Mit Jakob Stark hat eine der prägendsten Figuren der Thurgauer Politik in der jüngeren Zeit ihren «Letzten» gefeiert. Der Regierungsrat ist per Ende Mai aus dem Amt ausgeschieden und nun «nur» noch Ständerat. Sein Nachfolger hat eine veritable Lücke zu füllen.
Man müsse als Regierungsrat immer die Wahrheit sagen, aber nicht immer alles: Das sagte Jakob Stark einst in einem Interview. Ein Zitat, an dem man manch einen anderen Politiker vermutlich aufgehängt hätte. Es klingt beim ersten Hören nach Verschweigen, nach Intransparenz. Stark hingegen stand stets hinter der Aussage. Was er damit meinte: Wer immer alles sagt, was ihm gerade durch den Kopf geht, verbaut sich so manche Möglichkeit auf dem politischen Parkett. Manchmal ist das Schweigen im richtigen Moment die stärkste Waffe.
Was nicht heisst, dass der Mann aus Kradolf-Schönenberg, das er einst auch als Gemeindeammann geführt hat, ein Diplomat im klassischen Sinn ist. Er war durchaus für deutliche Worte zu haben, wusste aber stets, was er damit bezweckt. Denn das war sein wichtigster Trumpf im Amt: Die Kommunikation. Als ehemaliger Journalist konnte Stark mit Medienschaffenden umgehen und verstand es durchaus auch, deren Mechanismen für sich zu nutzen. Oder, wie er es vermutlich sagen würde: Zum Wohl des Kantons einzusetzen.
«Eine intensive und schöne Zeit»: So bilanziert Jakob Stark selbst seine 14 Jahre im Regierungsrat. Langweilig wurde ihm mit Sicherheit nicht, er stand - eher eine Seltenheit - in dieser Zeit gleich drei verschiedenen Departementen vor. Erziehung und Kultur, dann Bau und Umwelt, schliesslich Finanzen und Soziales. Drei ziemlich unterschiedliche Spielwiesen, aber schon sein Studium in Geschichte, Volkswirtschaft und Publizistik hatte einst gezeigt: Stark mags bunt und vielfältig.
Die letzten Wochen, das hat er selbst nicht verhehlt, waren heftig. Es ging um den Schlussspurt im Regierungsrat, gleichzeitig bereits um die Arbeit im Ständerat - und dann kam Corona. Ziemlich versteckt, weil namentlich im Departement nicht aufgeführt, war Stark in dieser Zeit als Gesundheitschef besonders gefordert. Er spricht von rund 200 Prozent, die er im Einsatz gestanden sei seit März, Ferien waren kein Thema, aber immerhin war ein Ablaufdatum dieser Belastung gesetzt. Jetzt, mit dem Ständerat als einzigem fixen Mandat, wird Stark es gelassener angehen können.
Sein Nachfolger im Departement, sein Parteikollege Urs Martin, ist aus anderem Holz geschnitzt. Als Parlamentarier ein durchaus beissfreudiger Terrier, im Wahlkampf für den Regierungsrat dann eher ein schmusefreudiger Pudel: Man darf gespannt sein, wie sich Martin im neuen Amt gibt. Sicher ist, dass es nicht einfach ist, das Format von Jakob Stark zu erreichen. Der Spagat zwischen durchaus machtbewusstem Entscheider, konziliantem Gesprächspartner und Mediengewandtheit ist eher selten in der Politik.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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