logo

Im Gespräch mit Nina Schläfli

Von sinnvollen Schulden

Von bürgerlicher Seite wird der SP gerne vorgeworfen, sie werfe das Geld mit vollen Händen zum Fenster raus. Die SP selber sieht sich eher als eine Art Robin Hood. Nina Schläfli (*1990), Parteipräsidentin der SP Thurgau, über den Umgang ihrer Partei mit den Finanzen.

Marcel Baumgartner am 04. März 2021

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Infos zu den Abo-Möglichkeiten finden Sie hier.

Nina Schläfli, gibt es Bereiche, für die Sie persönlich gerne und vielleicht manchmal auch zu viel Geld ausgeben?

Ich gebe gerne Geld aus für ein gutes Abendessen mit Freundinnen und Freunden, auf den Preis schaue ich dabei nicht immer ganz so genau.

Wir erklären Kindern schon sehr früh, dass sie nur Geld ausgeben können, dass sie auch haben. In der Politik rückt dieser Grundsatz oftmals in den Hintergrund. Wie würden Sie einem Kind die Sichtweise der SP in Bezug auf in der Schweiz vorhandenes und nichtvorhandenes Geld erklären?

Manchmal macht es als Staat Sinn, Geld auszugeben, das man eigentlich nicht besitzt. Wenn der Staat kein oder zu wenig Geld für wichtige Bereiche wie Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur ausgibt, dann hat das meistens über eine lange Zeit negative Folgen für uns alle. Diese Schulden sind also Investitionen in die Zukunft.

Die SP kritisierte in der Vergangenheit häufig, wenn – ob nun beim Bund oder beim Kanton – Gewinne nicht verteilt, sondern Reserven gebildet wurden. Gerade in Corona-Zeiten war man nun froh, über gewisse Rückstellungen. Ist es schlimm, Geld zu horten?

Das stimmt so nicht. In gewissen Fällen macht es Sinn, Geld in Fonds anzulegen oder Reserven zu bilden. Wir haben in den letzten Jahren vor allem eine andere Praxis kritisiert: Der Bund und viele Kantone erstellen Jahr für Jahr ein sehr knapp bemessenes Budget, zahlreiche Leistungen und Investitionen müssen dabei verschoben oder gekürzt werden. In der Rechnung wird dann aber ein grosser Gewinn ausgewiesen, der häufig vollumfänglich in den Schuldenabbau fliesst. Alles finanzpolitischen Zielen unterzuordnen ist falsch und hat volkswirtschaftliche Konsequenzen: Die nicht getätigten Investitionen fehlen den kommenden Generationen.

In der Politik herrscht seit jeher ein Kampf ums Geld. Die einen wollen es für neue Strassen, die anderen für den Ausbau der Sozialwerke. Haben wir uns in der Schweiz einen Wohlstand geschaffen, der schon bald nicht mehr finanzierbar sein wird?

Dieser Verteilungskampf gehört zur Politik. Theoretisch wären alle grundlegenden Staatsaufgaben mit einer gerechten Steuerpolitik problemlos finanzierbar. Praktisch geht der Trend allerdings in eine andere Richtung: Die Steuern für Unternehmen wurden gesenkt und reiche Personen steuerlich entlastet. Die Folge davon sind Sparpakete und Leistungsabbau für alle.

Wie stark basiert unser Wohlstand letztlich Ihrer Meinung nach auf möglichst attraktiven Rahmenbedingungen für Firmen, die ihrerseits Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung erzielen?

Unser Wohlstand basiert vor allem auf der Arbeit, die geleistet wurde und wird.

Die Schweiz gilt weltweit als reiches Land. Und tatsächlich sind wir eine Wohlstandsgesellschaft. Worauf ist das Ihrer Ansicht nach zurückzuführen?

Das ist eine sehr komplexe Frage. Ein Teil davon kann sicherlich auf die tatsächlich geleistete Arbeit und die getätigten Investitionen früherer Generationen sowie auf eine gute Bildungspolitik zurückgeführt werden. Ein zweiter Teil basiert vor allem auf den günstigen Umständen wie jahrzehntelanger Frieden oder florierende Nachbarstaaten und ist somit eher zufällig. Der dritte, durchaus kritikwürdige Teil ist auf unsere wirtschaftsfreundliche Steuer- und Finanzgesetzgebung zurückzuführen.

Für was wird in diesem Land deutlich zu viel Geld ausgegeben?

Ganz grundsätzlich für Projekte, Objekte oder Bereiche, die sozial und ökologisch nicht nachhaltig sind. Auf politischer Ebene wären dies z.B. gewisse Strassenprojekte oder einige Budgetposten des Militärs.

Und für was zu wenig?

Zu wenig Geld geben wir etwa für eine flächendeckende und bezahlbare Kinderbetreuung, für gerechte Löhne, für Kultur oder für die Klimawende aus.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.