Die St.Galler CVP-Kantonsräte Bruno Cozzio, Sandro Hess-Balgach und Stefan Kohler-Sargans erkundigen sich in ihrer Interpellation vom 23. April 2019, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit von einem Klimanotstand gesprochen werden kann. Nun hat die Regierung die Antwort geliefert.
Ein Staatsnotstand (auch Ausnahmezustand) liegt gemäss dem Schreiben der St.Galler Regierung dann vor, wenn die Existenz eines Staates oder die staatliche Aufgabenerfüllung durch schwerwiegende Gefahren bedroht wird und deren Abwehr mit dem ordentlichen Instrumentarium des Rechts nicht möglich ist. Hauptanwendungsfälle seien Krieg und Naturkatastrophen.
Das st.gallische Verfassungsrecht siehe für Notsituationen und andere dringliche Fälle das so genannte Dringlichkeitsrecht vor.
Danach kann die Regierung, soweit unaufschiebbarer Regelungsbedarf besteht und das ordentliche Verfahren wegen zeitlicher Dringlichkeit nicht eingehalten werden kann, durch Verordnung vorläufig Recht setzen. Dem Kantonsrat ist jedoch unverzüglich Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu stellen. Die Verordnung wird zudem längstens zwei Jahre angewendet.
Mit diesen Vorgaben habe der Verfassungsgeber im Kanton St.Gallen die Möglichkeit zur Rechtsetzung ausserhalb der ordentlichen Verfahren bewusst beschränkt.
Eine umfassende Notstandsklausel, die eine weitgehende Ausschaltung der ordentlichen Verfahren des demokratischen Rechtsstaats in Notsituationen erlauben würde, besteht nicht.
Die Regierung erachte den Klimawandel als eine für den gesamten Planeten im Allgemeinen und für den Kanton St.Gallen im Besonderen bedrohliche längerfristige Entwicklung.
Konkret liege aber ein Staatsnotstand im eingangs genannten Sinn nicht vor und entsprechend bestehe für die Regierung auch kein Anlass, den Erlass von Dringlichkeitsrecht in Erwägung zu ziehen.
«Vielmehr gilt es auf allen Staatsebenen mit dem ordentlichen politischen Instrumentarium den unbestrittenen Herausforderungen und Gefahren des Klimawandels rasch und entschlossen zu begegnen», ist die Regierung überzeugt.
Die Schweiz habe im Herbst 2018 mit der Ratifizierung des Pariser Abkommens den Handlungsbedarf hinsichtlich des rasant voranschreitenden Klimawandels offiziell anerkannt.
«In weiten Teilen der schweizerischen Politik ist es dementsprechend unbestritten, dass Massnahmen ergriffen werden müssen», hält die Regierung fest.
Auch die St.Galler Regierung anerkenne die Dringlichkeit von geeigneten Massnahmen zum Schutz des Klimas und zur Anpassung an den Klimawandel auch im Kanton St.Gallen.
Sie sei entschlossen, diese auf der Basis bereits bestehender Massnahmen mit der nötigen Sorgfalt weiterzuentwickeln und zu ergänzen.
In diesem Sinn lehnt die Regierung auch eine rein deklaratorische Ausrufung eines «Klimanotstands» ab. Gerade die jüngste Behandlung des neuen CO2-Gesetzes durch den Nationalrat zeige auf, dass die einzelnen konkreten Massnahmenvorschläge zum Klimawandel politisch sehr unterschiedlich beurteilt werden.
«Der pragmatischen Suche nach tragfähigen Kompromissen kommt dementsprechend auf allen Staatsebenen eine grosse Bedeutung zu», so die Regierung in ihrer Antwort.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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