Etwas anders als geplant eröffnete in St. Gallen am Samstag ? Corona-bedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit, das heisst ohne Feier mit Reden und Apèro ? der fünfte Standort des Informatik und MINT Nachwuchs Förderungsprojektes ICT Scouts & Campus im Startfeld.
Text: Dominik Strobel
15 Mädchen und 14 Buben - für ein MINT-Programm (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft & Technik) ein überwältigender Mädchenüberschuss - trafen sich am Samstag zum gemeinsamen Basteln im Startfeld St. Gallen. Eine solche Vielfalt an «Chügelibahnen» hat die Welt noch nie gesehen, digitalisiert, notabene, mit «special effects». Ein Talent hatte wohl Geburtstag, denn eine der Bahnen spielte bei Ankunft der Kugel «Happy Birthday».
Dies ist der Start des 5. ICT Campus Standortes der Schweiz, dem ersten in der Ostschweiz. Und er stellt einen neuen Rekord auf. Normalerweise legt ein neuer ICT Campus mit höchstens einem Dutzend Talenten los. «Die St. Galler Schulen haben uns förmlich überrannt», sagt Rolf Schaub, Gründer und Geschäftsleiter des ICT Scouts & Campus Fördervereins und Digital Shaper 2020. Die Türen stünden nicht immer so weit offen.
Warum das wohl so sei, wollten wir von Bildungschef Stefan Kölliker wissen: «Es ist verständlich, dass andernorts einzelne Schulen vielleicht zurückhaltend reagierten, sie werden überhäuft mit Anfragen. Doch das besondere an diesem Projekt ist, dass der grösste Teil des Engagements ausserschulisch stattfindet. Daher ist es ein optimales Zusammenspiel bei welchem sich der Aufwand in den Schulen im Engagement ausserhalb der Schulen multipliziert. Dieses Konzept passt perfekt in die Bemühungen der IT Bildungsoffensive St.Gallen.»
Fortan sind also die ICT Scouts in der Region, zu welcher auch die beiden Appenzell und verkehrsnahe Gebiete des Thurgaus gehören, unterwegs. In möglichst allen Klassen des jeweiligen 7. Schuljahres werden sie mittels eines Programmier Workshops nach Lehrplan21 Talente aufspüren und motivieren. Deren 100-120 sollen es pro Jahrgang sein, die dann bis zum Ende des 9. Schuljahres im ICT Campus ihre Talente vertiefen können.
Dass die ICT Scouts dabei zur Hälfte Mädchen aufspüren ist nicht etwa einer Quote geschuldet, sondern dem systematischen Vorgehen im Scouting. Nicht der beste Programmierer wird gesucht, sondern Motivation, Begeisterung und die Fähigkeit abstrakte Konzepte zu verstehen und verstehen zu wollen. Diese Fähigkeiten sind normal verteilt.
Nicht nur der Kanton unterstützt das Programm mit der ITBO. Auch die Städte St. Gallen und Gossau leisten Beiträge. Und ernten Begeisterung. «Die Resonanz aus den Schulen ist durchwegs positiv», berichtet Martin Annen, Leiter der Dienststelle Schule und Musik der Stadt St. Gallen, in seinem Grusswort. Die Scoutings seien spannend und von den Schülerinnen und Schülern begeistert aufgenommen worden. Er ist nun gespannt, wie sich die Aktivitäten im ICT Campus in Zukunft mit den neuen Informatik Schwerpunkt Projekten in den Schulen verknüpfen werden.
ICT Scouts und Campus, schon der Name verrät es, ist vom Fussball inspiriert. «Warum wird dieses im Sport durchaus erfolgreiche und einträgliche Förderkonzept nicht dort angewendet, wo der Schuh volkswirtschaftlich am meisten drückt?», fragte sich vor ein paar Jahren der verhinderte Fussballprofi Schaub, damaliger Leiter Informatik einer Berufsfachschule. Das Konzept scheint aufzugehen. Namhafte Firmen, wie die Mobiliar, Swisscom, Credit Suisse, Roche, UBS, Pax oder Endress+Hauser, aber auch diverse KMU, rekrutieren ihre Lernenden bereits in den ICT Campi.
In St. Gallen ist das Projekt mit dem Smartfeld und dem Verein ITrockt! als lokale Partner an der Seite bereits gut mit der Wirtschaft vernetzt. Mehrere Firmen, wie z.B. Abacus als Local Sponsor, warten bereits darauf, dereinst ihren Nachwuchs direkt im ICT Campus rekrutieren zu können. Denn, so Schaub, «als Mitglieder haben die Lehrbetriebe Zugang zum ICT Campus, können den Talenten jederzeit über die Schultern schauen, und direkt bewerben», erklärt er. «Unsere Vision ist, dass die Lernenden keine Bewerbungen mehr schreiben müssen, sondern die Lehrbetriebe sie quasi im ICT Campus abholen.»
Und er relativiert gleich: «Der ICT Campus ist ein gutes Mittel gegen den Fachkräftemangel. Das geschieht aber nicht schon übermorgen. Bis diese Talente heute hier im ICT Campus zu Fachkräften werden, werden mindestens zehn Jahre vergehen. Fachkräfte schüttelt man nicht aus dem Ärmel. Man muss erst einmal damit beginnen, sie zu fördern.»
Trotzdem freut sich Nationalrätin Franziska Ryser schon jetzt über den hohen Mädchenanteil im ICT Campus und in der Zukunft auf verlässliche Spracherkennung von Frauenstimmen, Frauen-kompatible Ergometer und Handys, die auch Frauen einhändig bedienen können.
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