Unternehmen investieren viel Zeit, Aufwand und Geld in die Formulierung und Gestaltung von Stellenanzeigen – einem der meistgenutzten Recruitinginstrumente.
Selbst wenn nicht, dann übernehmen sie modern klingende Passagen aus Inseraten von anderen Unternehmen in der Absicht, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Doch das ist mitnichten ein Garant für Erfolg bei der Suche nach Bewerbern. Denn oft erscheinen Formulierungen oder das Inserat selbst bestenfalls auf den ersten Blick professionell.
In Stellenanzeigen steht „jede Menge zwischen den Zeilen“, schreibt Jochen Mai, Gründer des Job- und Karriereportals Karrierebibel. Er rät Bewerbern, auf „verräterische Anzeichen“ zu achten. So können Aussagen wie „interessante Aufgaben“, „reizvolle Inhalte“, „überdurchschnittliche Bezahlung“ und „sofortiger Jobantritt“ auf Fake-Angebote hindeuten. Zu viele Details, auf die kaum jemand passe, seien verdächtig, da manche Jobs nur pro forma öffentlich ausgeschrieben werden. Vorsicht sei auch vor selbst ernannten Marktführern geboten. Denn wer so prahle, habe es nötig. Nicht besser: „Traditionsunternehmen“. Dort werde alles so gemacht wie immer.
Modewörter sind nicht automatisch gut
„Belastbarkeit“ bedeute vermutlich einen aufreibenden Job oder ein raues Betriebsklima. Das Versprechen, ein „angenehmes Betriebsklima“ vorzufinden, könne auch heissen, dass dieses verglichen mit einem Hagelsturm oder Schneeregen „angenehm“ sei. Hinter „hoher Einsatzbereitschaft“ verberge sich die Ankündigung, dass das Privatleben in den nächsten Jahren erst einmal gestrichen sei. „Mobilität“ und „Reisebereitschaft“ stehen dafür, dass der Mitarbeiter viel unterwegs sein werde – „auch über die üblichen Arbeitszeiten hinaus“. „Kreativität“ komme möglicherweise ständig neuen Herausforderungen gleich und „Organisationstalent“ der Anforderung, beständig verschiedenste Dinge unter einen Hut zu bringen.
Ausdrücke wie „dynamisches Unternehmen“, „innovatives Unternehmen“, „Eigenverantwortung“, „flache Hierarchien“ und „unternehmerisches Denken“ kommen ebenfalls schlecht weg. Sie bedeuten, dass sich Bewerber auf Organisationschaos, Trouble, Konsequenzen für ihre Entscheidungen und ständiges Berücksichtigen der Interessen des Arbeitgebers einstellen sollten. Eine „eingespielte Mannschaft“ sein ein Synonym dafür, dass neue Mitarbeiter um Anerkennung kämpfen müssen und ein „junges Team“ vielleicht dafür, „dass dessen junge Inhaber gerne mit Gleichaltrigen arbeiten – oder dass dieser Arbeitgeber nur Sprungbrettfunktion hat, weil es dort niemand lange aushält und die Gehälter unterdurchschnittlich sind“. „Kommunikative Fähigkeiten“ werden benötigt, wenn der Arbeitsalltag aus Telefonaten, Kundenbesuchen und Meetings bestehe oder häufig vermittelt werden müsse. In diesem Sinne könne „Teamfähigkeit“ auch als Bereitschaft interpretiert werden, eigene Ideen zurückzunehmen und sich in die Abteilung einzufügen.
Vorsicht vor Effekthascherei
„Entwicklungsmöglichkeiten“ lassen auf eine hohe Fluktuation schliessen und „Weiterbildungsmöglichkeiten“ auf ständige Veränderungen im Job. Auch sei nicht sicher, wer diese bezahle. Apropos Geld: „attraktives Gehalt“ könne bedeuten, dass es für den Arbeitgeber attraktiv sei, da es weit unter Tarif oder dem Branchendurchschnitt liege. Ähnlich verhalte es sich mit „überdurchschnittlicher Bezahlung“, die nicht erkennen lasse, worauf sich dies beziehe. „Leistungsbezogene Vergütung“ rieche nach einer Entlohnung nach Gutdünken des Chefs.
