Der Bundesrat will Corona-Schnelltests zu einer Alltagshandlung wie den Gang zum Klo zu machen. Schon am 12. März könnte aus der Idee Wirklichkeit werden. Und das wird wohl auch so kommen. Denn wer hält schon dagegen?
Der Beschluss ist taufrisch, er datiert vom 5. März. An diesem Tag entschied der Bundesrat, «dass der Bund ab dem 15. März die Kosten sämtlicher Tests übernimmt.»
Das klingt zunächst natürlich äusserst grosszügig. Bis man sich überlegt, wer denn eigentlich dieser gönnerhafte «Bund» ist. Und man merkt: Ach so, das sind ja wir. Wir alle. Mit unseren Steuergeldern. Wir gönnen uns also gewissermassen selbst eine Testorgie, allerdings ohne, dass wir auch selbst hätten bestimmen dürfen, ob wir dafür unser Geld ausgeben wollen.
Das neue Spielzeug sind die «Speichelproben». Das geht schnell, ist nicht verbunden mit unangenehmen Stäbchen bis knapp vor die Hirnrinde, und ja, Speichel haben wir alle. Davon kann man sich an jedem Bahnhof überzeugen, wo kurz zuvor eine Horde Jugendlicher gestanden ist. Sollte also kein Problem sein, jedenfalls rein technisch.
Aber es geht ja um die Frage, wer zur Speichelprobe antanzen soll, für die der Bund – pardon, wir alle – bezahlt. Ganz einfach: Die «mobile Bevölkerung», also Leute, die immer noch die Stirn haben, in die Firma oder zur Schule zu fahren, sollen «wiederholt mittels Speichel-Proben getestet werden», wie es im Beschluss heisst. Oder noch eine Spur eindeutiger: «Der Bundesrat möchte, dass sich alle Personen regelmässig testen lassen, auch wenn sie keine Symptome haben.»
Man muss die Transparenz an dieser Stelle loben, für einmal schlägt der Bundesrat keine verbalen Haken. Er sagt eindeutig: Eigentlich soll sich künftig jeder, der gelegentlich das Haus verlässt, immer wieder testen lassen, und das auch, wenn er oder sie sich kerngesund fühlt.
Das kann in Selbsttests geschehen, denn jede Person soll monatlich fünf davon beziehen dürfen. Und auch die Kosten für einen Schnelltest in Apotheken und Testzentren will der Bund – wir wiederholen uns: Der Steuerzahler – übernehmen.
Was das kostet? Keine Bange. Diese «Ausweitung der Teststrategie» schätzt der Bundesrat für das Jahr 2021 zwar auf «über eine Milliarde Franken», aber wir haben ja längst den Punkt erreicht, an dem eine Milliarde in etwa so klingt, als würde man mit dem Kind übers Taschengeld sprechen. Corona beziehungsweise die Massnahmen dagegen haben unseren Staat dermassen federleicht gemacht, was die Finanzen angeht, dass man nun wirklich nicht über neun Nullen mehr oder weniger diskutieren muss.
Man könnte nun in Aufregung geraten darüber, dass der Bundesrat vor wenigen Tagen verkündet hat, er wolle grundsätzlich jeden, der nicht gerade bettlägerig ist, permanent zu Tests verknurren. Denn das ist ein Paradigmenwechsel. Er bedeutet: Grundsätzlich sollten wir uns alle immer irgendwie krank und als Gefahr für die Mitmenschen fühlen. Aber erfahrungsgemäss bringt fast nichts mehr das Blut von Herrn und Frau Schweizer in Wallung. Deshalb wird auch hier wohl der Aufschrei ausbleiben.
Die gute Nachricht: Noch ist nichts entschieden, die Kantone dürfen ihre Meinung zur neuen Teststrategie noch abgeben, und der Bundesrat verkündet seinen definitiven Beschluss am 12. März. Die schlechte Nachricht: Die Kantone sind längst ein Feigenblatt, und was auch immer sie sagen, wandert zu den Akten, Auswirkungen hat es sowieso nicht.
2020 war happig als Jahr. Aber viel entscheidender: Damals wurden die Schleusen geöffnet für noch weit mehr, das nun 2021 sichtbar wird. Das Dauertesten eines grossen Teils der Bevölkerung ist jedenfalls ein Dammbruch. Und der löst die Frage aus: Was kommt denn sonst noch alles?
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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