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BAG-Chefin Anne Lévy

Überfordert, aber noch tragbar?

Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts fürs Gesundheit (BAG)  hat die Fortsetzung der Pannenserie zu verantworten. Aber sie kümmert sich lieber um Privates.

«Die Ostschweiz» Archiv am 06. Februar 2021

Dieser Beitrag ist erstmalig auf dem Medienportal zackbum.ch erschienen.

Impfchaos, immer mal wieder falsche Zahlen, die Verwendung aller Kommunikationsmittel, vielleicht mit Ausnahme von Brieftauben oder Meldeläufern: selten hat sich ein Bundesamt mit immerhin 600 Mitarbeitern dermassen in einer Belastungssituation blamiert.

Lévy hatte ein halbes Jahr Zeit, sich auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten, bevor sie am 1. Oktober letzten Jahres ihr gutbezahltes neues Amt antrat. Diesen Vorlauf scheint sie aber mehr auf die Regelung privater Angelegenheiten verwendet zu haben.

Eine ihrer ersten wegweisenden Management-Entscheidungen war, dass sie das Mitbringen von Hunden ins BAG-Hauptquartier erlaubte. Das sorge für bessere Stimmung bei den Mitarbeitern, meinte sie. Dass sie nun auch ihren eigenen Köter im Büro halten darf, hat ihre Entscheidung sicherlich nicht beeinflusst.

Der arme Hund ist sich zu Hause aber einen doch etwas grösseren Auslauf als im Büro gewohnt, denn Lévy haust in Bern in einer grosszügigen 8,5-Zimmer-Wohnung. Als das News-Portal nau.ch das in einem Nebensatz über einen Fehlalarm berichtete, der zum Eingreifen einer bewaffneten Polizeitruppe führte, verlor Lévy die Fassung.

Was für Lévy wichtig ist – und was nicht

Sie griff wutentbrannt höchstpersönlich zum Telefon und stauchte lautstark die Redaktion von nau.ch zusammen. Diese Angabe müsse sofort gelöscht werden, falls nicht, so drohte sie wiederholt, setze sie die ganze Macht der juristischen Abteilung des BAG in Bewegung.

Interessant, wie sorgfältig Lévy hier Privates und Amtliches trennt. Aber damit nicht genug. Nau.ch hatte ebenfalls berichtet, dass die Information über den Polizeieinsatz von einem Augenzeugen an die Redaktion weitergegeben worden war. Auch das erregte Lévys allerhöchste Verstimmung. Ultimativ forderte sie die Redaktion auf, ihr den Namen dieses Augenzeugen zu nennen. Quellenschutz und ähnlicher Unsinn waren der Chefbeamtin in diesem Moment völlig egal.

Später versuchte die Kommunikationsabteilung des BAG, die Zahnpasta wieder in die Tube zu drücken. Diese Informationen seien «irrelevant» und «nicht von öffentlichem Interesse», deshalb habe «man» interveniert. Als sich das ebenfalls als Rohrkrepierer erwies – bestimmen nun Beamte, was die Medien zu veröffentlichen haben und was nicht –, versuchte man es dann mit dem «Schutz der Privatsphäre».

Die gilt im BAG aber offenbar nicht für den internen Mailverkehr, denn der hing noch am Mail, das der oberste Kommunikationsverantwortliche an ZACKBUM.ch schickte.

Im aktuellen Mailverkehr mit ZACKBUM.ch heisst es, dass keine weiteren Fragen mehr zur Privatsphäre der Direktorin Lévy beantwortet werden. Diese Privatsphäre ist uns tatsächlich vollkommen egal. Aber zu ihrem Verhalten im Amt haben wir noch ein paar Fragen:

  • Ist eine Direktorin weiterhin tragbar, die dermassen die Contenance verliert, statt sich um die vielen wichtigen und dringlichen Probleme zu kümmern, die nichts Besseres zu tun hat, als höchstpersönlich eine Redaktion anzurufen und lautstark zu bedrohen?

- Ist eine Direktorin weiterhin tragbar, die sogar damit droht – mehrfach –, die Rechtsabteilung des BAG in Marsch zu setzen, wenn ihrer persönlichen Forderung – die Grösse ihrer Wohnung muss gelöscht werden – nicht nachgekommen wird?

- Ist eine Direktorin weiterhin tragbar, die zudem Auskunft verlangt, wer dieser Augenzeuge sei, der den Polizeieinsatz an nau.ch gemeldet habe?

- Ist eine Direktorin weiterhin tragbar, die nicht einmal den Anstand hat, sich für ihren Ausraster zu entschuldigen, dafür aber die Kommunikationsabteilung des BAG und des EDI dazu missbraucht, mit aberwitzigen Verdrehungen ihr Fehlverhalten zuzuschwatzen?

- Ist die Direktorin des wohl zurzeit wichtigsten Bundesamtes noch tragbar, die sich offensichtlich nicht im Griff hat, zwischen Amt und Privatem nicht unterscheiden kann, mit dem Einsatz von BAG-Juristen droht, die mit ihrem privaten Problem nichts zu schaffen haben? Die schliesslich die einfachsten Regeln des Journalismus nicht kennt oder meint, sie dank ihres Amtes ignorieren zu können?

Überfordert, arrogant, disqualifiziert: aber noch tragbar?

All das sind Anzeichen von Überforderung, aus Problemen flüchten und seine schlechte Laune an einer Redaktion abreagieren wollen, die nur ihren Job machte. Zum amtlichen Versagen kommt noch eine bedenkliche Unkenntnis rechtsstaatlicher Vorschriften hinzu. Offensichtlich meint Lévy, für sie als Direktorin gälten andere Regeln als für jeden anderen.

Schliesslich disqualifiziert sie sich noch als Person, indem sie nicht den Anstand hat, persönlich für ihr Fehlverhalten hinzustehen. Das sind mehr als genug Gründe, um dringlich einen Nachfolger – oder eine Nachfolgerin – zu suchen. Alleine schon deswegen, weil dieses Verhalten ihre Autorität als Führungsperson in einem Amt mit 600 Mitarbeitern schwer beschädigt hat.

Wenn ihr auch diese Fähigkeit zur Einsicht fehlt, dann ist es an ihrem Vorgesetzten, Remedur zu schaffen. Das BAG ist zu wichtig, als dass es weiter in den Händen dieser Frau liegen darf.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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