Sollte der US-Präsident durchdrehen, wäre das eine Bedrohung für die ganze Welt. Und auch, leider, für die Ostschweiz. Ja, Appenzell ist auch gemeint.
Man kann sagen, vornehm formuliert, dass US-Präsident Donald Trump polarisiert. Neben den Hin-und-Her-Gerissenen gibt es laustarke Kritiker und oft weniger lautstarke Unterstützer. Nicht zuletzt unter den US-Wählern.
Es ist nun müssig, Trumps Lügen gegen Fake News aufzurechnen oder sich über die Mainstream-Medien lustig zu machen, die es bis heute nicht verwunden haben, dass sie alle kreuzfalsch lagen, als sie das Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahlen prognostizierten.
Inzwischen geht es um etwas ganz anderes: Der Mann wird beängstigend. Und merkt es nicht mal. Der Beweis: Sein Brief an den türkischen Machthaber Recep Erdogan. Kurze Rückblende: Trump hatte vor Kurzem den Rückzug der US-Truppen von der Nordgrenze Syriens befohlen. Das führte nicht nur dazu, dass staunende russische Truppen unversehrt gebliebene US-Infrastruktur in Besitz nehmen konnten. Sondern auch dazu, dass Erdogan sofort mit einer blutigen Invasion Syriens begann.
Das löste auch in den USA, und selbst unter Anhängern Trumps, vornehm formuliert Befremden aus. Sogar viele Republikaner stimmen im Repräsentantenhaus für eine Resolution, die diesen Verrat an den Kurden geisselt. Also sah sich Trump gezwungen, etwas zu unternehmen. Das hätte er vielleicht lieber lassen sollen, dann wäre ich weniger verängstigt. Denn ich habe den Brief gelesen.
Von der ersten Aufforderung «let’s work out a good deal», lass uns ein gutes Geschäft abschliessen, bis zur letzten Bemerkung «ich rufe dich später an», ist dieser Brief verstörend. Man liest Sätze wie «ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, die türkische Wirtschaft zu zerstören – was ich tun werde.» Oder «ich habe hart dafür gearbeitet, einige deiner Probleme zu lösen.» Aber das alles ist noch normal gegen diese Sätze: «Die Geschichte wird auf ewig auf dich schauen als auf einen Teufel, wenn keine guten Dinge geschehen. Spiel nicht den harten Kerl. Sei kein Irrer.»
Ich masse mir kein Urteil über den Geisteszustand von Erdogan an. Aber ein US-Präsident, den seine gesamten Berater, seine Entourage nicht davon abhalten kann, so etwas auf dem Briefpapier des Präsidenten der mächtigsten Nation dieser Erde abzuschicken, was ist mit dessen Geisteszustand? Den niemand davon abhalten kann, diese Epistel auch noch stolz den Medien zu zeigen?
Das ist bedenklich. Beängstigend. Das ist irre. Fast noch schlimmer: Das ist völlig wirkungslos. Denn nur einen Tag später, nachdem Erdogan sich vergeblich den Kopf zerbrochen hatte, was der US-Präsident ihm eigentlich sagen wollte, liess er seine Truppen mit der Invasion Syriens beginnen.
Offensichtlich nimmt er nicht ernst, dass Trump seine Wirtschaft zerstören könne und wolle. Und obwohl gläubiger Moslem, hat Erdogan offenbar auch keine Angst davor, dass die Geschichte ihn als Teufel sehen könnte. Aber ich habe Angst vor diesem US-Präsidenten.
Es gibt Menschen, die befürchten, dass Trump nächstes Jahr wiedergewählt werden könnte. Es gibt Menschen, die das hoffen. Ich hingegen habe auch Angst davor, was passieren kann, wenn er nicht wiedergewählt werden sollte. Denn jemand, der solche Briefe schreibt, der ist zu eigentlich allem fähig. Auch, wie er schon ankündigte, den Ausgang der Wahlen nur dann zu akzeptieren, wenn er der Sieger sein wird.
Der Patriot Act, ein Gesetz, das dem Präsidenten nach den Anschlägen von 9/11 Sonderrechte einräumt, wenn er eine «clear and present danger», eine klare und reale Gefahr für die USA sieht, kann mit wenigen Handgriffen umfunktioniert werden, um aus einem demokratisch gewählten Präsidenten einen Diktator zu machen. Reine Schwarzseherei, ein Alptraum, realitätsfern? Hoffentlich.
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