logo

Gastbeitrag

Super Mario soll es wieder richten

Mario Draghi soll Italien einmal mehr aus der Patsche helfen. 2012 beruhigte er als Chef der EZB die Eurokrise und verhinderte damit auch den finanziellen Kollaps des italienischen Staates.

Thomas Stucki am 14. Februar 2021

Mit der Quasi-Kreditgarantie der EZB waren italienische Staatsanleihen wieder salonfähig und die Anleger griffen wieder zu.

In der Folge sank die Kreditrisikoprämie zu Deutschland von 5% auf 1%. Nun brachten es die italienischen Politiker fertig, mitten in der grössten wirtschaftlichen Krise seit Jahrzehnten die Regierung zu stürzen. Zum Glück gibt es Super Mario, der nun das Land mit viel Geld aus Brüssel zu neuer Hochblüte bringen soll.

Die Finanzmärkte nehmen die Ernennung Draghis positiv zur Kenntnis. Die Aktienkurse an der Börse von Mailand sind ebenso gestiegen wie der Euro. Die Reaktion war nicht euphorisch, aber auf Draghi kann man zählen. Da spielt es kaum eine Rolle, dass er etwas erreichen soll, an dem vorher schon viele gescheitert sind. Mario Draghi wird es schwer haben, der reformresistenten Wirtschaft Italiens eine effiziente Struktur zu verpassen. Er hat jedoch ein gutes Argument in den Händen: 209 Mrd. Euro Hilfsgelder der EU, die er verteilen kann.

Draghi steht vor fast unlösbarer Aufgabe

Die italienische Wirtschaft ist im letzten Jahr um 6.6% geschrumpft. Das ist mehr als die 5.1% in der gesamten Eurozone. Im Unterschied zu den meisten anderen Euroländern ist die italienische Wirtschaft in den zehn Jahren zuvor zudem praktisch nicht gewachsen. Die strukturellen Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Landes sind nicht kleiner geworden. Italien hängt am Tropf der EZB. Ohne deren faktische Finanzierungsgarantie wären die aktuellen Budgetdefizite nicht zu stemmen. Die Schattenseite ist eine Schuldenquote, die bis im letzten Juni auf 150% des BIP gestiegen ist und munter weiter steigt.

Irgendwann wird die EZB aufhören müssen, den italienischen Staat zu finanzieren. Wie das geschehen soll, ohne dass die Zinsen in Italien steigen, ist nicht klar. Höhere Zinsen würden rasch zu höheren Kosten führen. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern hat Italien es versäumt, die tiefen Zinsen durch die Ausgabe von langen Obligationen anzubinden. Für sehr lange Bonds hätte das Land private Anleger suchen müssen, die höhere Zinsen verlangt hätten als die EZB. So müssen in diesem Jahr satte 15% der ausstehenden Schulden refinanziert werden. In den nächsten fünf Jahren sind es fast 60%.

Anhaltende Belastung für Eurozone

Mit Mario Draghi hat das Land eine Chance, die nötigen Reformen anzupacken, um die Wirtschaft wieder produktiver zu machen. Die EU und die EZB haben für die nötige Rückendeckung gesorgt. Ob es gelingen wird, ist eine offene Frage und leider unwahrscheinlich. Die machtbesessenen Politiker aller Lager sind mehr daran interessiert, die eigene Klientel bei Laune zu halten als langfristig zu investieren. Italien wird daher das grösste Risiko und die grösste Belastung für die Eurozone bleiben.

Momentan kann man bei der EZB noch mit der aussergewöhnlichen Situation durch das Coronavirus argumentieren. Die EZB wird aber wieder zu normalen Zuständen zurückfinden müssen. Sie wird auch dann den Bestand an italienischen Anleihen nicht reduzieren und bei Verfall erneuern. Aber für die Finanzierung der zukünftigen Budgetdefizite werden andere Käufer gesucht werden müssen. Die Gefahr ist gross, dass die Kreditrisikoprämie Italiens dann wieder deutlich ansteigt und die Eurozone wieder in Frage stellen wird. Der Tag wird kommen, an dem man Italien vor die Wahl stellen muss, endlich Reformen umzusetzen oder die Eurozone zu verlassen.

