Ein Thurgauer Wahrzeichen ist eine permanente Baustelle. Der Eigentümer ist ein schillernder Finanzunternehmer. Unklar ist, ob sich seine Absichten als ein Luftschloss erweisen.
Hier erfüllt der Thurgau alle Klischeevorstellungen von ländlicher Idylle: In den Feldern stehen die Sonnenblumen und der Mais mannshoch, auf einem Hof markiert ein Hahn lautstark Präsenz und auf einem Acker zieht ein Traktor seine regelmässigen Bahnen. Obstbäume stehen in Reih und Glied, an den besonnten Hängen des Immenberges reifen Trauben. Die Lauche plätschert gemächlich durchs Tal, dessen Namen sie prägt.
Mit trägen Schlägen verkündet die Glocke im schmucken Kirchturm von Stettfurt die Stunde. 1204 Einwohner; der Gemeindename ist ursprünglich von einer Ortschaft bei einem Wasserübergang abgeleitet. Ab und zu brummt ein Sportflugzeug in geringer Höhe vorbei. Es ist im nahen Lommis auf dem Flugplatz gestartet oder will dort landen.
Üppiges Buschwerk
Über allem thront ein Schloss. Auf der steilen Anhöhe wirkt es vor bewölktem Himmel wie eine Trutzburg, die einst den Untertanen täglich vor Augen führen wollte, wer im Land das Sagen hat.
Auf den zweiten Blick hat es etwas von einem verwunschenen Märchenschloss, das von üppig wucherndem Buschwerk umrahmt wird. Ein Trupp von Gärtnern hätte hier tagelang zu tun.
Einiges passt nicht ins Bild vom Märchenschloss, etwa die gestapelten Container, die wohl als Baubaracken dienen sollen, der grosse Kran sowie das Baugerüst, das die Liegenschaft auf ganzer Höhe umschliesst.
Eine hohe Abschrankung soll Unbefugte fernhalten. Durch die Ritzen winden sich Rebranken, offensichtlich wurden die Tore schon länger nicht mehr geöffnet.
Frühe Spuren
Das Schloss Sonnenberg wurde 1242 erstmals urkundlich erwähnt. Danach wurde es für Jahrhunderte turbulent, die Ereignisse lassen sich mit den Stichworten mehrfache Besitzerwechsel, mehrfache Belagerungen, mehrfach Brände zusammenfassen.
1678 kam es schliesslich in den Besitz des Klosters Einsiedeln, wo es für lange Zeit blieb. Es wurde zu einem beliebten Ausflugsziel mit Restaurant. Auch viele Paare gaben sich dort das Ja-Wort.
Seine erhöhte Lage gewährte einen imposanten Ausblick. An prachtvollen Tagen kann man in der Ferne die Berner Alpen erkennen.
Der Platz, an dem heute das Schloss steht, scheint schon früher ein beliebter Aufenthaltsort gewesen zu sein. Bei archäologischen Grabungen fanden Forscher Überreste von Siedlungen, die bis 4000 vor Christus zurückreichen.
Schwierige Käufersuche
Das Kloster Einsiedeln suchte 15 Jahre nach einem Käufer die repräsentative Liegenschaft an exklusiver Lage. Es standen umfangreiche Investitionen in das baufällige Gemäuer an, dem Kloster fehlten die erforderlichen Mittel.
Dann tauchte der Wiener Christian Baha auf. Ohne lange Bedenkzeit erwarb er 2007 das Gebäude sowie einen angegliederter Gutsbetrieb mit 150 Hektaren Acker, Wiesen, Wald und Reben. Der Kaufpreis soll bei 7 Millionen Franken gelegen haben. Das Schloss sollte Wohnsitz seiner Familie werden.
Nach dem Erwerb des Komplexes machte Baha seine Pläne öffentlich: Eine Generalsanierung in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten werden der Öffentlichkeit Gastwirtschaftsräumlichkeiten zur Verfügung stehen. Geplant ist nebst einem gepflegten Restaurant auch die Weiterführung des Gastwirtschaftsbetriebs für Ausflügler und Wanderer.
Die schlosseigene Kapelle sowie die Prunkräumlichkeiten werden in angepasster Form für Hochzeiten, aber auch für öffentliche kulturelle Anlässe wie Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen etc. bereitstehen.
Der Schlosskeller wird zur Vinothek, zudem soll ein Wellnessbereich angelegt und eine neue Zufahrtstrasse gebaut werden. In der alten Scheune soll es 11 Wohnungen geben. Geplante Gesamtinvestition: 15 Millionen Franken.
Robin Hood der Kleinanleger
Der 52-Jährige Christian Baha begann seien berufliche Laufbahn als Polizeibeamter in seiner Heimatstand Wien. An die Abendmatura schloss er ein betriebswirtschaftliches Studium an. 1995 gründete er mit einem Geschäftspartner ein Fintech-Unternehmen. Mittlerweile ist er Alleininhaber.
Aus steuerlichen Gründen lebt der Mulitmillionär mittlerweile in Monaco. Er betreibt in Neuseeland und in Frankreich Biofarmen. Und er betätigte sich auch schon als Darsteller in Hollywood-Filmen.
In Interviews definierte sich Christian Baha mehrfach als Robin Hood, der mit seiner Börsensoftware auch Kleinanlegern den Zugang zu Hegde Fonds und anderen Finanzvehikeln mit lukrativen Renditeaussichten ermöglichen will.
Konflikte um Löhne
Seit der Übernahme des Schlosses kam es immer wieder zu Bauverzögerungen und zu juristischen Verfahren. Unter anderem protestierte die Gewerkschaft gegen deutlich zu tiefe Stundenlöhne für die aus Osteuropa stammenden Bauarbeiter.
Die Rechtsvertreter des Eigentümers entgegneten, die Arbeitskräfte erhielten einen Teil des Lohnes in angemessenen Naturalleistungen.
Dennoch wurden sie schliesslich von der Baustelle abgezogen. Handwerksbetriebe aus der Region wurden zur Offertstellung eingeladen. Doch seit Monaten herrscht nun wieder Stillstand auf der Baustelle, wie eine in der Region wohnhafte Passantin bestätigt.
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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