Das Kreisgericht Wil verurteilte am Mittwoch, 25. März, einen schuldunfähigen Mann zu einer ambulanten psychiatrischen Massnahme. In einem Anfall von Schizophrenie wollte er seiner Frau den Teufel austreiben und wurde dabei gewalttätig.
Der Angeklagte macht diesen niedergeschlagenen, kraftlosen Eindruck eines Mannes, der Psychopharmaka schluckt. Und der Eindruck täuscht nicht: Seit dem Vorfall anfangs Mai 2018 befindet sich der dreifache, 42-jährige Familienvater zuerst in stationärer und jetzt in ambulanter psychiatrischer Behandlung.
Aufgrund eines ihm von unbekannten Kräften eingegebenen Zahlencodes war er der felsenfesten Überzeugung, dass er eine ihm nicht näher bekannte Verkäuferin in einem Tankstellenshop heiraten müsse. In diesem Wahnzustand wurde er gegenüber seiner (bereits existierenden) Ehefrau übergriffig: Er zog sie an den Haaren ins Badezimmer, stellte sie unter die Dusche, hielt ihr den Mund zu, schamponierte sie mehrmals von Kopf bis Fuss ein und spülte sie wieder ab. Der Ehefrau gelang es, sich im Badezimmer einzuschliessen und die Polizei zu rufen. Als der Mann gegen die Türe polterte, öffnete die Frau – aus Angst die schlafenden Kinder aufzuwecken – diese wieder. Er sah das Mobiltelefon und tickte erst recht aus. Er schlug seine Frau mehrmals mit Händen und Fäusten, würgte sie mit beiden Händen, steckte ihr mehrere Finger in den Rachen, um sie zum Erbrechen zu bringen. Dies alles, weil er überzeugt war, seine Frau sei vom Teufel besessen und er müsse ihn ihr austreiben.
Am Prozess nicht interessiert
Der Beschuldigte wird der einfachen Körperverletzung und der mehrfachen Nötigung beschuldigt. Die Verteidigung anerkennt diese Vorwürfe. Wegen eines Krankheitsfalls in der Familie konnte der zuständige Staatsanwalt an der Verhandlung nicht teilnehmen. Ebenfalls nicht teilgenommen hat die Ehefrau des Beschuldigten. Sie habe gegenüber dem Prozess ein Desinteresse bekundet, wie Einzelrichter Daniel Weniger zu Beginn der Verhandlung sagte. Überhaupt scheint bei der Familie alles wieder mehr oder weniger im Lot zu sein. Der Mann ist zu Hause, die Frau arbeitet in einem Pflegeberuf in einem Vollzeitpensum.
Seit zwei Monaten nimmt der ehemalige Garagist neue Medikamente ein. Er sei sehr müde und antriebslos. «Ich bin den ganzen Tag zu Hause, gehe kaum raus, liege meistens im Bett», sagt er. Nein, solche oder ähnliche Anfälle habe er seither keine mehr gehabt, meint er auf die entsprechende Richterfrage.
Es herrscht einvernehmen von allen drei Seiten: Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind sich einig, dass der Mann schuldunfähig ist. Der Staatsanwalt fordert, dass eine ambulante Massnahme, die den Beschuldigten verpflichtet, die ihm verschriebenen Medikamente einzunehmen, angeordnet werde. Dagegen wehrt sich der Verteidiger: Sein Mandant sei krankheits- und behandlungseinsichtig, habe sich mit der Frau versöhnt, befinde sich in einem stabilen Umfeld mit ausreichender Sozialkontrolle. Weil das Rückfallrisiko klein und Zwang kontraproduktiv sei, plädiert er auf Freiwilligkeit und wehrt sich im Namen des Beschuldigten gegen eine verordnete Massnahme.
Kurze Beratung
Das Gericht musste nicht lange beraten: Kurz nach Verhandlungsende verkündet es sein Urteil. In diesem folgt es den Anträgen der Staatsanwaltschaft und ordnet eine ambulante psychiatrische Massnahme an. «Es steht ausser Frage», begründet Richter Weniger das Urteil, «dass eine Therapiebedürftigkeit besteht. Wir wissen nicht, was passiert, wenn die Medikamente abgesetzt werden.» Letzten Endes habe das Gericht entscheiden müssen, ob es auf Vertrauen oder Anordnung setze und habe sich für Letzteres entschieden, weil das eine zusätzliche Versicherung sei. «Das ist kein Misstrauensvotum Ihnen gegenüber», meint Richter Weniger zum Schluss zum Verurteilten und fügt noch an, dass sich für diesen ja auch nichts ändere, da die Therapie wie gewohnt fortgesetzt werde.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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