Autor/in
Stefan Millius
Stefan Millius (*1972) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz». Seine Stationen führten über das «Neue Wiler Tagblatt», Radio aktuell, die ehemalige Tageszeitung «Die Ostschweiz» zum «Blick».
Stefan Millius (*1972) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz». Seine Stationen führten über das «Neue Wiler Tagblatt», Radio aktuell, die ehemalige Tageszeitung «Die Ostschweiz» zum «Blick».
Stell dir vor, du sprichst in eine Kamera - und kaum einer interessiert sich dafür. Politiker können derzeit ein Lied davon singen.
FDP-Präsidentin Petra Gössi.
Weihnachtsgrüsse und die besten Wünsche zum neuen Jahr: Das macht man im Jahr 2020 am schnellsten und einfachsten mit einer Videobotschaft. Politikerinnen und Politiker greifen auch gerne zu diesem Instrument: Schnell per E-Mail alle Mitglieder mit einem Link bedienen, und schon ist die kleine Ansprache beim Empfänger.
Jedenfalls, wenn sich dieser Empfänger das auch anschauen will.
Im Fall der FDP scheint der Versuch ein ziemlicher Reinfall. Am 17. Dezember publizierte die Partei einen «Frohe Festtage»-Spot auf Youtube und verbreitete diesen via Newsletter an alle Mitglieder. Das sind laut den letzten verfügbaren Zahlen weit über 100'000 Personen. Zehn Tage später hatten - Stichtag 27. Dezember vormittags - rund 1300 Leute den bewussten Youtubelink angeklickt. Ob sie ihn auch bis zum Ende geschaut haben, ist eine andere Frage, wobei der Clip wohltuende 55 Sekunden kurz ist.
Besonders bitter daran: Petra Gössi spricht im Video die «Enkelstrategie» der Partei an. Die FDP will sich für die übernächste Generation engagieren, aber offenbar schafft sie es nicht, eine Onlinestrategie aufzubauen, die ihr auch nur ein Minimum an Aufmerksamkeit beschert. Über zehn Tage hinweg knapp 1300 Zugriffe generieren: Das schafft der hilflose Werbespot einer Bettfedernfirma in zehn Minuten.
Zum Vergleich: Der Ausserrhoder Landammann Alfred Stricker wandte sich auf Youtube knappe 6 Minuten lang an seine Mitlandleute. Die Ansprache ist erst knapp eine Woche online und erreicht schon fast Gössis Zuschauerwerte. Auch hier kann man feststellen: Es gibt kein grosses Bedürfnis in der Bevölkerung, sich von Politikern mit salbungsvollen Worten und Wünschen zum neuen Jahr berieseln zu lassen. Aber offenbar ist das Ausserrhoder Regierungsoberhaupt doch noch gefragter als die FDP-Präsidentin, obschon deren «Publikum» rein rechnerisch wesentlich grösser wäre.
Das Fazit: Solche Übungen macht man eben wohl in erster Linie für sich selbst und weniger für die Adressaten. Denn schon zum Zeitpunkt der Produktion ist klar: Ein Gassenhauer wird es nicht. Es ist eher der Vollzug einer Pflichtübung.
Natürlich gab es auch schon FDP-Spots, die wesentlich mehr Leute erreichten. Und zwar immer dann, wenn Fremdschämen angesagt war. Das ist zugegebenermassen auch keine taugliche Strategie für die Partei der Staatsgründer. Aber zu denken gibt es schon: Wenn FDP-Mitglieder talentfrei singen, wird immerhin ein gewisses Interesse ausgelöst, wenn die FDP-Präsidentin sagt, wie sie das Jahr 2021 bewältigen möchte, bewegen sich die Zugriffszahlen unter dem Radar.
In diesem Sinn hier zur Aufheiterung eine Erinnerung an «bessere» Zeiten:
Expertengruppe fordert umgehende Einstellung aller Massnahmen
In der Zeitmaschine: Die erstaunlichen Aussagen des Christian Drosten
Das gesellschaftliche Experiment soll in eine nächste Runde
Endlich! Gute Nachrichten vom Virus
«CoronaDialog» zum Thema Medien
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