Highlights

Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Fettweg-Spritze nicht zugelassen

Nach Wirrwarr um «Lemon Bottle» sagt St.Galler Arzt: «Mir war das Produkt nicht geheuer. Die Unglaublichkeit liegt aber ganz woanders.»

am 06. Apr 2024
Er hat genug

Kurz und knapp: «Aufrecht»-Präsident Patrick Jetzer gibt alle Funktionen ab

am 10. Apr 2024
Neue Präsidentin

Die tägliche Gratwanderung: Wenn das St.Galler Hospiz mit Leben gefüllt wird. Und es eine Warteliste für Menschen gibt, die keine Zeit mehr haben.

am 10. Apr 2024
Punkte zur Kriminalitätsbekämpfung

So will dieser SVP-Nationalrat die Schweiz retten: Mike Egger präsentiert seinen Massnahmenkatalog

am 09. Apr 2024
Ostschweizer Satire

Weibel wirbelt auf: Was die Wahl von Bettina Surber mit Unterhosen zu tun hat

am 09. Apr 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
Variante «Rückbau und Ersatz»

A1 Engpassbeseitigung St. Gallen und 3. Röhre Rosenbergtunnel – ASTRA und Olma Messen vereinbaren weiteres Vorgehen betreffend Halle 9

am 11. Apr 2024
Migration und Markt

Ausbeutung von Sans-Papiers durch Bauern – migrationspolitischer Unsinn

am 11. Apr 2024
Gastkommentar

Die verklagte Schweiz: Von unverständlichen Entscheidungen

am 10. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

SVP-Nationalrat Manuel Strupler: «So kann es nicht weitergehen. Diese Masslosigkeit schadet.»

am 10. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli: «Ich verspüre auch keine Lust, mich an der Abgrund- und Katastrophendebatte zu beteiligen»

am 09. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner: «Im internationalen Vergleich geht es uns sehr gut, wir jammern auf hohem Niveau»

am 08. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

SVP-Nationalrat Walter Gartmann: «Wenn wir so weitermachen, wird es unsere schöne Schweiz in Kürze nicht mehr geben»

am 07. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

FDP-Nationalrätin Kris Vietze: «Unsere Fiskalquote ist unterdessen höher als jene von Deutschland»

am 06. Apr 2024
FDP-Regierungsrat in der Kritik

Wolfsjagd als Weiterbildung: Beat Tinner, welchen Nutzen hat eine solche Russland-Reise für den Kanton?

am 31. Mär 2024
Politischer Wandel

Machtablösung in der Mitte-Hochburg Wil: «Keine ideologische Fantasieideen»

am 10. Apr 2024
Gast an der Uni St.Gallen

Witwe des russischen Oppositionsführers: Julia Nawalnaja spricht am St.Galler Symposium

am 08. Apr 2024
Jugendliche und ihre Probleme

Die geschlossene Wohngruppe des Platanenhofs in Oberuzwil wird 40 Jahre alt: Darf das ein Grund zum Feiern sein?

am 07. Apr 2024
Regierungsratswahlen Thurgau

SVP und SP konnten Regierungsratssitze verteidigen – Denise Neuweiler erreicht Spitzenresultat

am 07. Apr 2024
Der Kanton Thurgau hat gewählt

130 Mandate: So setzt sich der Thurgauer Kantonsrat neu zusammen

am 07. Apr 2024
Harte Kritik

Nach Aussprache des Toggenburger Ärztevereins mit Bruno Damann sagt dieser: «Den Vorwurf des Ärztevereins muss ich nicht rechtfertigen»

am 03. Apr 2024
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Er hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Stucki führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden und ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.