Nicht zuletzt sagt das Erscheinungsbild des Inserats einiges über das Unternehmen aus. Je grösser, desto höher schätzt der Arbeitgeber die Stelle ein, desto wichtiger nimmt sich das Unternehmen und genauso viel Renommee sowie Strahlkraft erwartet es von einem Kandidaten, so Jochen Mai. Was Bilder in Anzeigen betreffe, so verkörpern austauschbare Stockfotos „simple Effekthascherei“.
Tipps für Unternehmen
Wer solchen Schlüssen vorbeugen möchte, kommt nicht umhin, intensiv nachzudenken. Denn im Idealfall spiegele die Stellenanzeige den Job, das Unternehmen und den späteren Berufsalltag. Deshalb sind aussagekräftige Angaben zu Jobtitel, Position, Dauer der Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, Einstellungstermin, Voraussetzungen und Zusatzqualifikationen Pflicht. Ausserdem gehören ein realistisches Leistungsversprechen sowie Unternehmensprofil in jede gute Stellenanzeige. Es sollten Aussagen zum Bewerbungsprozess enthalten sein und vollständige, transparente Kontaktdaten.
Bei der Formulierung ist darauf zu achten, dass Angaben über das eigene Unternehmen nicht wie ein Werbeslogan klingen und einen angemessenen Umfang aufweisen. Verbreitete Floskeln sollten am besten komplett aus dem Wortschatz gestrichen werden. Dazu zählen Selbstverständlichkeiten wie „angenehmes Betriebsklima“ und „Flexibilität“. Aber auch modische Satzfragmente wie „dynamisches“ oder „innovatives Unternehmen, „junges Team“ und „flache Hierarchien“ sind Beispiele dafür. Worte wie Belastbarkeit, Eigenverantwortung sowie hohe Einsatzbereitschaft sollten wohlüberlegt sein und nur bei begründetem Zweifel verwendet werden.
Darüber hinaus ist es wichtig, sicherzustellen, dass alle Angaben untereinander stimmig sind, etwa Position und Stellenbeschreibung. Dazu sollte die Grösse der Anzeige passen – und gegebenenfalls die Bildauswahl. Professionelle, reale Fotos sind das Mittel der Wahl. Sie repräsentieren Selbstbewusstsein. Analog dazu kann ein Foto des Ansprechpartners eingefügt werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand für die Stellenanzeige entscheidet, lässt sich durch diesen individuellen Touch – verglichen mit der blossen Nennung von Namen und Kontaktmöglichkeit – um 75 % steigern“, wie Agnes Koller, Head of Scientific Research im career Institut & Verlag, begründet. Sie weist auch darauf hin, dass Lohntransparenz in Stellenanzeigen positiv auf das Arbeitgeberimage einzahlen kann. Eine Angabe des Lohns signalisiere „Gehaltsverhandlungen auf Augenhöhe, Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und einen Vertrauensvorschuss“.
Die Perspektive ist der Schlüssel
Im grossen Ganzen sind Unternehmen gut beraten, bei der Erstellung der Inserate die Kandidatensicht einzunehmen. Dies versetzt sie in die Lage, ungewollte Bedeutungen von Formulierungen zu erkennen. Das erfordert zwar meist ein anderes Vorgehen als das Gewohnte, doch die Umstellung lohnt sich. Denn Stellenanzeigen können genauso Geheimcodes enthalten wie Zeugnisse, nur mit dem Unterschied, dass sich das Unternehmen in diesem Fall selbst das Zeugnis ausstellt.
Überlassen Sie daher nichts dem Zufall und ziehen Sie Experten zurate! Wir unterstützen Sie gern. Kontaktieren Sie uns!
Autor: Pascal Scacchi
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