logo

Eine Beurteilung

Universität St.Gallen: Kaderschmiede oder Alteisenproduzent?

St. Gallen nennt sich gerne auch Universitätsstadt. Schliesslich beherbergt sie die HSG. Also lieber doch die Universität. Wo die Wirtschaftskader von morgen herangezogen werden. Mit Methoden von gestern.

«Die Ostschweiz» Archiv am 29. Oktober 2019

Eines der wichtigsten Prinzipien der Führungslehre lautet: Durch das eigene Vorbild führen. Nicht Wasser predigen und Wein saufen. Keine Ansprüche an Untergebene stellen, die der Vorgesetzte nicht selber erfüllt.

Schliesslich verfügt die HSG, Pardon, die Universität St. Gallen, auch über ein Institut für Wirtschaftsethik. Das weist im Sinne der Transparenz auch seine Verbindungen aus. So zum Beispiel eine Partnerschaft mit der UEFA zum Thema «Football & Social Responsibility».

Nun ja, Rassismus, Katar, das deutsche Sommermärchen, das nicht nur märchenhaft war: Da ist wohl noch Luft nach oben in dieser Partnerschaft. Vielleicht kümmert sich das Institut der HSG auch besonders um Michel Platini, den ehemaligen UEFA-Boss, der wegen Korruptionsverdacht in den Knast wanderte.

Aber wozu in die Ferne schweifen, das Schlechte liegt so nah. Zunächst aber die gute Nachricht: Bei einer schlappen Stimmbeteiligung von 26 Prozent wurde der Erweiterung der HSG zugestimmt. Allerdings profitieren die Studenten erst ab 2027 vom 160 Millionen Franken teuren Neubau. Apropos profitieren.

Da gab es den netten Nebenjob des HSG-Dozenten Johannes Rüegg-Stürm. Der kassierte als VR-Präsident bei Raiffeisen nicht nur ein üppiges Honorar, sondern stürmte mitten aus einer Pressekonferenz, nachdem er seinen Rücktritt erklärt hatte. Alles andere als ein vorbildliches Verhalten. Die Finanzmarktaufsicht rief dem Institutsleiter noch hinterher, dass er seine Aufsichtspflichten vernachlässigt habe.

Dann verbrannte sich der Rektor der HSG höchstselbst die Finger an seinem VR-Mandat bei den Jungfrau-Bahnen. Dann kamen noch Fälle von Spesenmissbrauch ans Licht, also insgesamt ein trauriges Bild, das die Professorenschaft hier abgab. An einem Institut alleine waren das 120'000 Franken, aber ganz allgemein gönnte sich die Professorenschaft Business Class bei Flügen, teure Weine und andere Annehmlichkeiten. Spesenritter auf Kosten des Steuerzahlers, versteht sich.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich die HSG immer spät, sehr spät von überkommenen Lehrmeinungen trennt. Als schon längst klar war, dass der «homo oeconomicus», also der von seinem Nutzen getriebene und rundum informierte Wirtschaftsteilhaber eine schwachsinnige Erfindung war, hielt die HSG noch an diesem Popanz fest. Dabei war der nur behauptet worden, damit der menschliche Faktor in die tollen Algorithmen passte, mit denen man endlich das Risiko von der Rendite trennen wollte.

Aber bis heute müssen HSG-Studenten die Black-Scholes-Formel und anderen Unsinn pauken. Wie viele von den 8500 Lernenden allerdings auf Zuruf spontan in der Lage wären, die richtige Antwort auf die Frage zu geben, wo das Eigenkapital in einer Bilanz steht, und warum, das möchte man lieber nicht ausprobieren.

Nun ist der Mensch bekanntlich schwach und die Versuchungen lauern aller Orten. Deshalb, so wird das auch an der HSG gelehrt, müssen natürlich die entsprechenden Strukturen geschaffen werden, um das Sündigen zu verhindern. Daher werde nun bei der Compliance die Schraube angezogen, Nebentätigkeiten strikter kontrolliert, eine Stelle für Whistleblower eingerichtet, um neues Vertrauen geworben, Blabla.

Aber auch hier arbeitet die HSG daran, einen Bilderbuch-Case zu schaffen, wie man es nicht machen sollte. Denn all die angekündigten Massnahmen sind völlig zahn- und wirkungslos. Woran man das merkt? Ganz einfach, daran, dass der nächste Skandal schon jetzt am Brodeln ist. Nur ist er noch nicht der Öffentlichkeit bekannt. Noch nicht.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.