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Zeyer zur Zeit

«stopittamedia.ch»: gestoppt

Heissa, mehr als 1000 Leute unterzeichneten einen anonymen Aufruf für Fairness. Der war aber sehr unfair. Also ist er mitsamt den Unterschriften weg. Dumm gelaufen.

«Die Ostschweiz» Archiv am 17. Oktober 2021

Jolanda Spiess-Hegglin, ihr Fanclub und viele bewegte Gutmenschen kriegten sich fast nicht mehr ein. Der Hashtag «#stopittamedia» trendete mehrfach auf Platz eins in der Schweiz. Er ersetzte den sehr geschmackvollen Hashtag «#haltdiefressetamedia», der von vielen Kämpfern gegen Hass und Hetze im Internet als durchaus erlaubt und verständlich gelobt wurde.

Allerdings soll es doch den einen oder anderen gegeben haben, der «halt die Fresse» nun doch nicht als Ausdruck von Anstand und guten Sitten im Internet empfand. Obwohl natürlich gegen das Böse auch böse Mittel erlaubt sein müssen. Im Gegensatz zu Bösem gegen das Gute, da ist’s dann verboten. Das Verbot wird übrigens von den Gleichen erlassen, die auch dekretieren, was gut und was böse ist.

Aber «stopittamedia» ist vielleicht etwas sperrig als Formulierung, dafür inhaltlich so weit okay. Was genau soll denn Tamedia stoppen? Also im Prinzip den bösen Plan von Michèle Binswanger, ein Rechercheprojekt in Buchform zu publizieren.

Eigentlich kennt man einen noch nicht veröffentlichten und wohl auch noch nicht geschriebenen Inhalt normalerweise im Vornherein nicht. Ausser, man kann’s sich denken. Und Denkkontrolle, das war schon immer der feuchte Traum aller Anhänger totalitärer Systeme.

Also wurde hier «fairer Journalismus» gefordert, konkret ein «Ende der Kampagne gegen Jolanda Spiess-Hegglin». Was das eine mit dem anderen zu tun hat, erschloss sich auch nicht aus einer ellenlangen Erläuterung.

Kurzentschlossen unterzeichneten mehr als 1000 Kurzdenker diesen «Aufruf». Spiess-Hegglin oder «Fairmedia» legten Wert auf die Feststellung, dass sie damit nichts zu tun hätten. Obwohl die eine Thema des Aufrufs ist und der Hilfsverein für Geldsammlungen für JSH mit einem «Spende»-Button auf der Webseite vertreten war.

Aber das hinderte auch Prominente wie Claude Longchamps nicht, zu unterzeichnen. Kampffeminist Hansi Voigt war sowieso dabei und rührte wie viele andere kräftig die Werbetrommel für diese Aktion.

Sie selbst hatte allerdings mit Fairness im Journalismus oder im Internet nichts am Hut. Denn dazu würde gehören, dass sich der oder die Urheber dieses Aufrufs namentlich outen würden. Das nennt man Impressum, das nennt man Verantwortung übernehmen, das nennt man mit offenem Visier kämpfen.

Gerade solche Fairness-Kreischer sind immer die Ersten, die gegen anonyme Heckenschützen, Komitees und Querschläger motzen, die sich nicht mal trauen, mit Name und Gesicht hinzustehen.

Die Macher von «stopit» meinten aber, ganz schlau ihre Identität verbergen zu können. Denn jede Webseite, so geordnet geht es dann doch im Internet zu, muss registriert werden. Dazu wählten sie eine deutsche Bude in Bonn, wo doch für eine .ch-Seite ein Schweizer Registrar naheliegend wäre. Aber die deutsche Bude hatte den weiteren Vorteil, dass sie eigentlich einer US-Bude gehört.

Nachfragen nach dem Eigentümer der Webseite wurden also an «tucowsdomain» weitergeleitet. Aber, blöd auch, selbst in den USA weiss man um Regeln im Wilden Weltweiten Web. Dazu gehört, dass bei einer ordentlichen Anfrage der Eigentümer, Betreiber, wirtschaftlich Berechtigte, Verantwortliche einer Webseite die Maske fallenlassen muss.

Oder eben nicht, aber dann passiert Folgendes: «we are giving the registrant 15 days to comply with the imprint request. Otherwise, the domain will be suspended.» Auf Deutsch: der Besitzer wurde aufgefordert, innerhalb von 15 Tagen der Nachfrage nach einem Impressum nachzukommen – oder die Webseite werde eingestellt, abgestellt, abgeschaltet.

Nun war der Veranstalter des Aufrufs zur Fairness offensichtlich nicht bereit, so viel Fairness walten zu lassen. Denn das ist halt so mit Fairness. Fordern ist immer viel, viel einfacher, als die Forderung selbst erfüllen.

Also ist die Webseite wieder weg, mitsamt mehr als 1000 Unterschriften von Trotteln, die keine Sekunde nachdenken, bevor sie etwas unterschreiben. Leider wird nun die Welt nie erfahren, wer denn die feigen Veranstalter gewesen sind. Schade aber auch, denn die Gesichter dieser anonymen Feiglinge hätte man gerne gesehen, als sie die Aufforderung ereilte, sich zu ihrem Tun zu bekennen.

Hätten sie etwas Pfupf im Füdli, etwas Stehvermögen, etwas Ehre im Leib, hätten sie sich doch tapfer erklärt, um ihr Anliegen weiterhin im Netz zu behalten. Aber eben, Bekennertum ist nicht so die Sache von anonymen Krakeelern. Seien das Mitarbeiter des «Megafon» oder Kämpfer für mehr Fairness im Journalismus.

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