Autor/in
René Zeyer
René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna.
René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna.
Für die einen sind Kryptowährungen die Zukunft, für die anderen nur eine moderne Form von Abzocke. In St. Gallen wird sortiert und gerichtet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat seinen Sitz in St. Gallen. Es gehört zu den höchsten Schweizer Gerichten, so wie das Bundesgericht in Lausanne oder das Bundesstrafgericht in Bellinzona. Normalerweise sind seine Urteile allerdings so spannend wie das Abhören einer Sendepause.
Denn seine juristische Leibspeise sind Beschwerden gegen Verfügungen von Bundesbehörden, in gewissen Fällen auch von kantonalen Behörden. Das hört sich schwer nach einschlafenden Füssen und Gähnreflex an. Aber es gibt Ausnahmen. Eine davon heisst Finma.
Finma steht für Finanzmarktaufsicht; die ehemalige Eidgenössische Bankenkommission soll dafür sorgen, dass auf dem Finanzplatz Schweiz alles mit rechten Dingen zugeht. Dafür erlässt die Finma Weisungen und Verfügungen. Oder gibt Anregungen. So verlangte sie zum Beispiel von Raiffeisen Schweiz, sich die Umwandlung in eine AG zu überlegen. Die Genossenschaftsbank kam dann zum völlig richtigen Schluss, dass die bewährte Organisationsform, mit einigen Reformen, einer AG weiterhin überlegen ist.
Die Finma beschäftigt sich auch mit einem Gebiet, das für viele immer noch ein Buch mit sieben Siegeln ist. Mit den sogenannten Kryptowährungen. Da ist die Schweiz ziemlich vorne dabei; da viele Kryptowährungen herausgebende Firmen oder solche, die mit Blockchain arbeiten, in der Innerschweiz lokalisiert sind, spricht man schon vom Zuger Cryptovalley, analog zum Silicon Valley in Kalifornien.
Kryptowährungen sind digitale Zahlungsmittel, deren Verwendung sich fast ausschliesslich im virtuellen Raum des Internets abspielt. Ihre Fälschungssicherheit wird durch sogenannte digitale Signaturen oder eben durch die Verwendung von Blockchains sichergestellt. Das ist eine Methode, die durch die Verkettung von Informationsblöcken und ihre dezentrale Abspeicherung auf vielen Computern eine Transaktion garantiert sicher macht.
Allenthalben hat man vielleicht schon von Bitcoin gehört; das ist eine dieser Währungen, und Facebook hat bekannt gegeben, dass man über die Einführung einer eigenen solchen Währung, die Libra, nachdenke. Daneben gibt es eine Unzahl von Firmen, die diese Blockchain-Methode verwenden und/oder eine eigene Kryptowährung herausgeben wollen. Dafür hat es sich eingebürgert, dass diese Firmen, um Kapital aufzunehmen, keinen normalen Börsengang mit Aktien unternehmen, im Fachjargon IPO genannt, sondern ein sogenanntes ICO, ein Initial Coin Offering.
Das bedeutet, dass sie die eigene Währung anbieten, gegen Franken natürlich. Die Hoffnung des Investors und der Firma ruht darauf, dass dieser neue Coin dann einmal werthaltig wird und so Gewinn in die Kassen spült. Solche ICO finden natürlich auch in der Schweiz statt, und da kommt dann die Finma ins Spiel. Und das St. Galler Gericht.
Während anfänglich bei ICO noch Wildwest herrschte, hat die Finma inzwischen etwas Ordnung geschaffen. Das war auch bitter nötig, denn es wurden immerhin pro Jahr rund 850 Millionen Franken auf diesem Weg eingesammelt. Und auch verröstet. So hat die Finma beispielsweise über die Firma envion AG ein Enforcement-Verfahren durchgeführt. Dabei stellte die Aufsichtsbehörde fest, dass die envion von über 37'000 Anlegern unerlaubt über 90 Millionen Franken eingenommen habe. Die Firma ist inzwischen konkurs und in Liquidation.
Aber nicht alle Firmen nehmen solche Verfügungen der Finma einfach hin. Auch bei E-Coins hatte der Kontrolleur vor zwei Jahren das System verboten, den Konkurs eröffnet und Vermögenswerte arretiert. Dagegen wehrten sich die Betreiber und gelangten an das St. Galler Bundesverwaltungsgericht. Das gab der Finma weitgehend recht und reduzierte lediglich das Tätigkeitsverbot im Finanzbereich von einem Beteiligten von 5 auf 3 Jahre.
Ansonsten habe es sich einwandfrei um schwere Verletzungen aufsichtsrechtlicher Bestimmungen gehandelt. Gleichzeitig brummte es den Betreibern dieser Scheinwährung die Untersuchungskosten von fast 100'000 Franken auf. Das Urteil kann allerdings noch an das Bundesgericht weitergezogen werden.
Hier wurde eine weitere hoffnungsfrohe Kryptowährung zu Grabe getragen. Es gibt schon eine Webseite, die nichts anderes tut als tote Kryptowährungen verzeichnen. Auf diesem Friedhof liegen aktuell 1735 Leichen. Fast Dreiviertel davon haben einfach aufgegeben, immerhin 20 Prozent waren von Anfang an als Betrugsmasche aufgezogen. Auf der anderen Seite gibt es weltweit zurzeit rund 2800 aktive Kryptowährungen. Da wird das Bundesverwaltungsgericht auch in Zukunft noch einiges zu tun haben.
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