Wenn man Kinder hat, setzt man sich irgendwann zwangsläufig mit der eigenen Kindheit auseinander. Manche Menschen mehr, manche Menschen weniger. Ich bin allerdings als ständige Optimiererin daran, «Fehler» meiner eigenen Kindheit zu finden, um diese dann auf keinen Fall zu reproduzieren.
Ich möchte bestimmte Sachen auf keinen Fall, dafür andere umso mehr fördern – so wie ich es im Nachhinein vielleicht gerne als Kind gehabt hätte. Natürlich immer mit dem Gedanken, dass meine Eltern immer mit bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. So, wie ich bzw. wir es eben auch versuchen.
Ich kann in meiner bisher achtjährigen Eltern-Laufbahn von keinem Moment behaupten, dass ich jemals etwas, das Kindererziehung beinhaltet, nicht nach bestem Wissen und Gewissen getan hätte. Auch wenn es Momente gibt, die ich gerne besser unter Kontrolle gehabt hätte.
Besonders auch mich. Wie gerne wäre ich einfach immer total tiefenentspannt, wenn wieder einmal eine Wand mit Permanent-Marker vollgemalt wird, nachdem ich gefühlte 1000 Mal gesagt habe, das Kind soll für die künstlerischen Ergüsse doch bitte Papier und Karton verwenden.
Oder wenn man am an einem Januartag am Strand dem Kind zubrüllt, es solle doch bitte nicht zu nahe an die Wellen heran. Achtung: Wenn man es einfach packt und wegträgt, fängt es an zu schreien. Und man ist dann quasi in der Situation, allen Spaziergängerinnen und Spaziergängern zu versichern, dass man es ja nur gut meint. Also zieht man es zum x-ten Male klatschnass aus den Fluten und steht dann selbst in der Unterhose auf dem Parkplatz, weil man natürlich todesmutig mit sämtlichen Klamotten ins Wasser gesprungen ist.
Dass das normal ist, dass man eben nicht immer zu 100 Prozent kontrolliert sein kann, das ist klar. Denn diese Menschlein wissen schon echt supergut, wo der jeweilige Triggerpunkt liegt.
Aber wenn man dann in die Gesichter schaut, die einen fragend und etwas ängstlich anschauen, wenn man die Fassung verloren hat, dann weiss man eigentlich schon im gleichen Moment, dass man der grösste Vollidiot ist. Denn in den allermeisten Fällen sind diese Entgleisungen ja gar nicht das Problem des Kindes, sondern hausgemacht – meistens dann, wenn man seinen eigenen Mist nicht gebacken kriegt.
Mal ehrlich, das Kind kann ja am Ende gar nix dafür, dass es da ist. Es ist wegen meiner Entscheidung da. Und ich muss es verdammt nochmal geschissen bekommen, diesem Kind eben keine fiesen Erinnerungen an die Kindheit einzuimpfen.
Was, wenn es irgendwann einmal als Erwachsene zurückblickt und mir sagt: «Mama, da hattest du dich aber nicht unter Kontrolle. Das will ich bei meinem Kind nie antun, das hat mich nachhaltig traumatisiert.»
Und doch geht es am Ende wahrscheinlich nicht ganz ohne. Das Leben ist kein Ponyhof, wir sind immer noch Menschen und niemand ist perfekt. Und trotzdem bleibt es mein Ziel, den Kindern in der kurzen, unbeschwerten Zeit, die sie haben, eben diese auch oft zu geben. Und sie – wenn irgendwie möglich – nicht zu Psychopathen zu erziehen, die dann wegen einem «Edding-an-die-Wand-malen-Ausraster» meinerseits ein Leben lang psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen.
Die St.Gallerin Anna Lena Horber bildet zusammen mit Rico Horber die Musikgruppe Anna Lux. Vor einigen Jahren folgten die beiden einem Impuls und wanderten nach Mallorca aus.
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