waterhouse Coopers über die St. Galler Spitalstrategie und die Spitalschliessungen entschieden und nicht die Kantonsrätinnen und Kantonsräte.
Aufgrund der von Price Waterhouse Coopers gelieferten Zahlen wurde die Spitalstrategie definiert und wurde insbesondere festgelegt, welche Spitäler bestehen bleiben oder gar ausgebaut und welche geschlossen werden.
Ökonomische Modelle und Formeln zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit Parametern arbeiten, welche von den Entwicklerinnen und Entwicklern dieser Formeln festgelegt werden. Diese Parameter beruhen auf Wertungen. Je nachdem, ob ein Faktor stärker oder weniger stark gewichtet wird, resultiert ein anderes Ergebnis. So wird beispielsweise der öffentliche Verkehr in einem Modell, welches ökologische Gesichtspunkte stark gewichtet, besser abschneiden, als wenn ökonomische Aspekte im Vordergrund stehen. Im Gegensatz dazu beruhen mathematische und naturwissenschaftliche Modelle und Formeln auf den Gesetzen der Mathematik und der Naturwissenschaft und somit auf einem objektiven Ansatz.
Es stellt sich nun die entscheidende Frage, ob die Mitglieder des St. Galler Kantonsrats tatsächlich in ihrer Mehrheit Sprachrohre einer Formel von Price Waterhouse Coopers sind, deren Parameter niemand im Kanton St. Gallen kennt – eine Vorstellung wie aus einem Science-Fiction-Film. Sollte das tatsächlich der Fall sein, weiss schlussendlich niemand, auf welchen Grundlagen die Formel beruht und wie die einzelnen Entscheidungsparameter gewichtet werden. Politik wird damit zu einer Art Computerlotterie.
Angesichts dieses Vorgehens des Verwaltungsrats der Spitalverbunde, des Lenkungsausschusses, der Regierung, der vorberatenden Kommission und des Kantonsrats sowie ihres Wunderglaubens an geheime Computermodelle stellt sich sehr entschieden die Frage, ob es nicht hohe Einsparungen zur Folge hätte, wenn diese Ausführungsorgane eines Computermodells ebenfalls durch Computer ersetzt werden.
Bei der rechtlichen Überprüfung der Beschlüsse des Kantonsrats wird das Bundesgericht die interessante Frage beantworten müssen, ob es zulässig ist, die Grundlagen einer Botschaft an ein Parlament durch ein unbekanntes Computermodell einer durchaus nicht uneigennützigen und schon gar nicht politisch neutralen Unternehmung wie Price Waterhouse Coopers generieren zu lassen.
Werner Ritter ist Rechtsanwalt in eigener Kanzlei und ehemaliger St.Galler CVP-Kantonsrat. Er lebt in Altstätten.
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